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Ortsbesuch in NRW: Katastrophen-Wahlkampf: Laschet und Steinmeier in Erftstadt

Ortsbesuch in NRW

Katastrophen-Wahlkampf: Laschet und Steinmeier in Erftstadt

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    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Armin Laschet sprechen beim Ortsbesuch in Erftstadt mit Einsatzkräften der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG).
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Armin Laschet sprechen beim Ortsbesuch in Erftstadt mit Einsatzkräften der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Foto: Marius Becker, dpa

    Als Armin Laschet sein Statement abgeben will, geht seine Stimme plötzlich im Dröhnen eines Helikopters unter. Die Bergungsarbeiten und Notfalleinsätze im Hochwassergebiet sind noch in vollem Gang, als der nordrheinwestfälische Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat am frühen Samstagnachmittag gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor den versammelten Medienpulk an der Feuerwehrzentrale in Erftstadt tritt. Es ist, so viel vorab, ein schwieriger Auftritt für Laschet.

    Unglücklicher Auftritt: Laschet scherzt während Steinmeiers Ansprache

    Kurz zuvor trafen sich die beiden Politiker in der Wache etwa eine Stunde lang mit Feuerwehrkräften, nachdem sie sich bei einem Rundgang im Ortsteil Blessem ein Bild der Lage hatten machen können. Dort hatten am Freitag Flutmassen Häuser, das Teilstück eines Schlosses, den Standstreifen einer Autobahn und jede Menge Geröll zum Einsturz gebracht. Am Samstag wurde der Ort wegen Angst vor weiteren Erdrutschen und Plünderungen von der Polizei vollständig abgeriegelt.

    Unglücklicher Auftritt: Armin Laschet lacht während Bundespräsident Steinmeier (nicht im Bild) ein Pressestatement gibt.
    Unglücklicher Auftritt: Armin Laschet lacht während Bundespräsident Steinmeier (nicht im Bild) ein Pressestatement gibt. Foto: Marius Becker, dpa

    „Wer in die verzweifelten Gesichter der Menschen hier oder die von Erschöpfung gezeichneten Gesichter der Einsatzkräfte sieht, der kann mindestens erahnen, welches Leid die Menschen in dieser Region ertragen“, sagte Steinmeier, während Laschet – einige Meter hinter ihm in der Feuerwehreinfahrt stehend – mit dem örtlichen Landrat Frank Rock scherzte und entfesselt zu lachen schien. Videos davon kursierten schnell in den sozialen Medien. Unvorteilhafte Bilder.

    Beide Politiker bedankten sich bei den insgesamt 800 Helferinnen und Helfern vor Ort. „Wenn eine solche Krise auftritt, dann ist das Land in der Lage, sehr schnell, sehr solidarisch zu handeln, dann sind Hunderte bereit, alles stehen und liegen zu lassen und vor Ort ihre Arbeit zu lassen“, sagte Laschet. Das Treffen mit den Rettungskräften habe ihn „beeindruckt“. 

    Noch während Laschet und Steinmeier sprechen, wird ein Heim evakuiert

    Fast gleichzeitig sprinten plötzlich zwei Feuerwehrleute aus der backsteinernen Einsatzzentrale. Es habe sich „eine Situation“ in einem Seniorenheim in Blessem entwickelt, berichtet Laschet. Wie unsere Redaktion aus Feuerwehrkreisen erfuhr, hatte ein Statiker Risse im Fundament eines Seniorenheims festgestellt. Gipsplomben seien demzufolge sofort gerissen. Das Gebäude bewegte sich sozusagen. Noch während Laschet und Steinmeier sprechen, wird das Heim evakuiert.

    Begleitet wird der hohe Besuch auch von vereinzelten Zwischenrufen. „Laschet weg“, brüllt ein Mann mit kariertem Hemd und Funktionsweste, als die Politiker die Feuerwehrstation betreten. Christoph Ludemann, ein Rentner aus Erftstadt, hatte sich inkognito unter die Presse gemischt. Sein Keller sei zwar vollgelaufen, sagt er, aber da habe es andere noch viel schlimmer erwischt. Wieso er gegen Laschet protestiere? „Der ist nicht betroffen. Der will nur Punkte machen für die Kanzlerschaft.“

    Wahlkampf in der Katastrophenregion: Ein gefährlicher Seiltanz

    Die Katastrophenregion ist längst zum Wahlkampfgebiet geworden. Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen, und SPD-Herausforderer Olaf Scholz hatte beide ihren Urlaub frühzeitig abgebrochen, um sich ein Bild der Lage in Rheinland-Pfalz zu machen. Laschet reiste bereits am Donnerstagmorgen nach Altena in Westfalen – so spontan, dass selbst die örtliche Stadtverwaltung vor Ort davon zunächst nichts wusste.

    Es ist ein Seiltanz um das Kanzleramt. Niemand will enden wie Edmund Stoiber, der während des Bundestagswahlkampfs 2002 einen Moment zu lange zögerte, während Gerhard Schröder in Gummistiefeln und Regenparka durch überflutete Dörfer an der Elbe watete, anpackte und Kanzler wurde. Gleichzeitig will sich niemand vorwerfen lassen, Parteipolitik auf dem Rücken der Betroffenen zu machen. Christian Lindner verkündete auf Twitter eine vorrübergehende Aussetzung des FDP-Wahlkampfs. Baerbock verzichtete bei ihrem Besuch bewusst auf öffentliche Auftritte.

    Direkthilfen: Laschet plant Rücksprache mit Kanzlerkonkurrent Scholz

    Laschet wählt eine andere Strategie. Das muss er wohl auch als NRW-Landesvater. Am Freitag hatte er eine Sondersitzung des Landeskabinetts einberufen. „Ein Jahrhundertunwetter hat unser Land getroffen“, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und kündigte Direkthilfen für unmittelbar betroffene Menschen und Strukturhilfen für betroffene Kommunen an.

    Auch am Samstag in Erftstadt sagt Laschet: „Wir werden als Land in den nächsten Tagen alles tun, um die Mittel zu organisieren, die jetzt nötig sind in der Direkthilfe. Der Wiederaufbau ist eine große Aufgabe für Bund und Land.“ Er werde in den nächsten Tagen auch mit dem Bundesfinanzminister über Möglichkeiten sprechen, mit Scholz also, dem Kanzlerkonkurrenten. „Den Menschen in den Regionen ist nichts geblieben außer ihre Hoffnung. Und diese Hoffnung dürfen wir nicht enttäuschen“, sagt Steinmeier.

    Die ersten Hilfen kommen bei den Menschen in Erftstadt an

    Dann verschwinden der Bundespräsident und der NRW-Chef in ihren Dienstlimousinen. Mit einem ausgesuchten Medienkreis fahren sie noch weiter in eine Notunterkunft, in der hunderte Flutopfer untergebracht sind.

    Vor dem Rathaus, einem weißen Funktionsbau, stehen unterdessen fast einhundert Menschen in der Schlange. Die Straße neben ihnen ist noch mit einer staubig-schlammigen Schicht überzogen. Alle, die einen Wohnort in Erftstadt nachweisen können, bekommen einen Scheck über 200 Euro ausgestellt. Die ersten Hilfen kommen an. Organisiert hat sie die Kommune.

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