Die rechtsextreme NPD wird nicht verboten. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Es wies mit seinem Urteil vom Dienstag den Verbotsantrag der Länder im Bundesrat ab (mehr dazu).
Die NPD verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. "Es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt." Das sind einige Reaktionen auf das Urteil:
Horst Seehofer (CSU), Bayerischer Ministerpräsident: Das Verfahren an sich wertete er zwar als Erfolg. Die Entscheidung gegen ein Verbot der NPD bezeichnet Seehofer aber als "bedauerlich". "Ungeachtet der Tatsache, dass die NPD in keinem Landtag mehr vertreten ist, stellt sie als Partei mit ihren verfassungsfeindlichen und rechtsradikalen Bestrebungen eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar", erklärte er.
Die Landesregierung werde nicht nachlassen, diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu bekämpfen.
Heiko Maas (SPD), Bundesjustizminister: Nach dem gescheiterten Verfahren ruft Maas dazu auf, sich weiter gegen Rechtsextremismus einzusetzen. "Klare Haltung gegen rechte Hetze zu zeigen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für uns alle."
Er lobte das Gericht für seine Deutlichkeit: "Das politische Konzept der NPD missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar."
Internationales Auschwitz-Komitee: Mit Entrüstung hat das Komitee reagiert. "Heute ist ein tragischer Tag für die wehrhafte Demokratie", sagt Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner. Die Entscheidung sei "für die Überlebenden des Holocaust eine empörende und erschreckend realitätsferne Entscheidung".
Malu Dreyer (SPD), Bundesratspräsidentin: Dreyers Einschätzung nach, wird das NPD-Urteil mäßigend auf Parteien wirken, die "an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit" stehen.
Die Politik müsse nun darüber nachdenken, was das Urteil für die Parteienfinanzierung bedeute, sagte Dreyer weiter. Ein Anliegen der Bundesländer sei nämlich gewesen, die NPD nicht mehr mit Steuergeldern unterstützen zu müssen. Das Bundesverfassungsgericht hatte auf die Möglichkeit einer Änderung der staatlichen Parteienfinanzierung ausdrücklich hingewiesen.
Hintergrund: NPD-Verbot
Das Thema NPD-Verbot beschäftigt die deutsche Politik und Justiz schon lange. 2003 scheiterte am Bundesverfassungsgericht ein zwei Jahre zuvor eingereichter Antrag aus formalen Gründen...
... Nun wird das Gericht am Dienstag sein Urteil zu einem zweiten Antrag verkünden, den 2013 allein die Bundesländer stellten. In Bundes- und Landespolitik wird aber mittlerweile davon ausgegangen, dass auch auch dieser Antrag scheitern könnte. Ein Überblick:
30. Januar 2001: Nach monatelangen Debatten reicht die damalige rot-grüne Bundesregierung einen Antrag auf Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht ein. Am 30. März folgen auch Bundestag und Bundesrat mit eigenen Anträgen.
18. März 2003: Das Bundesverfassungsgericht stellt das Verfahren ein, ohne die Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD zu prüfen. Zuvor wurde bekannt, dass V-Leute des Verfassungsschutzes in der Führungsebene der NPD tätig waren.
9. Dezember 2011: Die Innenministerkonferenz der Länder beschließt, die Chancen eines neuen NPD-Verbotsantrag zu prüfen. Dem ging die Aufdeckung der rechtsextremen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) voraus, was der nie verstummten Verbotsdebatte neue Nahrung gab.
5. Dezember 2012: Die Innenministerkonferenz der Länder plädiert für ein neues Verbotsverfahren. Einen Tag später folgt die Ministerpräsidentenkonferenz dieser Empfehlung.
14. Dezember 2012: Der Bundesrat beschließt mit großer Mehrheit, dass die Länderkammer in Karlsruhe einen neuen Antrag einreicht. Bundesregierung und Bundesrat lassen zunächst offen, ob sie sich anschließen.
18. März 2013: Es wird bekannt, dass sich die Bundesregierung nicht an einem neuen Verbotsantrag beteiligt. Die fünf Minister der FDP im Bundeskabinett lehnen einen solchen Schritt ab. Die FDP will die NPD politisch bekämpfen.
3. Dezember 2013: Der 268 Seiten starke Antrag trifft beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Er listet zahlreiche Zitate von Parteifunktionären auf, die belegen sollen, dass die NPD ideologisch auf einer Linie mit der NSDAP steht.
1. März 2016: Nach einer intensiven Vorprüfung und vom Gericht angeforderten weiteren Schriftsätzen beider Seiten beginnt die dreitägige mündliche Verhandlung am Zweiten Senat des Verfassungsgerichts. Zum Auftakt steht die Frage im Mittelpunkt, ob Bund und Länder rechtzeitig vor Antragstellung alle Spitzel in den Reihen der NPD-Führungsebene abschalteten.
17. Januar 2017: Das Gericht verkündet sein Urteil: Die rechtsextreme NPD wird nicht verboten. Die NPD verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. "Es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt."
Eckhard Jesse, Extremismusforscher: Jesse sieht in dem Urteil ein Zeichen der Liberalität. Es zeige, wie eine offene Gesellschaft mit ihren Feinden angemessen umgehen müsse. "Auch Feinde der Freiheit müssen die Möglichkeit haben, ihre Positionen zu vertreten, solange sie keinen Einfluss haben und keine Gewalt ausüben."
Bernd Riexinger, Vorrsitzender Die Linke: Riexinger kritisiert die Begründung des Urteils mit der Bedeutungslosigkeit der NPD. "Es ist nicht auszuschließen, dass sie wieder stärker wird und dass sie mithilfe von Steuergeldern ihre faschistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Netzwerke weiter aufbaut", erklärt er.
Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender Türkische Gemeinde Deutschland: Sofuoglu sieht in der Ablehnung des Verbots keine Stärkung rechter Krätfe. "Die NPD zu verbieten und gleichzeitig die AfD als legitim zu betrachten, wäre sowieso keine Lösung gewesen." Deswegen müsse der Verfassungsschutz die AfD permanent im Blick haben. Diese sei ein "Sammelbecken für Rechtsextremisten".
Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Fraktionschefin: Göring-Eckardt nennt die NPD eine "Schrumpfpartei". "Die eigentliche Gefahr geht von den jungen, von den neuen Nazis aus, die nicht in der NPD organisiert sind, und vom Rechtspopulismus."
Lorenz Caffier (CDU), Innenminister Mecklenburg-Vorpommern: "Das Gericht ist ja in vielen Punkten unseren Antragsgründen gefolgt", sagt Caffier. Es habe trotz des Urteils deutlich nachgewiesen, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei sei, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehe.
Das Verfahren war nach Caffiers Überzeugung auch wichtig, weil das Bundesverfassungsgericht klar definiert habe, was in Zukunft ein Parteienverbot heiße. dpa/afp
Mehr zum Thema lesen Sie hier:
Fragen und Antworten zum NPD-Verfahren