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Partei: In der SPD rückt Martin Schulz in die zweite Reihe

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In der SPD rückt Martin Schulz in die zweite Reihe

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    Die neue Hackordnung der SPD auf einem Selfie von Generalsekretär Lars Klingbeil (rechts)? In der Mitte Andrea Nahles und Olaf Scholz, links daneben die Ministerpräsidentinnen Manuela Schwesig und Malu Dreyer (dahinter). Martin Schulz ist kaum noch zu sehen (neben Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider).
    Die neue Hackordnung der SPD auf einem Selfie von Generalsekretär Lars Klingbeil (rechts)? In der Mitte Andrea Nahles und Olaf Scholz, links daneben die Ministerpräsidentinnen Manuela Schwesig und Malu Dreyer (dahinter). Martin Schulz ist kaum noch zu sehen (neben Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider). Foto: dpa

    Allein das Bild spricht schon Bände. Nach der mit der Union durchverhandelten Nacht und dem weißen Rauch für einen Vertrag über eine Große Koalition veröffentlicht die SPD-Spitze um 10.37 Uhr ein Selfie-Bild. Aufgenommen von Generalsekretär Lars Klingbeil. Neben ihm vorne Vize Olaf Scholz und Fraktionschefin Andrea Nahles. Im Hintergrund, hinter Nahles, fast versteckt: SPD-Chef Martin Schulz. „Müde. Aber zufrieden. Der Vertrag steht“, schreiben sie dazu.

    Was da noch keiner draußen weiß: Das ist die neue Hackordnung der Partei. Kein Jahr nachdem Schulz wie ein Messias mit 100 Prozent zum neuen SPD-Vorsitzenden gewählt worden war und der „Schulz-Zug“ ihn in das Kanzleramt bringen sollte, ist Schulz in die zweite Reihe gerückt.

    Es ist die Tragik dieses 7. Februars 2018: An dem Tag, an dem die SPD der Union von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sehr viel abgetrotzt hat, ist Parteichef Schulz endgültig der große Verlierer. Neben seinem Vorgänger Sigmar Gabriel. Zwar soll Schulz, der frühere Präsident des Europaparlaments, Gabriel als Außenminister beerben – obwohl letzterer derzeit der beliebteste Politiker in Deutschland ist. Aber Schulz, 62, wird den Parteivorsitz abgeben, und als Vizekanzler ist nicht er, sondern Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz, 59, eingeplant, der auch neuer Bundesfinanzminister werden soll.

    Das steht alles unter Vorbehalt. Denn nun hat die Basis das Wort: Rund 463 000 Mitglieder werden bis Anfang März über den Koalitionsvertrag abstimmen. Die Rochade mit Andrea Nahles, 47, als der designierten ersten Vorsitzenden in der 155-jährigen SPD-Geschichte, dürfte auch erfolgt sein, um irgendwie das Mitgliedervotum zu überstehen. Sie hatte mit klarer Kante und schlüssigen Argumenten für den Gang in die ungeliebte GroKo beim Parteitag in Bonn jüngst an der Basis an Zustimmung gewonnen.

    Die Führungsfrage bei der SPD scheint geklärt. Kanzlerin Merkel schätzt Nahles wie Scholz als professionelle Politiker. Aber wird die Basis alles mittragen? Oder wird nun noch mehr das Anti-GroKo-Lager profitieren? Nahles muss auch den Erneuerungsprozess der SPD steuern und eine Idee entwickeln, wofür die Partei steht, wohin sie will. Sie muss die Fraktion im Bundestag steuern, zusammenhalten und die GroKo verteidigen, während gerade der Parteinachwuchs sich nach einem Linksruck und klarer Kante sehnt. Ein schwieriger Spagat.

    Die Nacht beim politischen Gegner im Konrad-Adenauer-Haus war eine seltsame. Insgesamt 24 Stunden verbrachten die Sozialdemokraten hier. Es drang wenig nach draußen, immer wieder zogen sich Nahles, Scholz, Schulz und Co. zu eigenen Beratungen zurück. Sie trotzten Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer sechs Ministerien ab – mit dem Wahlergebnis von 20,5 Prozent ist es fast eine Sensation, dabei unter anderem die Schlüsselressorts Finanzen, Außen und Arbeit/Soziales bekommen zu haben. Aber Angela Merkel braucht halt irgendwann mal eine stabile Regierung.

    Dass Schulz auch an den eigenen taktischen Fehlern und Volten gescheitert ist, zeigte der Schlussakkord in dem Drama. So hatte er die Ministernamen und seine eigenen Pläne erst nach dem Mitgliederentscheid bekannt geben wollen. Das ging krachend schief. Das Schweigegelübde der Verhandler hielt keine vierzig Minuten.

    Die SPD kann gnadenlos sein, wenn es darum geht, in Ungnade gefallene Vorsitzende aufs Abstellgleis zu schieben, unvergessen der Sturz von Kurt Beck 2008 am Schwielowsee. Diesmal sollte es nicht wie ein Sturz aussehen, noch dazu in der CDU-Zentrale. Dann aber sickerte durch, dass Scholz nach Berlin wechseln soll, wenn die Große Koalition kommt. Kurz danach wurde klar: Schulz will tatsächlich Außenminister werden. Da stellte sich die Frage: Scholz, einer der profiliertesten SPD-Politiker, der mit Nahles eng kooperiert, wird sich im Kabinett Schulz kaum unterordnen. Später sickerte durch: Schulz gibt den Vorsitz ab, Nahles soll ihn beerben. Wie freiwillig das geschah: unklar. Das Bild, aufgenommen im Adenauer-Haus, spiegelte die neue Zeit schon wider. Georg Ismar und Christiane Jacke, dpa

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