Das Verfassungsgericht will am Dienstag seine mit Spannung erwartete Entscheidung im NPD-Verbotsverfahren verkünden. Ein erster Versuch 2003 war krachend gescheitert. Einige Fragen und Antworten zur Rolle der Partei in der rechtsextremen Szene:
Wie steht es um die rechtsextreme Szene in Deutschland?
Die Flüchtlingsdebatte hat ihr Aufwind und Selbstbewusstsein gegeben. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz schaffte die Anti-Asyl-Agitation einen "Resonanzboden für rechtsextremistische Ideologiefragmente". Die Szene gewinnt an Anschlussfähigkeit. Stichwort Enttabuisierung. So gehörten Rechtsextremisten auch zu den Initiatoren von Protestveranstaltungen gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung. Mit Sorge beobachtet der Verfassungsschutz den starken Anstieg rechtsextremistisch motivierter Straf- und Gewalttaten, unter anderem gegen Asylbewerberunterkünfte. Viele der Täter waren zuvor nicht in einschlägigen Kreisen in Erscheinung getreten.
Wie groß ist denn die Szene?
Der Verfassungsschutz zählt Ende 2015 bundesweit 22 600 Menschen zum "rechtsextremistischen Personenpotenzial", davon mehr als ein Viertel Neonazis. Nach jahrelangem Schwund war dies ein leichter Zuwachs.
Und wie ist sie organisiert?
Es gibt viele lokale Zusammenschlüsse in sogenannten Kameradschaften. Ein Teil dieser Gruppierungen grenzt sich bewusst von Parteien ab. Andererseits nutzen einige Führungskräfte aber auch gezielt Parteien als politische Bühne, vor allem die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), die über jeweils zwei Wahlperioden in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern saß. Mit "Die Rechte", "Der III. Weg" und der "Bürgerbewegung pro NRW" etablierten sich weitere Parteien in diesem Spektrum. Wachsenden Zulauf verzeichnet die völkisch geprägte "Identitäre Bewegung", die insbesondere junge Menschen ansprechen will.
Welche Rolle spielt die NPD?
Die NPD erlebte Anfang der 2000er Jahre vor allem in Ostdeutschland wachsenden Zuspruch und brachte bei der Landtagswahl 2004 in Sachsen fast jeden zehnten Wähler hinter sich. 2006 zog sie auch in den Landtag in Schwerin ein. Die Parlamentsfraktionen galten als wichtige Geldquellen, die Abgeordnetenbüros als Stützen der Parteistruktur. Fortwährende Führungsstreitigkeiten in der Bundespartei und Finanzprobleme brachten die NPD immer wieder in die Schlagzeilen, was maßgeblich zu dem wieder abflauenden Wählerinteresse geführt haben dürfte. 2015 konstatierte der Verfassungsschutz eine Konsolidierung der mit rund 5200 Anhängern mitgliederstärksten rechtsextremistischen Partei in Deutschland auf niedrigem Niveau. Finanziell ist die von Frank Franz geführte NPD weiterhin stark angeschlagen. Trotz des Verlustes ihrer Parlamentssitze in Dresden und Schwerin hat die NPD ihre Hochburgen weiterhin vor allem in Ostdeutschland, wo sie auch in einer Reihe von Kommunalparlamenten sitzt.
Was passiert bei einem NPD-Verbot mit den Mandaten in Gemeinden und Kreistagen?
Dazu gibt es in den Bundesländern keine einheitlichen Regelungen. In Ländern wie Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern verlieren nach Angaben der zuständigen Behörden kommunale Mandatsträger der NPD mit der Verkündung des Parteienverbots unverzüglich ihre Sitze in den Kreistagen oder Gemeinderäten. Parteilose Abgeordnete, die auf den Listen der NPD kandidiert hatten, könnten der allgemeinen Rechtsauffassung zufolge ihre Sitze wohl aber behalten.
Wie wird ein mögliches Verbot umgesetzt?
Das letzte Parteiverbot in Deutschland hatte es 1956 gegeben. Damals waren Polizisten sofort nach der Urteilsverkündung ausgerückt, um die Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in Düsseldorf zu versiegeln. Büros und Wohnungen wurden durchsucht. Das Bundesinnenministerium wollte sich aktuell zu möglichen Abläufen bei einem NPD-Verbot nicht äußern. Sie dürften aber ähnlich sein. Ein Verbot würde auch den Einzug sämtlicher Vermögenswerte der Partei nach sich ziehen.
Könnten NPD-Mitglieder im Falle eines Verbots zur AfD wechseln?
Nein. Die Satzung der Alternative für Deutschland (AfD) verbietet dies ausdrücklich. Andere Parteien wie "Die Rechte" könnten dem Verfassungsschutz zufolge zum Auffangbecken werden. Sebastian Engel und Frank Pfaff, dpa