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Österreich: Kanzler Kurz und die Grünen: Gemeinsam gegeneinander

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Kanzler Kurz und die Grünen: Gemeinsam gegeneinander

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    So fing alles an: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Grünen-Chef Werner Kogler (rechts).
    So fing alles an: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Grünen-Chef Werner Kogler (rechts). Foto: Helmut Fohringer, dpa

    Hochgerissene Fäuste, Jubelszenen – noch gut sind die Bilder nach dem fulminanten Wahlerfolg der Grünen vom Oktober 2019 in Erinnerung. Nachdem die von Anfang an hoch umstrittene Koalition des konservativen Kanzlers Sebastian Kurz mit den rechtspopulistischen Freiheitlichen in die Luft gesprengt worden war, Stichwort Ibiza-Video, hatten die Österreicher nach zwei provisorischen Übergangsregierungen einen großen Wunsch: Stabilität. Warum also nicht die beiden so ungleichen Wahlsieger zusammen in einer Koalition? Bundespräsident Alexander Van der Bellen, selbst langjähriger Grünen-Politiker, dürfte bei der Bildung der ÖVP-Grün-Regierung vor genau einem Jahr ein gewichtiges Wort mit- und Parteichef Werner Kogler ins Gewissen geredet haben. Dennoch: Nicht nur parteiintern waren die skeptischen Stimmen schon damals zahlreich, die befürchteten, dass die erst gerade wieder in den Nationalrat eingezogene Öko-Partei unter dem machiavellistischen Kanzler zerrieben werden könnte.

    Dient die Koalition als Vorbild für Deutschland?

    Die Grünen wagten es trotzdem. Seitdem blickt man in Deutschland mit großem Interesse auf die konservativ-grüne Koalition beim kleinen Nachbarn – schließlich gilt das Modell auch als realistische Option nach der Bundestagswahl im September. Aber nicht nur die deutschen Grünen, auch die Union mit ihrer noch ungeklärten Kandidatenfrage sollte ganz genau hinsehen.

    Für die Grünen gibt es unter Kurz tatsächlich kaum Luft zum Atmen. Sie tun sich extrem schwer, ihre zwar durchaus vorhandenen, aber sehr bescheidenen realpolitischen Erfolge zu verkaufen. Und Verkaufen, das ist die einzige Maxime. Die ÖVP-Kommunikationsmaschine, perfekt orchestriert über den wohlbezahlten Boulevard und gefügig gemachte Medien, dominiert das politische Geschehen in Wien. Grüne Minister mit guten Umfragewerten wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober werden von der ÖVP-Mannschaft unter Kurz bei jeder Gelegenheit brüskiert – ohne dass sie sich zur Wehr setzen. Der Kanzler toleriert niemanden neben sich, die Leidensfähigkeit der Grünen scheint unbegrenzt.

    Sebastian Kurz ist ein Meister der Selbstinszenierung

    Das begann schon mit den Koalitionsverhandlungen: Vier Ressorts konnten die Grünen für sich gewinnen, darunter das Sozial- und Gesundheitsressort. Mit sozialpolitischen Ansagen waren sie auch in den Wahlkampf gezogen und holten so auch viele Stimmen von den Sozialdemokraten – die wichtigen Bereiche Arbeit und Arbeitsmarkt aber riss die Kurz-ÖVP an sich.

    Der grüne Gesundheitsminister hat seine Umfragewerte, ebenso wie das äußerst gespannte Verhältnis zum Kanzler, der Corona-Krise zu verdanken. Während der ersten Welle machte er wie auch Kurz eine gute Figur, etwaige Fehler wurden Anschober hier noch verziehen, dann allerdings folgte die Entlarvung. Kurz erklärte die gesundheitliche Krise für beendet, sperrte das Land rasch wieder auf – und als schon im Frühherbst die Infektionszahlen wieder rasant anstiegen, zögerte die Regierung. Mit fatalen Folgen: Österreich stellte Rekorde bei den Todeszahlen auf, musste Mitte November wieder in einen sogenannten „harten Lockdown“. Nur Tage zuvor hatte der Gesundheitsminister davon gesprochen, man sei weit entfernt von einer Auslastung im Gesundheitssystem.

    Es wurde offensichtlich, dass der türkis-grünen Regierung jegliche Strategie im Krisenmanagement fehlt, als der Kanzler kurzerhand im Fernsehen freiwillige Massentests ausrief, die aber nur von wenigen und zudem von den falschen Zielgruppen genutzt wurden. Inzwischen befindet sich Österreich im „harten Lockdown“ Nummer drei (Ausnahme: Skifahren). Einen kohärenten Plan, wie die Impfungen organisiert und logistisch abgewickelt werden sollen, gibt es bis jetzt noch immer nicht. 

    Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober kämpft an der Corona-Front.
    Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober kämpft an der Corona-Front. Foto: Roland Schlager, dpa

    Gesundheitsminister Anschober lässt ahnungslos wirkende Spitzenbeamte in den Medien erklären, wieso zigtausende Impfdosen unbenutzt herumliegen und erst Mitte Januar mit dem Impfen begonnen werden soll, nur um sich tags drauf von Kurz abermals vorführen zu lassen: „Kanzler greift durch: Impfstart wird vorgezogen!“, titelte die Boulevardzeitung Österreich. Die Hausärzte, die die angeblich geplante „dezentrale Impfstrategie“ durchziehen sollen, haben noch immer keine Informationen dazu vorliegen. Die kollektive Aufmerksamkeit, nötig für die kollektive Anstrengung im Corona-Marathon, hat die Regierung darüber längst verspielt.

    Das beste aus beiden Welten versprachen ÖVP und Grüne

    Und neben Corona? „Das Beste aus beiden Welten“ liefere man, werden die Grünen nicht müde zu betonen und versuchen, ihre klimapolitischen Errungenschaften zu verkaufen. Zwar gibt es 220 Millionen Euro mehr für Klimaschutz, „so viel wie noch nie“, die essenzielle Öko-Steuerreform samt CO2-Bepreisung aber wurde ans Ende der Legislaturperiode verschoben. Stattdessen wird ein noch nicht einmal fertiges, österreichweites „Öffi-Ticket“ angepriesen. Immerhin erreichte die grüne Justizministerin Alma Zadic eine deutliche Erhöhung des Ressortbudgets – die allerdings war auch lange und dringend notwendig. Die Kurz-ÖVP hingegen zieht sogar Vorhaben aus ihrer letzten Koalition mit der FPÖ durch, wie etwa die Verstaatlichung der Asylrechtsbetreuung – ohne Widerstand der Grünen, die das noch vor gut einem Jahr ausgeschlossen hatten. Auch das hoch umstrittene Anti-Terror-Paket nach dem Anschlag in Wien vom 2. November trugen die Grünen weitestgehend mit und stellten sich hinter ÖVP-Innenminister Karl Nehammer, in dessen Verantwortlichkeit das eklatante Versagen des Verfassungsschutzes vor dem Anschlag fällt.

    Sebastian Kurz hingegen scheint wenig zu kümmern, dass das Vertrauen in das Corona-Management seiner Regierung sinkt und sinkt. Denn in der Sonntagsfrage führen der Kanzler und seine Partei nach wie vor. Und das ist für ihn und die Seinen das Wichtigste.

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