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Pandemie: Im Kampf gegen Corona muss der Datenschutz in Südkorea zurückstehen

Pandemie

Im Kampf gegen Corona muss der Datenschutz in Südkorea zurückstehen

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    Das Handy gehört in Südkorea noch viel mehr zum Alltag als in Deutschland.  Einschränkungen beim Datenschutz erleichtern es, Kontakte von Infizierten nachzuverfolgen.
    Das Handy gehört in Südkorea noch viel mehr zum Alltag als in Deutschland. Einschränkungen beim Datenschutz erleichtern es, Kontakte von Infizierten nachzuverfolgen. Foto: Ahn Young-Joon, dpa

    Südkorea gilt als eines der erfolgreichsten Länder im Kampf gegen das Coronavirus. Das könnte viel zu tun haben mit Leuten wie Kwon Donghyok, der bei der nationalen Seuchenpräventionsbehörde arbeitet: „Unsere Hauptaufgabe besteht darin, die Verbindungsglieder zwischen den Infektionsfällen zu finden und ein Aufflammen des Virus zu verhindern“, sagte der Wissenschaftler bereits im Juli. Kwon leitet ein Team von über 100 epidemiologischen Ermittlern, die mit wohl weltweit einmaliger Effektivität Kontakte von Infizierten nachverfolgen. Zur Wahrheit gehört allerdings, dass die Kontaktverfolger in Echtzeit auf eine ungleich größere Datenmenge zugreifen können als etwa in Deutschland.

    Dennoch hat die Regierung in Seoul am Donnerstag strengere Abstandsregeln für Restaurants, Kneipen und Kinos eingeführt. Denn die täglichen Infektionszahlen sind auf über 300 gestiegen – ein für koreanische Maßstäbe kritischer Wert, der seit Ende August nicht mehr überschritten wurde. Verglichen mit dem Infektionsgeschehen in Europa sind dies jedoch geradezu paradiesische Zustände: Bis heute sind in Südkorea überhaupt nur knapp 500 Menschen an oder mit dem Virus gestorben – bei einer Bevölkerung von 50 Millionen, von denen die Hälfte in der extrem dicht besiedelten Metropolregion Seoul lebt.

    Vor fünf Jahren hatte die Regierung versucht, die Mers-Epidemie zu vertuschen

    Südkoreas epidemiologischer Erfolg wäre wohl nicht ohne eine schmerzliche Niederlage von vor fünf Jahren denkbar. Damals brachte ein Geschäftsmann nach einem Aufenthalt im Mittleren Osten ebenfalls ein Coronavirus ins Land, welches innerhalb weniger Wochen 36 Menschen tötete. Bei der Mers-Epidemie versagte die südkoreanische Regierung auf ganzer Linie: Um keine Ängste zu schüren, hielt sie wichtige Informationen vor der Öffentlichkeit unter Verschluss – und löste damit ganz im Gegenteil ein gesellschaftliches Klima der Paranoia aus. Vor allem aber gelang es den Wissenschaftlern nicht, das Infektionsgeschehen zeitnah nachzuverfolgen.

    Dementsprechend verabschiedeten die Politiker des Landes infolge der Mers-Epidemie ein – demokratisch legitimiertes – Notfallgesetz, das bei Virusausbrüchen sowohl der Bevölkerung radikale Informationstransparenz zusichert als auch den epidemiologischen Ermittlern freien Zugriff über die anonymisierten Daten der Bürger erlaubt.

    Die Behörden sprechen Kontaktpersonen direkt an

    Während der Covid-Pandemie funktionierte das neue System bislang überaus effizient: Wann immer die Gesundheitsbehörden einen Corona-Patienten registrieren, wird dieser zunächst nach seinen Kontakten der letzten Tage befragt. Gleichzeitig loggen sich die Ermittler in eine Big-Data-Plattform ein, auf die nur die Seuchenpräventionsbehörde, die Polizei sowie die großen Telekommunikationsunternehmen Zugriff haben. Innerhalb einer Stunde kann über die GPS-Daten vom Smartphone des Infizierten genau nachvollzogen werden, welche Orte er aufgesucht hat. Daraufhin werden in einem nächsten Schritt sämtliche engen Kontakte, also etwa Arbeitskollegen oder Sitznachbarn in Restaurants, kontaktiert und zum Covid-Test gebeten.

    In vielen europäischen Staaten würde ein solcher Eingriff in die Privatsphäre der Bürger Unbehagen und Protest hervorrufen. Südkorea hingegen ist eine Gesellschaft, die zutiefst von Technikgläubigkeit geprägt ist. Ohne nennenswerte natürliche Ressourcen ausgestattet, hängt der Erfolg des Landes am Han-Fluss vom Innovationsgeist seiner Bevölkerung ab. Die Regierung hat bereits in den neunziger Jahren massiv in den Ausbau von Internetverbindungen investiert, der Erfolg der größten Unternehmen des Landes wie Samsung und LG fußt auf der Entwicklung von Smartphones, Halbleiter und TV-Bildschirmen.

    So funktioniert die deutsche Warn-App

    Technik: Die Corona-Warn-App soll dabei helfen, Infektionsketten nachzuverfolgen und zu unterbrechen. Befindet sich auf einem Smartphone die Corona-Warn-App, nimmt das Handy über Bluetooth-Technik Kontakt zu anderen Smartphones mit installierter Corona-Warn-App auf. ...

    ... Die Smartphones tauschen dann automatisch verschlüsselte Zufallscodes aus, die dem Handy mitteilen, wie lange sich zwei Menschen begegnet sind und wie groß der Abstand war. Weder der Standort noch der Name der Handybesitzer wird dabei verraten, heißt es. Der Code bleibt auf den Handys 14 Tage lang gespeichert. ...

    ... Hat sich ein App-Nutzer nachweislich mit Corona infiziert, kann er das ebenfalls anonymisiert der App mitteilen, die dann über den Zufallscode die Handys der Risikokontakte informiert, dass Ansteckungsgefahr bestand. Außerdem gibt die App dann Handlungsempfehlungen. ...

    ... Weder die Bundesregierung noch das Robert-Koch-Institut noch andere App-Nutzer oder App-Store-Betreiber können die Handybesitzer identifizieren, heißt es. Mehr Informationen: https://www.zusammengegencorona.de/informieren/praevention oder https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/WarnApp/Warn_App.html ...

    Downloads: 16,4 Millionen Mal wurde die Corona-Warn-App in Deutschland bereits heruntergeladen. (Stand 28.7.20) ...

    Kritik: SAP und die Telekom räumten in den vergangenen Tagen ein, dass die App über Wochen wegen Fehlern in Smartphone-Betriebssystemen nicht voll funktionsfähig war.

    Digitale Überwachung wird in Kauf genommen

    Digitale Überwachung wird im demokratischen Korea zwar nicht freudig begrüßt, allerdings als Bedingung für einen stabilen Wohlstand in Kauf genommen. Denn durch die Einschränkungen beim Datenschutz konnte nicht nur auf einen Lockdown verzichtet werden – auch weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit blieben der Bevölkerung bisher erspart. Zudem ist der Datenzugriff der Behörden zeitlich begrenzt: Spätestens nach 14 Tagen müssen sämtliche Informationen wieder gelöscht werden.

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