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Olympia: Unter der Wolke

Olympia

Unter der Wolke

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    Die frühere Eiskunstläuferin Katarina Witt ist das Gesicht der Münchner Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018. Ihre Charme-Offensive ist eigentlich auf den 6. Juli ausgerichtet, den Tag der Entscheidung im Internationalen Olympischen Komitee. Doch am Sonntag fällt in Garmisch-Partenkirchen die Vorentscheidung.
    Die frühere Eiskunstläuferin Katarina Witt ist das Gesicht der Münchner Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018. Ihre Charme-Offensive ist eigentlich auf den 6. Juli ausgerichtet, den Tag der Entscheidung im Internationalen Olympischen Komitee. Doch am Sonntag fällt in Garmisch-Partenkirchen die Vorentscheidung. Foto: Foto: dpa

    München „Das Spargelsüppchen müsst ihr probieren“, sagt Katarina Witt. Sie trinkt die Suppe, die in winzig kleinen Tassen gereicht wird, in einem Schluck. Nicht mehr als ein Espresso. Dazu ein Glas Wasser mit Zitrone und Eiswürfel. Es ist der Abend eines langen Tages. Witt wirkt abgekämpft, ihr Lachen angestrengt. Knapp zwei Stunden Diskussion hat sie gerade hinter sich gebracht. Natürlich ging es dabei um die Olympischen Winterspiele 2018 und warum sie nach

    Witt ist charmant wie immer. Sie lacht, redet, flirtet. Ihren Worten gibt sie elegante Gesten mit auf den Weg. Sie ist immer noch Eiskunstläuferin, ein 45-jähriges, bildschönes Gesamtkunstwerk. So verleiht sie auch dieser Diskussionsrunde Glanz. Allenfalls der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer kann das Publikum ähnlich begeistern. Vor allem, als sich der Grünen-Politiker überraschend zum Olympia-Befürworter erklärt. Witt lächelt, als er das sagt. Aus Sicht derer, die für Olympia in Bayern sind, ist es eine gelungene Veranstaltung. Katarina Witt ist dafür. Fürs Dafürsein wird sie bezahlt.

    Manchen galt sie nur als zweite Wahl

    Irgendwann einmal wurde Witt als die Beckenbauerin bezeichnet. Seitdem hört sie diesen Namen immer wieder. Er ist Ehre und Last zugleich. So, wie es Franz Beckenbauer mit viel Engagement und kaiserlichem Charme gelang, die Fußball-WM 2006 nach Deutschland zu holen, soll Witt nun die Olympischen Winterspiele nach München holen. Dafür ist sie zur Kuratoriumsvorsitzenden der Bewerbergesellschaft München 2018 GmbH gemacht worden. Als Nachfolgerin des amtsmüden Willy Bogner galt sie manchen aber nur als zweite Wahl. Eine Ostberlinerin soll für München werben, fragte nicht nur Skilegende Markus Wasmeier. Witt überstand die Stürme. Mit einem Lächeln. Sie blieb das Gesicht der Bewerbung.

    An diesem Abend ist es ein müdes Gesicht. Abseits des grellen Scheinwerferlichts sinken die Schultern nach vorne. Ihre Stimme kratzt. Sie hat viel geredet. Über die Faszination der olympischen Idee. Darüber, welche Chance die Olympischen Spiele für München, Bayern und Deutschland wären. Manchmal spürt man, dass sie dies alles schon oft gesagt hat. Manche Sätze wirken sperrig wie Stahl, der, als er noch glühte, in eine Form gegossen wurde und inzwischen erkaltet ist.

    Es ist kurz nach 21 Uhr. Ein fünfstündiges Meeting, zahllose Interviews, Autogrammwünsche und die Diskussionsrunde liegen hinter Katarina Witt. Am Morgen ist sie aus ihrer Heimatstadt Berlin nach München geflogen. Eine Nacht hatte sie dort in ihrem eigenen Bett geschlafen und neue Kleidung in die Koffer gepackt.

    Erst tags zuvor war sie aus Doha zurückgekehrt. Dort hatte sie auf der neunten Weltkonferenz zum Thema „Sport und Umwelt“ für München geworben. Rund um den Erdball hetzt sie den 105 Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hinterher, die am 6. Juli im südafrikanischen Durban darüber abstimmen, wo 2018 die Olympischen Winterspiele stattfinden. Münchens Konkurrenten sind der Außenseiter Annecy (Frankreich) und das leicht favorisierte Pyeongchang (Südkorea).

    Direkt besuchen oder nach München einladen dürfen die Vertreter der Bewerberstädte die Funktionäre nicht. Man muss sie auf Kongressen, Konferenzen, Messen oder sportlichen Großveranstaltungen treffen. In Neukaledonien, Marokko, in der Tschechischen Republik, in Brasilien oder Kasachstan.

    In den Gesprächen ist Katarina Witt für die Emotionen zuständig. Sie erklärt den Funktionären, welche Begeisterung die Deutschen dem Wintersport entgegenbringen. Neben Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und einer perfekten Organisation erwarte die Sportler hier jubelnde Fans und herzliche Gastfreundschaft. Dies habe doch gerade die Alpine Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen bewiesen.

    Witt punktet mit ihrem Charme, ihrem Humor, ihrer Offenheit. Bei Bedarf kann sie aber auch messerscharf argumentieren. Und natürlich profitiert sie von ihrer olympischen Vergangenheit. Zweimal gewann sie für die DDR olympisches Gold im Eiskunstlauf, holte vier Weltmeister- und sechs Europameistertitel. Fast klingt es wehmütig, wenn sie sagt, dass sie damals nur für die eigene Leistung oder das eigene Versagen geradestehen musste. Die Olympia-Bewerbung dagegen sei ein solch komplexes Projekt, dass man manchmal auch den Kopf für Dinge hinhalten müsse, die andere verbockt hätten.

    Am 6. Juli wird sich zeigen, ob all die Mühen vergeblich waren. Der 6. Juli ist der Tag der Entscheidung, auf ihn ist alles ausgerichtet. Zumindest war das der ursprüngliche Plan. Dann aber revoltierten einige Bauern und Grundstücksbesitzer in Garmisch-Partenkirchen. Also dort, wo 2018 die Alpinen Ski-Wettbewerbe stattfinden sollen. Und auf einmal schob sich der 8. Mai wie eine Gewitterwolke vor den 6. Juli.

    Am Sonntag ist der 8. Mai. Es ist der Tag, an dem eine Vorentscheidung fallen wird. Ein Bürgerentscheid soll klären, ob die Mehrheit der Menschen in Garmisch-Partenkirchen für oder gegen Olympia 2018 ist (siehe Infokasten).

    Damit hatten sie nicht gerechnet bei der Bewerbungsgesellschaft, in der die Fäden zusammenlaufen. Urplötzlich tat sich eine neue Front auf, wo niemand sie vermutet hätte. Selbst der Charme einer Katarina Witt prallte an den alteingesessenen Grundstücksbesitzern ab, die sich überrumpelt fühlten. Es entwickelte sich eine Fundamentalopposition, Olympia hat den Ort tief gespalten. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass der Bürgerentscheid sehr knapp ausfallen wird.

    Witts Gesichtszüge verhärten sich, als sie über den Bürgerentscheid spricht. Ein Schatten läge auf der Bewerbung, spräche sich Garmisch-Partenkirchen gegen Olympia 2018 aus, sagt sie. Ein Schatten, der mit großer Sicherheit das Ende der Bewerbung bedeuten würde. Das sagt Witt nicht. Aber sie weiß, dass es mehr als fraglich ist, ob das IOC die Spiele an einen Ort vergibt, an dem die Mehrheit sie nicht willkommen heißt.

    Ein ständiges Flexibel-Sein für Gespräche und Termine

    Früher, als sie noch Sportlerin war, musste sie sich nicht mit solchen komplizierten Dingen auseinandersetzen. Damals bekam sie einen Plan und fertig. „Als Eiskunstläuferin weißt du, dass du Athletik-Training hast, dass du Ballett-Training hast. Du hast Choreografie, Pflicht und Kür. Dafür hast du einen Stundenplan.“ Ihr neues Leben ist gar nicht mehr strukturiert. „Es ist ein ständiges Flexibel-Sein für Gespräche, für Termine.“

    Der Kellner kommt vorbei. Inzwischen hat er Lachshäppchen auf dem Tablett. Witt schenkt ihm ein Lachen. Ob er denn noch Spargelsuppe habe, fragt sie. Zwei Minuten später stehen zwei Tassen vor ihr. Genüsslich trinkt sie die Suppe, atmet tief durch, konzentriert sich auf die nächste Frage. Und lacht laut auf. „Mein letzter Urlaub? Das ist gefühlte 20 Jahre her“, sagt sie und gluckst vor sich hin. Das sei ihr aber auch egal, „ich bin ja freiberuflich“.

    Durch die vielen Reisen und verschiedenste Aufgaben sei ihr Terminkorsett so eng geschnürt, „wie ich es noch nie erlebt habe“. Ob sie keine Angst verspüre, dass ihr im Endspurt die Kraft ausgehen könnte? „Nein. Bis zum 6. Juli halte ich auf jeden Fall durch.“ Danach werde sie dann aber ein paar Tage Urlaub machen – und sich auf die Olympischen Spiele in München freuen.

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