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Österreich: Nach Skandalen: Weiterer Kurz-Vertrauter muss Amt niederlegen

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Nach Skandalen: Weiterer Kurz-Vertrauter muss Amt niederlegen

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    Schon wieder muss ein Mann aus dem Umfeld des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz gehen. Diesmal der ÖBAG-Chef Thomas Schmid.
    Schon wieder muss ein Mann aus dem Umfeld des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz gehen. Diesmal der ÖBAG-Chef Thomas Schmid. Foto: Roland Schlager, APA, dpa

    So hatte sich Thomas Schmid den Gipfel seiner Karriere wohl nicht vorgestellt. Der ehemalige Presse-Beauftragte und spätere Kabinettschef und Generealsekretär im stets ÖVP-geführten Finanzministerium begleitet den Aufstieg von Kanzler Sebastian Kurz schon seit geraumer Zeit – und galt als Mann fürs Grobe. Seine Dienste führten Schmid schließlich dahin, wo er immer hinwollte: an die Spitze der staatlichen Beteiligungsagentur ÖBAG. Seit zwei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Schmid wegen Beihilfe zum Amtsmissbrauch – doch sind es nicht diese Ermittlungen, die Schmid nun seinen hochdotierten Job als ÖBAG-Alleinvorstand kosten.

    Chatnachrichten von Schmids Handy sorgen seit Monaten auch international für Schlagzeilen: Sie geben ein irritierendes Sittenbild des engsten Machtkreises um Kurz ab, legen nahe, dass Schmid sich die Ausschreibung für den ÖBAG-Chefposten maßschneidern lassen hatte und zudem dafür sorgte, dass auch der Aufsichtsrat der Staatsholding für Schmid passend bestellt wurde. An die Öffentlichkeit gelangten die Chat-Protokolle über den parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Ibiza-Ausschuss“, der die mutmaßliche Käuflichkeit der gescheiterten ÖVP-FPÖ-Regierung unter Kurz untersucht.

    Neue Chat-Protokolle: Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid äußert sich sehr abfällig

    Erst auf massivem Druck entschied sich Schmid Anfang April, keine Verlängerung seines Vertrages mehr anzustreben und den Vorstandsposten ab 2022 zu räumen. Doch mit dem Trostpflaster des Jahresgehaltes wurde es doch nichts: Im Mai wurden neue Chatverläufe, dieses Mal zwischen ihm und seiner Vertrauten und Pressesprecherin Melanie Laure, öffentlich – und diese zeichnen vor allem von Schmids persönlichen Ansichten ein eindeutiges Bild.

    Dass er als ÖBAG-Chef anders als im Finanzministerium über keinen Diplomatenpass mehr verfüge, ärgerte Schmid. Jetzt müsse er „wie der Pöbel“ wieder ganz normal reisen, beschwerte sich Schmid per Nachricht an Laure. „Ab Kairo gibt es Schlauchboote“, schrieb diese an Schmid, und er: „Mit den Flüchtlingen? (Smiley)“. Für den neuen Job musste sich Schmid ein Leumundszeugnis besorgen, das holt man sich in Österreich am Amt: „Ich hasse euch, dass ich da herkommen muss zu diesen Tieren für Strafregister“, beschwerte sich Schmid per Nachricht, offenbar über die mit ihm am Amt wartenden Normalbürger. Auch hegte Schmids die Vorstellung, den ÖBAG-Betriebsrat beseitigen zu können. Man müsse auch andere Ideologien verstehen, textete Laure an Ihren Chef: „Andere Meinungen F*** that“, antwortete dieser.

    Der darauf folgende Aufschrei aus allen politischen Lagern, ausgenommen der Kurz-Partei, die vor allem in der Veröffentlichung der Chats an sich den Skandal sah, ist nun selbst für den Schmid wohlgesonnenen ÖBAG-Aufsichtsrat zu viel. Schmids Vertrag sei „einvernehmlich gelöst“ worden, er scheide noch mit Dienstag aus seiner Vorstandsfunktion und allen anderen Aufsichtsratspositionen in Beteiligungungsbetrieben, die mit dem ÖBAG-Job verbunden sind, aus. Boni soll Schmid keine erhalten, sagte ÖBAG-Aufsichtsratsvorsitzender Helmut Kern. Man habe sich auf einen Abfindungsbetrag geeinigt, der aber nicht dem vollen Vertragsbezug für das laufende Jahr entspreche.

    Sebastian Kurz ist selbst in der Kritik: Das heißt Schmids Rückzug für ihn

    Für Kanzler Kurz, selbst Beschuldigter der Staatsanwaltschaft wegen möglicher Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss, bedeute der Rückzug Schmids zweierlei: Zum einen darf er darauf hoffen, zumindest eine Angriffsfläche weniger zu bieten. Immerhin war es Schmid, den Kurz mit den Worten „Bitte Vollgas geben“ zu einem Termin mit dem damaligen Vorsitzenden der Bischofskonferenz geschickt hatte – weil die Kirche mit dem Anti-Flüchtlings-Kurs der Kurz-Regierung nicht einverstanden war, sollte Schmid dem Kirchenmann die Streichung von Steuervorteilen für die Kirche in Aussicht stellen. Dieser ebenfalls durch Chatprotokolle öffentlich gewordene Schritt kostete Kurz im konservativen Lager viele Sympathien und die prolongierte Diskussion darüber stellt für Kurz eine echte Bedrohung dar – nun kann der Kanzler darauf hoffen, dass mit Schmid auch dieses Thema aus den Schlagzeilen verschwindet.

    Vor allem aber ist das Thema von Schmids Ernennung, genauer gesagt Kurz‘ Aussagen darüber vor dem Parlament, genau der für das Ermittlungsverfahren gegen den Kanzler selbst relevante Punkt. Zur Erinnerung: Kurz sagte vor dem Untersuchungsausschuss, dass er von Schmids Berufung nur „informiert“ worden wäre, eine persönliche Einbindung bestritt der Kanzler – besagte Chat-Verläufe (Kurz an Schmid: „kriegst eh alles was du willst“) aber sind für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft offenbar ein Hinweis, dass das Kurz eben falsch ausgesagt haben könnte.

    Auch Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter tritt als Höchstrichter zurück

    Kurz muss auch an anderen Fronten weiter mit Ungemach rechnen, etwa in der Causa rund um ÖVP-nahe Beamte im Justizressort. Sowohl gegen den mächtigen, aber mittlerweile suspendierten Justiz-Beamten Christian Pilnacek als auch gegen den ehemaligen ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter laufen Ermittlungen – wegen möglichem Geheimnisverrat im Vorfeld von Hausdurchsuchungen der Staatsanwaltschaft. Brandstetter, nach seinem Ministeramt Höchstrichter am Verfassungsgerichtshof, zog am Dienstag ebenfalls die Reißleine und legte sein Richteramt mit sofortiger Wirkung nieder.

    Andererseits passt der Rückzug von Schmid, der nicht nur für die Oppositionsparteien, sondern auch für den grünen ÖVP-Koalitionspartner viel zu spät kommt, nicht recht zur Verteidigungsstrategie des angeschlagenen Kanzlers. „Alle gegen den Kanzler“, obwohl nichts dran sei an den Vorwürfen, das ist das Motto, das die Kurz-Spindoktoren ausgegeben haben – auch für den Fall, dass es zu einer Anklage gegen den Kanzler kommen könnte. Mit einer solchen rechnet Kurz eigenen Aussagen zu Folge selbst. Zumindest öffentlich hielt die ÖVP-Spitze Schmid in den letzten Wochen die Stange, am Dienstag bedankte sich der Finanzminister und Kurz-Vertraute Gernot Blümel – selbst Beschuldigter der Staatsanwaltschaft mit Ibiza-Bezug – bei Schmid für dessen „ausgezeichneter inhaltlicher Arbeit“ in der ÖBAG.

    Zu all dem ist der nun doch erfolgte, schnelle Rücktritt von Schmid ein Zeichen an den inneren Zirkel um Kurz – so schnell kann es gehen, mit dem Karriereende.

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