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Österreich: Karl-Heinz Grasser: Der tiefe Fall eines Politstars

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Karl-Heinz Grasser: Der tiefe Fall eines Politstars

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    Österreichs Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser vor dem Prozess in Wien.
    Österreichs Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser vor dem Prozess in Wien.

    Karl-Heinz Grasser war ein Politstar in Österreich – eine Art alpenländischer Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Liebling der Boulevardpresse. Einer, der Macht und Glamour zusammenbrachte, der hoch gehandelt wurde und umso tiefer stürzte. Grasser gehörte zum Gefolge von Jörg Haider. Der Kärntner Rechtspopulist sammelte in den 90er Jahren smarte, selbstbewusste Jungpolitiker um sich. „Buberlpartie“ nannten die Österreicher diese Seilschaft – halb spöttisch, halb beeindruckt. Viele der dynamischen Herren von damals haben später Karriere gemacht – früher oder später kamen aber fast alle mit dem Gesetz in Konflikt. Auch Karl-Heinz Grasser. Jetzt steht er in einem der größten Korruptionsprozesse der österreichischen Geschichte vor Gericht.

    Der 48-Jährige hat das Rampenlicht nie gescheut. Ob beim Après-Ski in Kitzbühel, auf dem Wiener Opernball oder für die Homestorys der Hochglanz-Magazine: Der Politiker mit dem wehenden Haupthaar, den strahlenden Augen und perfekt sitzenden Anzügen macht immer eine gute Figur. Und nicht nur seine politische Karriere – mit gerade einmal 31 Jahren war er schon Finanzminister – lieferte verlässlich Schlagzeilen, sondern auch sein Privatleben. Als der Sohn eines Klagenfurter Autohändlers 2005 Fiona Swarovski, die Erbin des weltberühmten Kristallkonzerns, vor den Altar führt, jubeln die Boulevardmedien. Es ist seine zweite Ehe. Diesmal soll alles perfekt sein. Doch hinter dem Glanz gibt es offenbar auch eine dunkle Seite. Jetzt holen Grasser die Schatten der Vergangenheit ein.

    Grasser: Ich bin ruiniert

    Ein Blitzlichtgewitter zieht über den gefallenen Star hinweg, als er sich mit seinem Anwalt den Weg zum zum frisch renovierten Großen Schwurgerichtssaal kämpft. Fragen von Reportern wehrt er ab. Der Richterin wird er später auf die Frage zu seinen finanziellen Verhältnissen antworten, er habe keinen Arbeitgeber, kein Auto und kein Haus. „Mein gesamtes wirtschaftliches System ist zusammengebrochen, ich bin ruiniert“, sagte er vor dem Prozess. Das politische Wunderkind wird beschuldigt, als Finanzminister bestechlich gewesen zu sein. Im Zwielicht steht die Privatisierung von Bundeswohnungen. Daran soll Grasser in großem Stil mitkassiert haben. Korruption? Untreue? Grasser droht jedenfalls Gefängnis und die Alpenrepublik fragt sich, wie es soweit kommen konnte.

    Die Geschichte nimmt ihren Anfang in Kärnten. Dort begegnet Grasser seinem späteren Mentor Jörg Haider. Das Bundesland an der Grenze zu Slowenien ist nicht besonders groß, gilt als konservativ und ein bisschen provinziell. Man kennt sich, man netzwerkt. Ein guter Platz, um schnell viel zu erreichen. Den beiden jedenfalls gelingt das. Als Grasser stellvertretender Landeshauptmann wird, ist er gerade einmal 25 Jahre alt. In dieser Zeit knüpft er die ersten Kontakte zu Parteifreunden, die jetzt mit ihm vor Gericht stehen.

    Insgesamt gibt es in dem Korruptionsprozess 15 Angeklagte. Einer von ihnen Walter Meischberger. Auch er ist Mitglied der legendären „Buberlpartie“. In Österreich nennt man ihn sogar das „Ur-Buberl“, weil er früher als die anderen in Haiders Dunstkreis geriet. Meischberger wird Grassers Freund, später sogar sein Trauzeuge. Dessen Aufstieg scheint kein Ende zu nehmen. 2000 wird er als Finanzminister „angelobt“. Da ist er übrigens genauso jung wie heute Sebastian Kurz, der in wenigen Tagen Österreichs Bundeskanzler werden soll. Was Kurz heute ist, war Grasser damals: ein Hoffnungsträger. Die österreichische Öffentlichkeit überschlägt sich förmlich vor Begeisterung über den feschen Selbstdarsteller. Und der geht ohne Skrupel ans Werk. Um die Staatsfinanzen zu sanieren, kündigt er die Privatisierung von 60000 Bundeswohnungen an, nachdem er den FPÖ-nahen Wiener Immobilienmakler Ernst Karl Plech zum Aufsichtsratschefs des Wohnungsunternehmens Buwog gemacht hat. Auch Plech sitzt nun auf der Anklagebank. Er soll hinter den Kulissen die Fäden gezogen haben.

    Während seiner Zeit als Finanzminister zerbricht Grassers politische Freundschaft zu Haider. Er tritt aus der rechtspopulistischen FPÖ aus und macht als Parteiloser weiter. Nun fährt Grasser auf dem Ticket der konservativen ÖVP. Sein neuer Haider heißt Wolfgang Schüssel. Der Bundeskanzler hat Großes mit ihm vor, will ihn sogar zu seinem Vize machen. Doch in der Partei gibt es Widerstand gegen den Parteilosen. 2007 zieht er sich aus der Politik zurück, arbeitet als Lobbyist, in der Vermögenverwaltung und in der Immobilienbranche – der Erfolg bleibt überschaubar.

    Indiz für Mauschelei oder reiner Zufall?

    In Grassers Zeit im Finanzministerium fallen die Geschäfte, die ihm nun – nach acht Jahren Ermittlungen und diversen Hausdurchsuchungen – eine Anklage eingebracht haben. Vor dem Verkauf der Bundeswohnungen soll er einem privaten Investor einen entscheidenden Tipp zum Angebot eines Mitbieters gegeben haben. Am Ende lag das Höchstgebot in dem geheimen Verfahren gerade einmal eine Million Euro über dem der Konkurrenz. Bei einem Kaufpreis von 961 Millionen Euro ist das zumindest erstaunlich. Indiz für eine Mauschelei, sagt die Staatsanwaltschaft. Reiner Zufall, sagt die Verteidigung.

    Im Gegenzug für den Hinweis sollen laut Anklage rund 9,6 Millionen Euro in die Taschen der Verdächtigen geflossen sein. Wurden die staatlichen Wohnungen zu billig verkauft? Und wer hatte seine Finger im Spiel?

    Vor acht Jahren tauchen Hinweise auf die zweifelhaften Zahlungen auf, die auf geheimen Konten landeten. Grassers Trauzeuge Meischberger und ein weiterer Mitangeklagter erstatten Selbstanzeige. Das Geld sei ein Erfolgshonorar für die Vermittlung bei der Buwog-Privatisierung gewesen, sagen sie. Doch sie hatten die angeblichen Provisionen nicht versteuert. Und: Im Zuge der Ermittlungen wird ein drittes geheimes Konto entdeckt, für das sich eine Verbindung zu Grasser herstellen lässt. Er selbst bestreitet alle Vorwürfe. Acht Jahre sei er nun „am Pranger“ gestanden, beklagt sich der gefallene Politstar zu Beginn des Prozesses. Doch es könnte noch schlimmer für ihn kommen: Jedem Angeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft.

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