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Organspende-Skandal: Ärztekammer will Vier-Augen-Prinzip bei Organspende

Organspende-Skandal

Ärztekammer will Vier-Augen-Prinzip bei Organspende

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    Ein Organspendeausweis: In Deutschland werden nach einem Zeitungsbericht immer mehr Spenderorgane an der offiziellen Warteliste vorbei vergeben.
    Ein Organspendeausweis: In Deutschland werden nach einem Zeitungsbericht immer mehr Spenderorgane an der offiziellen Warteliste vorbei vergeben. Foto: dpa (Symbolbild)

    Angesichts des Skandals um die Vergabe von Spendeorganen will die Bundesärztekammer Reformen. Bei Treffen mit Fachleuten und Minister Bahr will sie am Donnerstag darüber beraten, wie Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery in der Bild-Zeitung ankündigte. "Eine Woche später haben wir Minister Bahr eingeladen. Da beraten wir, ob wir bei der schnellen Organ-Zuteilung neue Regeln brauchen", sagte Montgomery.

    Ziel sei ein neues Prinzip bei der Vergabe von Spendeorganen, um Missbrauch zu vermeiden. "Wir wollen das Vier-Augen-Prinzip einführen, bei dem ein unabhängiger Arzt feststellen muss, wie krank der Empfänger wirklich ist, damit die Liste nicht mehr gefälscht werden kann."

    Diagramm zur Organvergabe mit und ohne Warteliste; Querformat 90 x 80 mm; Grafik: J. Reschke, Redaktion: K. Pepping
    Diagramm zur Organvergabe mit und ohne Warteliste; Querformat 90 x 80 mm; Grafik: J. Reschke, Redaktion: K. Pepping Foto: dpa-infografik GmbH

    Der Kölner Verfassungsrechtler Wolfram Höfling, der auch im Ethikrat sitzt, hält das ganze System für fundamental falsch. Es könne nicht sein, dass sich Ärzte selbst kontrollieren, sagte er der Berliner Zeitung. Generell gehe es bei den Kriterien, nach denen Organe vergeben werden, um Gerechtigkeitsfragen - "und damit Entscheidungen, die der Gesetzgeber treffen muss. Nicht die Ärzte". "Was ist mit dem Patienten, der sich die Leber kaputt getrunken hat. Bekommt er eine Leber? Solchen Debatten muss sich die Politik stellen", forderte Höfling.

    Der Linken-Parteichef Bernd Riexinger forderte, die Vergabe von Spenderorganen unter staatliche Aufsicht zu stellen und regelmäßig einen Organspende-Report zu veröffentlichen. Drittens seien härtere Kontrollen und schärfere Strafen bei Missbrauch nötig, sagte er den Zeitungen der WAZ-Gruppe und dem Internetportal DerWesten.de.

    Organspende in Deutschland

    75 Prozent der 14- bis 75-jährigen Bundesbürger stimmen einer Organspende grundsätzlich zu, aber nur 25 Prozent haben bislang einen Spenderausweis.

    Rund 12.000 Menschen warten auf ein Spenderorgan, etwa 8000 von ihnen brauchen eine Niere.

    Patienten warten fünf bis sechs Jahre auf eine Spender-Niere.

    Im Schnitt sterben täglich drei Menschen auf den Wartelisten.

    4054 Menschen konnte 2011 mit einer Transplantation geholfen werden (2010: 4326).

    14,7 Spender kommen in Deutschland auf eine Million Einwohner (in Spanien: 32,0, Österreich 23,3, Schweiz 12,6, Luxemburg 6,0).

    1200 Menschen wurden 2011 nach ihrem Tod 3917 Organe entnommen darunter 2036 Mal Niere, 1040 Leber, 363 Herz, 313 Lunge, 160 Bauchspeicheldrüse und 6 Dünndarm.

    Von den Spendern waren 36 jünger als 16 Jahre; 571 waren 16 bis 54 Jahre alt; 236 waren 55 bis 64 Jahre alt; 357 waren älter als 65 Jahre.

    Weitere 795 Nieren wurden von lebenden Spendern übertragen. Zudem wurden 71 mal Teile der Leber von Lebendspendern übertragen.

    Die Diskussion wurde ausgelöst durch Manipulationen bei der Warteliste für Patienten, die eine Organspende brauchen. In Deutschland gelangen zudem immer mehr Spenderorgane auf Sonderwegen zu todkranken Patienten - an der allgemeinen Warteliste vorbei, wie am Dienstag bekanntgeworden war. Allein im Vorjahr wurden rund 900 Mal Herz, Lunge, Niere, Leber oder Bauchspeicheldrüse per beschleunigter Vermittlung vergeben. Nach offiziellen Angaben handelt es sich dabei um Organe mit möglichen Risikofaktoren.

    Der Direktor der Kieler Universitätsklinik für Allgemeine und Thoraxchirurgie, Thomas Becker, verteidigte das sogenannte beschleunigte Verfahren zwar grundsätzlich. Aber: "Wir transplantieren nur noch ein Drittel der Patienten über den eigentlichen Punktwert, während viele Patienten über Sonderregeln ein neues Organ bekommen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Und es kann ja eigentlich nicht Ziel eines Systems sein, die Ausnahme zur Regel zu machen." AZ, dpa, afp

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