Im vergangenen Jahr sprach Olaf Scholz von der "Bazooka", als es darum ging, die Wirtschaft vor den Folgen der Corona-Pandemie zu retten. Jetzt hat der Finanzminister den Turbo entdeckt. Die Rede ist vom Impf-Tempo. In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" verspricht der SPD-Kanzlerkandidat "bis zu zehn Millionen Impfungen pro Woche". Bereits Ende März könne Deutschland Millionen Bürgerinnen und Bürger pro Woche impfen, so Scholz.
Zum Vergleich: Bislang hat Deutschland insgesamt rund 7,3 Millionen Dosen verabreicht, knapp fünf Millionen Menschen haben ihre Erstimpfung erhalten. Seit Beginn der Impf-Kampagne schickten die Hersteller bis zum 5. März 10.377.045 Dosen an die Bundesrepublik. Davon werden an guten Tagen etwas mehr als 230.000 Impfungen durch die mobilen Teams und die Impfzentren verabreicht. Innerhalb einer Woche - von Freitag, 26. Februar, bis Freitag, 5. März, - landeten laut RKI zuletzt 1.548.381 Millionen Nadeln mit dem ersehnten Mittel in deutschen Oberarmen. Scholz' Ankündigung von zehn Millionen Impfungen pro Woche würde also eine Steigerung des Impf-Tempos um mehr als das Sechsfache bedeuten.
Olaf Scholz: "Bis zu zehn Millionen Impfungen pro Woche"
Ob und wie diese Beschleunigung gelingen soll, ist im Moment aber noch fraglich. Mit den Impfstoff-Lieferungen könnte es gehen wie mit einer Ketchup-Flasche: Am Anfang stockt es, aus der Flasche kommt fast nichts heraus, bis auf einen Schlag eine gewaltige Menge auf dem Teller landet und man nicht weiß, wohin damit. Nach dem Stotterstart beim Impfen und den fehlenden Schnelltests droht das nächste Fiasko: Impfstoff ist in großen Mengen verfügbar, wird aber nicht zügig genug an die Frau oder den Mann gebracht.
Ein Szenario, das Scholz offenbar bewusst ist und wovor er warnt: Schon ab dem 28. März könnten die Impf-Kapazitäten in Deutschland nicht mehr ausreichen, erklärte der Finanzminister. "Wir müssen jede Woche Millionen impfen. Im März schon am Ende des Monats. Im April, im Mai, im Juni", sagte Scholz. Er habe aber dafür gesorgt, dass das jetzt gut vorbereitet werde.
Damit die Impfkampagne an Fahrt gewinnen kann, hat die Bund-Länder-Runde am vergangenen Mittwoch bereits einige Beschlüsse gefasst. So soll der maximale Zeitraum zwischen der ersten und der zweiten Impfung möglichst ausgeschöpft werden. Die Ständige Impfkommission empfahl am Donnerstag, den Impfstoff von AstraZeneca auch für über 65-Jährige zuzulassen. Außerdem sollen ab Ende März oder Anfang April Hausärzte "umfassend in die Impfkampagne eingebunden werden", heißt es in dem Beschlusspapier vom Mittwoch.
Virologe Drosten fordert: Hausärzte und Betriebsärzte sollen impfen
Um zu verhindern, dass vorhandener Impfstoff nicht verimpft wird, hat zuvor schon der Virologe Christian Drosten empfohlen, in der Planung auf bewährte Strukturen zurückzugreifen, wie etwa auf die Unterstützung der Hausärzte: "Die kennen ihre Pappenheimer", sagte Drosten in seinem NDR-Podcast. Ähnliches gelte für Betriebsärzte. Die "wissen genau, wie sie jedes Jahr in der Grippesaison innerhalb der Belegschaft entscheiden, wer eigentlich bevorzugt geimpft werden muss." Vergangene Woche kündigten bereits Unternehmen wie Audi oder Siemens an, ihre Belegschaften von den Betriebsärzten impfen lassen zu wollen.
Zwar ist der Impfstoff im Moment noch knapp, Nachschub ist aber unterwegs. Wenn alles nach Plan läuft, stehen Deutschland bis zum 4. April 2021 rund 8,8 Millionen weitere Impfstoffdosen der drei Hersteller Biontech/Pfizer, AstraZeneca und Moderna zur Verfügung. Das geht aus den Lieferlisten des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) hervor.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet schon ab dem nächsten Monat deutlich mehr Impfstoff. "Ab April könnten sich die Mengen nach den Plänen der Hersteller nochmal verdoppeln, auch weil weitere Impfstoffe vor der Zulassung stehen", sagte sie der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. Sie rechne EU-weit "im zweiten Quartal im Schnitt mit rund 100 Millionen Dosen pro Monat, insgesamt 300 Millionen bis Ende Juni". Den Zeitungen zufolge würde das für Deutschland etwa 20 Millionen Dosen im Monat bedeuten. (mit dpa)
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