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Österreich: Nahbarer Krisenmanager: Österreichs Bundespräsident Van der Bellen

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Nahbarer Krisenmanager: Österreichs Bundespräsident Van der Bellen

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    Mit seiner menschlichen Art hat sich Österreichs Präsident Alexander van der Bellen bei seinen Landsleuten viele Sympathien erworben. Legendär ist die „Hasenohren-Szene“ bei einer Pyjama-Party mit Übernachtung in der Hofburg, die auch Van der Bellens Partnerin Doris Schmidauer sichtlich Freude machte.
    Mit seiner menschlichen Art hat sich Österreichs Präsident Alexander van der Bellen bei seinen Landsleuten viele Sympathien erworben. Legendär ist die „Hasenohren-Szene“ bei einer Pyjama-Party mit Übernachtung in der Hofburg, die auch Van der Bellens Partnerin Doris Schmidauer sichtlich Freude machte. Foto: Roland Schlag, dpa

    Salzburger Festspiele ohne politische Prominenz – das ist undenkbar. Die Begrüßung des Bundespräsidenten, normalerweise aufwendig und mit militärischen Ehren auf dem Residenzplatz zelebriert, ist in diesem Jahr zwar auf knappe 15 Minuten geschrumpft. Der Aufenthalt von Alexander Van der Bellen in der Domstadt aber wurde dennoch als wichtiges Signal gesehen, dass die Republik auch in schwierigen Zeiten zu den Festspielen steht.

    Der 76-Jährige steht mitten in seiner ersten Amtszeit und könnte 2022 erneut zur Wahl antreten, hat sich aber noch nicht festgelegt. Er werde seine Entscheidung schon rechtzeitig bekannt geben, heißt es aus der Hofburg. Van der Bellen selbst sagt auf seine unnachahmliche Art nur: „Ich schließe es nicht aus. Aber ich schließe es auch nicht ein.“

    Zum Amtsantritt sagte Van der Bellen: "Ich bin's, Euer Präsident"

    Mit den Worten „Ich bin’s, Euer neuer Präsident“, zog er Anfang 2017 in die Hofburg ein. Und geht es nach seinen Österreichern, dann bräuchte er über eine zweite Amtsperiode nicht lange nachdenken.

    Der ehemalige Parteichef der Grünen genießt höchstes Ansehen in der Bevölkerung, das er sich vor allem durch sein umsichtiges Vorgehen in der Regierungskrise nach dem Ibiza-Skandal 2019 erworben hat. Er trat über Wochen als oberster Hüter der Verfassung auf, die er als „Betriebssystem der Demokratie“ auch jüngeren Semestern verständlich machte. Zuvor musste er als erster Präsident in der Nachkriegsgeschichte eine Regierung nach einem erfolgreichen Misstrauensantrag im Nationalrat entlassen.

    In den Umfragen liegt van der Bellen vor Kanzler Kurz

    So etwas wirkt nach. In einem regelmäßig erhobenen Vertrauensindex aller namhaften Politiker Österreichs führt „VdB“, wie er in den Medien gerne abgekürzt wird, noch vor Bundeskanzler Sebastian Kurz. Gerne erinnert man sich auch an seine Worte nach dem Auffliegen des Ibiza-Skandals im Mai 2019: „Es sind beschämende Bilder und niemand soll sich für Österreich schämen müssen. So sind wir nicht.“

    Sein Konkurrent bei der Wahl 2016 hat mittlerweile andere, tagespolitische Sorgen. Norbert Hofer erbte die Führung der rechtspopulistischen FPÖ nach dem tiefen Fall von Ibiza-Hauptdarsteller Heinz-Christian Strache und hat auch schon öffentlich kundgetan, nicht mehr antreten zu wollen, sollte Van der Bellen eine zweite Amtszeit anstreben. Der aber hat es nicht eilig. Er genießt seine Popularität, dazu den Sommer zwischen dem Jagdschloss in der Steiermark und dem Bergwandern im heimatlichen Tiroler Kaunertal und entwickelt sich über die Zeit immer mehr zu einer Art Übervater der Nation. Salopper formuliert: Van der Bellen hat schön langsam Kultstatus erreicht.

    Seine bedächtige Art zu sprechen und so manche treffliche Formulierung erinnern Weggefährten an den legendären Kanzler Bruno Kreisky, der zu Zeiten von Willy Brandt und Olof Palme in Österreich mit absoluter Mehrheit regierte. Van der Bellen war bis Ende der 1980er Jahre selbst Sozialdemokrat, ehe er sich der Umweltbewegung zuwandte.

    Van der Bellen kann sogar über "Hasenohren" lachen

    Bei aller Distanz zur Bevölkerung, die das höchste Amt im Staat fast zwangsläufig mit sich bringt, gibt sich „Sascha“, wie ihn Freunde rufen, stets so volksnah wie möglich. Erinnerlich sind beispielsweise sympathische Aufnahmen bei einer "Pyjamaparty" mit Kindern in der Hofburg. Alle lachen, alle sind gut drauf, ein Junge macht hinter Van der Bellens Kopf sogar Hasenohren mit gespreizten Fingern. Der Präsident lässt diese Späße nicht nur über sich ergehen, er genießt die Zeit mit den Kindern sichtlich. Und bei aller Inszenierung und Pose, die wohl stets ein Teil solch öffentlich verbreiteter Aufnahmen sind, sprechen die Bilder doch für sich. Man hört „VdB“ regelrecht zufrieden scherzen und brummen.

    Wer so locker bleibt, dem verzeihen die Menschen auch kleinere Ausrutscher. Ende Mai, die Sperrstunde war noch auf 23 Uhr fixiert, wurden Van der Bellen und seine Ehefrau Doris Schmidauer weit nach Mitternacht im Gastgarten eines Wiener Restaurants ertappt. Bevölkerung und Wirtschaft stöhnen unter einem rigorosen Lockdown und der Präsident gibt den Sperrstunden-Sünder? Spott und Häme aber kamen nur von Rechtsaußen. Alle anderen akzeptierten seine Entschuldigung. „Wir haben uns verplaudert und die Zeit übersehen.“

    An der Regierungsbildung in Österreich war Van der Bellen nicht ganz unbeteiligt

    Auch bei der jüngsten Regierungsbildung, seit Jahresbeginn regieren in Österreich erstmals ÖVP und Grüne miteinander, hatte Van der Bellen seine Hände im Spiel. Dezent ließ er durchblicken, dass ihm Schwarz-Grün gefällt und er am Zustandekommen der Koalition aus den beiden ideologisch so unterschiedlichen Partnern, nicht unbeteiligt war: „Wir haben das gemeinsam ganz gut hingekriegt.“

    Im Jahr 2000 hatte Van der Bellen selbst schon mit den Konservativen über eine Koalition verhandelt, war aber am parteiinternen Widerstand gescheitert. 19 Jahre später sahen Grünen-Chef Werner Kogler und wohl auch der Bundespräsident die Zeit für das Experiment gekommen. Die Regierungsbildung nach der Wahl lief dabei unter ganz anderen Vorzeichen ab als die zwei Jahre zuvor, als Van der Bellen zwei Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ als nicht ministrabel abgelehnt hatte.

    „Mehr denn je – VdB“ hatte er im Präsidentschaftswahlkampf plakatieren lassen. Dennoch wurde es denkbar knapp. Nur dank der Briefwahlstimmen hatte Van der Bellen gegenüber dem FPÖ-Mann Hofer die Nase vorn. Erst die Wahlwiederholung nach einer erfolgreichen Anfechtung durch die FPÖ brachte im Dezember 2016 das klare Ergebnis pro Van der Bellen. Lag er bei der Stichwahl nur 31.000 Stimmen voraus, waren es ein paar Monate später schon 350.000 Stimmen.

    Van der Bellens Vita: Vom Kaunertal nach Innsbruck und weiter nach Wien

    Sehr bewegt ist auch Van der Bellens Familiengeschichte. Das „Van“ im Namen deutet auf die niederländischen Wurzeln der Familie hin, die im 18. Jahrhundert nach Russland auswanderte. Von dort mussten die Van der Bellens vor den Bolschewiki nach Estland fliehen, fanden sich nach dem Hitler-Stalin-Pakt und der Annexion Estlands aber erneut in Russland wieder. Am Ende einer langen Flucht kamen seine Eltern, mittlerweile estnische Staatsbürger, über mehrere Stationen bis nach Wien, wo Alexander Van der Bellen 1944 geboren und evangelisch getauft wurde. Ein Jahr später flohen sie abermals, und zwar vor der anrückenden Roten Armee ins abgelegene Kaunertal in Tirol.

    Dort wuchs Van der Bellen auf, studierte in Innsbruck, lehrte als Volkswirtschaftsprofessor auch in Wien und wurde von einem seiner Doktoranden zu den Grünen geholt, deren langjähriger Chef er wurde.

    Wie steht es um die Gesundheit von Van der Bellen?

    Interessant: Van der Bellen trat als Jugendlicher aus der Kirche aus, um erst 2019 wieder in die evangelische Kirche einzutreten. Nie aufgehört hat er mit dem Rauchen, auch das längst eines seiner Markenzeichen. Wird er gefragt, wie es um das Laster steht, antwortet er: „Ich bin zu alt, um aufzuhören.“

    Gesundheitliche Probleme hat er bereits hinter sich gelassen und ist heute wieder fit. „Er läuft durch die Berge wie ein Wiesel“, erzählt ein Vertrauter. Das mag auch am guten Zeitmanagement liegen. Kein Facebook oder Twitter zu nachtschlafender Zeit. Und: „In der Früh löse ich erst mal ein Sudoku.“

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