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Parteien buhlen im Netz um junge Wähler: Mit Angela chatten, mit Frank-Walter bloggen

Parteien buhlen im Netz um junge Wähler

Mit Angela chatten, mit Frank-Walter bloggen

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    Neue Knigge-Regel: Twittern verboten
    Neue Knigge-Regel: Twittern verboten Foto: DPA

    Von Michael Kerler

    Augsburg - Schon immer eine Frage an die Bundeskanzlerin gehabt? Nur raus damit: "Frag Angie!" Ganz offen richtet das für die CDU Wahlkampf treibende "Team 2009" diese Aufforderung an die jungen Wähler. Per Internet konnte die vergangenen Tage jeder seine Fragen an die Kanzlerin stellen. Und diese - so verspricht es die Seite - wird am Ende auf eine Auswahl an Fragen antworten.

    Die Idee hat gezündet. Hunderte Fragen sind eingelaufen. "Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, wann wird es endlich einen ermäßigten Steuersatz für Kinderprodukte geben? Warum zahle ich für ein Babygläschen 19% Mehrwertsteuer, wenn eine Dose Hundefutter nur 7% kostet", fragt da offenbar eine junge Mutter oder ein junger Vater. "Warum sollen Studenten Studiengebühren zahlen, obwohl sie kein eigenes Einkommen haben?", hakt ein User nach. "Warum wird in Deutschland Milch weggegossen und nicht kostenlos an Kitas und Schulen abgegeben?", fragt ein dritter. Kürzlich stellte sich die Kanzlerin auch im "Live-Video Chat" den Fragen der Zuschauer des Fernsehsenders RTL.

    Der Wahlkampf in Deutschland ist im Web-2.0-Zeitalter angekommen. Es geht bei den Internet-Auftritten der Parteien und Kandidaten vor der Bundestagswahl vor allem um eines: ums Mitmachen. Die Besucher der Netzseiten sollen nicht nur lesen, sondern auch diskutieren, kommentieren, Fotos hochladen, Videos verlinken, analysierte der Deutschlandfunk vor wenigen Tagen.

    Die großen Online-Portale StudiVZ und Facebook, YouTube, Twitter und Flickr erinnern deshalb derzeit an einen Blick in eine Berliner Kabinettssitzung. Es herrscht Wahlkampf 2.0.

    SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat sich an den schnellen Rhythmus des Internets angepasst. Über seine Seite auf Facebook und einen Blog hält er seine derzeit 5.132 "Befürworter" auf dem Laufenden. Noch am selben Abend berichtet dort der Außenminister beispielsweise von seinen Eindrücken beim Besuch des Kohlbergwerks "Prosper Haniel". Die wirken dann im Gegensatz zur virtuellen Internetwelt wieder sehr handfest: "Man wird ein wenig demütig im Angesicht der Männer, die jeden Tag ins Dunkel einfahren."

    Die Internetauftritte sind darauf angelegt, Mauern zwischen Politik und Wähler fallen zu lassen. Oder zumindest etwas abzusenken. Renate Künast (Grüne) tritt der StudiVZ-Community deshalb gleich mit einem "Du" gegenüber: "Willkommen bei StudiVZ bei meinem Profil. Ich bin Renate Künast. Hier erfahrt ihr alles von Atomausstieg über Energiepolitik bis 'Keine Studiengebühren' und mein Lieblingsthema Ökolandbau", sagt sie im Video.

    Die FDP hat das Image der Spaßpartei zwar wieder erfolgreich abgeschüttelt, kann aber keinesfalls vom Internet lassen. So zeigt sich Guido Westerwelle auf StudiVZ in einem Video "beeindruckt, wie viel gegruschelt wurde" und auf dem Diskussionsforum der Netzseite der Partei geht es unter anderem hoch her zum Mindestlohn, dem Steuersystem und der Frage "Wie werde ich reich?".

    Insbesondere sollen die Menschen im Internet "ihre" Politiker einmal ganz persönlich kennen lernen. So verrät Angela Merkel auf Facebook, dass Gartenarbeit, Wandern und Kochen zu ihren liebsten Hobbys zählen.

    Ob die Internet-Euphorie der Politik beim Wähler ankommt, ist noch ungewiss: Immerhin haben in einer Umfrage des Instituts Emnid vor Kurzem 72 Prozent der Befragten erklärt, dass für sie das Netz im laufenden Bundestagswahlkampf noch keine große Rolle spielt. Die anderen 18 Prozent messen dem Internet zumindest eine geringe Bedeutung zu.

    Manchmal schlägt auch die Anarchie des Internets auf die Wahlkampfmaschinerie selbst zurück. Das bekam Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) jüngst zu spüren: Der Politik-Blog Netzpolitik.org hatte die Internetgemeinde aufgefordert, eines seiner Wahlplakate mit dem Slogan "Wir haben die Kraft für Sicherheit und Frieden" zu "remixen." Dutzende User folgten dem Aufruf mit Begeisterung und gestalteten das Plakat satirisch um.

    Die CDU nahm die Aktion der Internet-Gemeinde gelassen hin. Überraschenden Widerstand gab es allerdings von der Fotografin des Motivs. Sie machte ihre Urheberrechte geltend und drohte, rechtliche Schritte einzuleiten.

    Bei den Mitgliedern der Piratenpartei dürfte dies auf Unverständnis stoßen. Sie setzt sich für ein freies Internet ein. Auf der Klaviatur des Online-Wahlkampfs spielt die Partei perfekt. Eifrig wird auf der Seite diskutiert und debattiert. Neues Projekt der Piratenpartei: Im virtuellen Raum ganz reale Parteispenden gewinnen. 16.631 Euro sind schon zusammengekommen. Das zeigte der Spenden-Ladebalken am Sonntag an.

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