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Pandemie: Angela Merkel in der Corona-Krise: Die Kanzlerin als Kümmerin

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Angela Merkel in der Corona-Krise: Die Kanzlerin als Kümmerin

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    Sie bleibt die Mahnerin, trotzt der Kritik und fordert eine „nationale Kraftanstrengung“ zur Bekämpfung des Virus: Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag im Bundestag. 
    Sie bleibt die Mahnerin, trotzt der Kritik und fordert eine „nationale Kraftanstrengung“ zur Bekämpfung des Virus: Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag im Bundestag.  Foto: Michael Kappeler, dpa

    Bis zum Schluss feilt Angela Merkel an ihrer Regierungserklärung. Während Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble neben ihr noch ein paar Regularien verliest, sitzt die Kanzlerin mit ihrem Manuskript in der Regierungsbank, streicht hier noch ein Wort durch, ergänzt dort ein anderes. Unzählige Reden hat die CDU-Politikerin schon im Bundestag gehalten. Aber diese hier dürfte ihre bisher wichtigste sein. Es geht um die Corona-Pandemie, es geht um eine Rechtfertigung ihres Handelns in den letzten Wochen. Es geht um Befindlichkeiten der Politik und überbordende Emotionen in der Bevölkerung. Es geht um so viel mehr als sonst.

    Merkel hat einen fuchsiaroten Blazer an und sie hat ihre Bernsteinkette umgehängt. Die Kette ist so eine Art Glücksbringer in schwierigen Lagen. Sie trug sie beispielsweise ständig, als es nach der Finanz- und Wirtschaftskrise die Maßnahmen zur Euro-Rettung zu verteidigen galt. Eltern hängen ihren Babys gerne Bernsteinketten um den Hals, um sie vor negativen Energien zu schützen.

    Schon zu Beginn der Pandemie forderte Merkel ein bisschen mehr

    „Wir befinden uns zu Beginn der kalten Jahreszeit in einer dramatischen Lage. Sie betrifft uns alle, ausnahmslos“, macht Merkel deutlich, wie ernst die Lage aus ihrer Sicht ist. Sie setzt damit ihren Kurs konsequent fort. Schon zu Beginn der Pandemie forderte sie stets ein bisschen mehr als die anderen. Als die Zahl der Infizierten nach dem ersten Lockdown zurückging und einige schon frohlockten, war es wieder Merkel, die zur Vorsicht mahnte. Von einem „zerbrechlichen Zwischenerfolg“ sprach sie etwa bei einer Pressekonferenz Mitte April. Wenn man die Protokolle durchblättert, dann setzt sich das so fort: Angela Merkel war stets die Mahnerin, da konnte die Kritik noch so scharf sein.

    Auch bei dieser Regierungserklärung steht Merkel, man kann das nicht anders sagen, unter Beschuss. Vor allem aus den Reihen der AfD kommen laute Zwischenrufe. Ihr Fraktionschef Alexander Gauland wird der Regierungschefin später vorwerfen, „eine Art Kriegspropaganda“ zu betreiben, und er wird von einer „Corona-Diktatur auf Widerruf“ sprechen.

    Merkel sieht sich ein Stück weit als eine Art Mutter der Nation

    Merkel lässt sich nicht aus der Fassung bringen. Sie erwidert nicht etwa scharf, sie hält sich an ihr Redemanuskript. Ein Machtwort der Kanzlerin ist nicht geplant, Merkel will offenbar heute eher eine Art Mutter der Nation sein und Verständnis zeigen für alle, die draußen im Land unter der Pandemie leiden.

    Die Kanzlerin versteht „die Frustration, ja die Verzweiflung“, die in den Sportvereinen über die neuen, am Mittwoch beschlossenen Corona-Regeln herrscht. Am Mittwochabend hat Merkel noch die Peitsche rausgeholt und zusammen mit den Ministerpräsidenten den Amateursport-Betrieb mit Wirkung vom Montag an verboten.

    Bei ihrer Regierungserklärung schiebt sie das Zuckerbrot nach: „So viele Hygienekonzepte wurden erarbeitet und die Betroffenen fragen sich: Soll das alles sinnlos gewesen sein? Ich erwidere: Nein, das war es nicht und diese Hygienekonzepte werden auch wieder gebraucht werden.“ Merkel versteht auch die Sorgen der Eltern. Im Hinblick auf die „überragende Bedeutung der Bildung und der Betreuung der Kinder“ sei es richtig, die Kitas und Schulen offen zu halten, sagt die Kanzlerin.

    Rechthaberei ist nicht Angela Merkels Sache

    Die beschlossenen Maßnahmen verteidigt sie als „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“. Rechthaberei ist nicht Merkels Sache, sie arbeitet sich auf ihre Art an diesem Land und seinen Problemen ab. Ein „Ich hab’s euch doch gesagt“ käme ihr nie über die Lippen, dabei hat sie im Rückblick wenig falsch, aber viel richtig beurteilt. Als sie davor warnte, dass es in Deutschland bis Dezember 19.000 Neuinfizierte am Tag geben könnte, wurde sie bundesweit vielfach belächelt. Schon jetzt steht die Zahl bei knapp 17.000.

    Bei einem der letzten, stundenlangen Zusammentreffen mit den Länderchefs zeigte sich Merkel enttäuscht über deren mangelnde Bereitschaft, konsequenter durchzugreifen. „Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil abzuwenden“, sagte sie und betonte, ihre „Unruhe“ sei noch nicht weg. Es wurde in der Tat schlimmer und bei den Ministerpräsidenten wuchs die Einsicht, dass es nicht ganz falsch ist, auf die Kanzlerin zu hören. Auch deshalb brauchten Bund und Länder am Mittwoch nur vergleichsweise wenige Stunden, um gemeinsam ein Bündel scharfer Maßnahmen zu beschließen.

    „Wir haben es selbst in der Hand, wie es weitergeht“

    Es ist immer schwer, aus Merkels Gesichtsausdruck auf ihre Stimmungslage zu schließen. Bei ihrer Regierungserklärung bleibt sie beherrscht, Kritiker werden ihr anschließend eine wenig mitreißende Vorstellung vorwerfen. Aber Breitbeinigkeit braucht in dieser Krise gerade kein Mensch. Merkel reiht sich stattdessen ins Volk ein. „Wir haben es selbst in der Hand, wie es weitergeht“, sagt sie und: „Es kommt auf alle, auf jede und jeden Einzelnen an, auf unser aller Engagement, unsere Ausdauer, unsere Rücksichtnahme.“

    Merkel führt die Umfragen an und im nächsten Jahr hört sie auf. Sie muss nicht mehr um Beliebtheit buhlen und deshalb muss sie auch nicht tricksen. Sie meint das alles hier ernst. Auch als sie auf das Bemühen der Menschen blickt, trotz aller Sorgen und Nöte dem Virus gemeinsam die Stirn zu bieten. „Das“, sagt die Kanzlerin, „beeindruckt und berührt mich zutiefst.“

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