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Olympia 2022: Olympische Winterspiele: Münchens zweiter Versuch

Olympia 2022

Olympische Winterspiele: Münchens zweiter Versuch

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    Die Skisprungschanze in Garmisch-Partenkirchen könnte Schausplatz der Olympischen Winterspiele 2022 sein.
    Die Skisprungschanze in Garmisch-Partenkirchen könnte Schausplatz der Olympischen Winterspiele 2022 sein. Foto: Peter Lehner, dpa

    Im Schatten der Schanze herrscht Ruhe. Manche sagen, dieser Zustand sei in der Marktgemeinde, die sich aus zwei so gegensätzlichen Teilen zusammensetzt, höchst verdächtig und müsse einen Sturm im Schlepptau haben. So wie damals, als schon einmal eine Olympiabewerbung über Garmisch-Partenkirchen hinwegrollte. Als alte Gräben aufbrachen und neue gegraben wurden. Nur knapp sprachen sich die Bürger damals in einer Abstimmung für die gemeinsame Olympiabewerbung mit München aus. Das Projekt scheiterte, die Winterspiele 2018 finden in Südkorea statt. Jetzt geht es um 2022. Und wieder soll Garmisch-Partenkirchen Teil der Spiele werden. Und wieder wird abgestimmt.

    Die Größe des Projekts erschreckte die Menschen in Garmisch

    Beim ersten Versuch war geplant, dass die alpinen und die Skisprung-Wettbewerbe 2018 in Garmisch-Partenkirchen stattfinden, die anderen nordischen Disziplinen und Biathlon im nur 20 Kilometer entfernten Ohlstadt. Skisprungschanze und alpine Strecken gibt es schon. Alles andere nicht. Eines von zwei olympischen Dörfern hätte in Garmisch-Partenkirchen gestanden, ebenso ein ausladendes Pressezentrum. Parkplätze, Unterkünfte, Straßen und Tunnel wären gebaut und vergrößert, neue Sportstätten aus dem Boden gestampft worden.

    Hunderte Sportler und Funktionäre, tausende Journalisten und hunderttausende Zuschauer wären in die Urlaubsregion geströmt. Die schiere Größe dieses Projekts schreckte die Menschen im beschaulichen Werdenfelser Land auf. Sie fühlten sich schlecht informiert, überrollt, entmündigt. Viel zu groß sei das alles, sagten die Gegner und formierten sich zum lautstarken Protest.

    Plötzlich stand die strahlende Bewerbung der Millionenmetropole München im Schatten des kleinen Städtchens Garmisch-Partenkirchen. Dort verlief die Frontlinie. Dort wurde mit harten Bandagen um Grundstücke und die Meinungshoheit gestritten. Freundschaften zerbrachen. Auch Autoscheiben. Emotionen kochten hoch. Parolen wurden an Hauswände geschmiert. Als sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) für das südkoreanische Pyeongchang als Austragungsort entschied, jubelte ein Teil der Einwohner, der andere Teil weinte.

    Heute fällt die Entscheidung des DOSB

    Danach kehrte Ruhe ein. Bis jetzt. Heute Nachmittag entscheidet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) darüber, ob es einen deutschen Bewerber in das Rennen um die Olympischen Winterspiele 2022 schicken wird. Dieser würde erneut München heißen. Und wieder würden einige Wettkämpfe nach Garmisch-Partenkirchen ausgelagert. Alles auf Anfang also?

    Wer durch Garmisch-Partenkirchen läuft, bekommt einen anderen Eindruck. Olympia ist fern in diesen Tagen. Auf den Straßen und in den Geschäften wird viel geredet. Über das Wetter beim Bäcker. Über Angela Merkel im Café. Ob denn keinem auffalle, wie unhöflich es sei, die Bundeskanzlerin Mutti zu nennen, fragt eine ältere Dame. Von der anstehenden Olympiabewerbung wisse sie gar nichts. So wie ihr geht es vielen. Die anderen interessiert es nicht. Landtags- und Bundestagswahl haben die Menschen ermüdet. Im Wahlkampfgetöse der vergangenen Wochen blieb keine Zeit, sich auch noch um das zu kümmern, was in neun Jahren passieren könnte. Noch hängen die letzten Wahlplakate an Bäumen und Laternen. Unter den tiefen Wolken, aus denen wie so oft Nieselregen fällt, herrscht Ruhe.

    Auch Bürgermeister Thomas Schmid sitzt entspannt in seinem Büro, als er sagt, dass sich die Gemüter in Sachen Olympia beruhigt hätten. Die Proteste der ersten Bewerbung haben Wirkung gezeigt. Der Politiker gibt sich geläutert. Der neue Versuch solle eine Nummer kleiner ausfallen. „Uns fällt kein Zacken aus der Krone, wenn wir ein paar Wettkämpfe weniger haben“, sagt Schmid. Langlauf- und Biathlon-Anlagen aus dem Boden zu stampfen, sei ein berechtigter Kritikpunkt der Olympia-Gegner gewesen. Diese Wettbewerbe werden nach Ruhpolding verlegt. Dort stehen die meisten Anlagen schon.

    Für Garmisch-Partenkirchen hätte das zur Folge, dass olympisches Dorf und Medienzentrum um 40 Prozent schrumpfen. „Deutlich verträglicher“ nennt das der Bürgermeister. Im alten Konzept hätte die Stadt genauso viele Sportler, Betreuer und Medienleute unterbringen müssen wie München. „Und München ist eine Millionenstadt, wir haben 26000 Einwohner.“ Im Jahr 2022 sollen 1700 Athleten in Garmisch-Partenkirchen wohnen. Ihre Unterkünfte werden auf ehemaligen Bahnflächen und einem Parkplatz beim Eisstadion entstehen. Die internationalen Journalisten wohnen in schon bestehenden Hotels. Schmid: „Nicht ein Privater muss gefragt werden, ob er da mitmachen will oder nicht.“

    Bei der ersten Bewerbung protestierten Grundstückbesitzer

    Genau das war bei der ersten Bewerbung eines der größten Probleme. Damals wurden die Besitzer von wichtigen Grundstücken erst spät informiert und dann vor vollendete Tatsachen gestellt. Rund 60 schlossen sich öffentlichkeitswirksam zusammen und verweigerten den Verkauf. Die Grundstücksbesitzer wurden zum Symbol des Widerstands. Der kleine Mann gegen die mächtigen Sportbosse. Einige nutzten die ganze Aufregung wohl vor allem dazu, die Preise für ihren Grund und Boden in die Höhe zu treiben. Tatsächlich strategisch wichtige Grundstücke besaßen laut Schmid ohnehin nur drei der Widerständler. „Und die haben bei mir im Büro, ohne es den anderen zu sagen, unterschrieben.“ Trotzdem dürften die Grundstücksstreitigkeiten ihren Teil dazu beigetragen haben, dass sich das IOC gegen die Münchner Bewerbung aussprach. Die Olympia-Bosse wollen mit offenen Armen empfangen werden.

    Bürgermeister Schmid, der damals ebenfalls heftig kritisiert wurde, sieht an dieser Front keine Probleme mehr. „Da ist sehr viel Luft raus“, sagt er. „Die Leute merken, dass wir dazugelernt haben.“

    Das sieht Axel Doering anders. Schon im Kampf gegen die erste Olympiabewerbung war er einer der engagiertesten Streiter. Er erhielt anonyme Morddrohungen, wurde als Vaterlandsverräter beschimpft. Er sieht Garmisch-Partenkirchen auch diesmal tief gespalten. Im Laufe der Protestjahre hat er sich vom Olympiakritiker zum Olympiagegner entwickelt. Kommerzialisierung und Klimawandel, Knebelverträge und Kosten in Milliardenhöhe sind seine Themen. Auch das neue Konzept für München 2022 sei vor allem eines: Augenwischerei. Bunte Bilder ohne Substanz. Viele Baumaßnahmen stünden gar nicht in der Bewerbung. „Da lese ich nicht, dass man jede Sportstätte vier Meter hoch einzäunen muss.“ Er will olympiafreie Alpen, um jeden Preis.

    Am 10. November entscheiden die Bürger zu den Olympischen Spielen

    40 Jahre war er als Förster im Gebiet der legendären Kandahar-Abfahrt tätig. In dieser Zeit fanden dort zwei Weltmeisterschaften und dutzende Weltcups statt. „Ich habe festgestellt: Wenn irgendeine große Veranstaltung kommt, dann gilt überhaupt nichts mehr, was man vorher versprochen hat. Dann setzen Funktionäre ihre Wünsche durch.“ Dem Bürgerentscheid am 10. November misst Doering keine große Bedeutung zu. „Da wird doch nur über ein rosa Gemälde abgestimmt. Es gibt keine Details. Die sagen nur, sie hätten alles von 2018 verbessert, was aber nicht stimmt.“

    Es klingt, als rechne er nicht mit einer Mehrheit für sein Nein. Dabei habe man noch nicht einmal gesagt, wie die Bewerbung bezahlt werden soll. „Da haben sie uns beim letzten Mal von vorne bis hinten belogen. Die 33 Millionen Euro sollten Sponsoren bezahlen. Am Ende musste die Gemeinde Garmisch über eine Million aus eigener Tasche zahlen.“

    All diese Beschwerden kennt Alfons Hörmann. Der Allgäuer ist Präsident des Deutschen Skiverbands. Schon bei der ersten Bewerbung war er einer der engagiertesten Olympia-Befürworter. Mehrere Weltmeisterschaften hat der gewiefte Funktionär nach Deutschland geholt. Olympische Winterspiele aber wären sein Meisterstück. Gut möglich, dass er an der Spitze einer erneuten Bewerbung steht. Hörmann gilt als Favorit auf den Posten und scheint dem auch nicht abgeneigt.

    Er glaubt, dass man aus den Fehlern der ersten Bewerbung gelernt hat. „Damals gab es eine starke Konzentration auf Garmisch-Partenkirchen“, sagt er. Jetzt sei aus dem einstigen „Zwei-Cluster-Modell ein Drei-Cluster-Modell“ geworden. Im Wettstreit mit Pyeongchang war es wichtig, kurze Wege zwischen den Wettkampfstätten präsentieren zu können. Damit hatten die Südkoreaner geworben – und gewonnen. Das alles ist nun hinfällig. Es geht darum, die Menschen in Garmisch-Partenkirchen zu gewinnen. Das IOC mag klare Mehrheiten.

    Die Infrastruktur könnte langfristig profitieren

    Auf der Jagd nach einer solchen könnte aus Sicht von Bürgermeister Schmid entscheidend sein, dass die gesamte Infrastruktur langfristig von Olympischen Winterspielen profitiert. „Unsere Tunnel sind olympiarelevant“, sagt der Bürgermeister. Kramertunnel und Wanktunnel sollen die Touristenströme um das von chronischem Verkehrschaos geplagte Garmisch-Partenkirchen herumleiten. Aber: „Die Olympischen Spiele sind unsere letzte Chance, dass wir die überhaupt kriegen“, sagt Schmid. „Jetzt ist jedem klar, dass die Tunnel nur mit Olympia kommen.“

    Sollte sich der DOSB heute erwartungsgemäß für eine erneute Bewerbung entscheiden, werden am 10. November in den vier beteiligten Städten und Gemeinden die Bürger befragt. Schmid sieht deren Votum gelassen entgegen, „auch wenn man sich bei so etwas ja nie sicher sein kann. Die Gegner werden natürlich wieder auftreten. Ganz so heiß wie damals wird diesmal aber nicht mehr gekocht. Hier ist es ruhiger geworden.“

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