Mitten in der zweiten Corona-Welle bleibt Deutschland eine weitere Bewährungsprobe erspart. Nachdem sich Arbeitgeber und Gewerkschaften auf einen neuen Tarifvertrag für die 2,3 Millionen Beschäftigten des Bundes und der Kommunen geeinigt haben, sind die für diese Woche angedrohten Warnstreiks in Kliniken, Kindergärten oder bei der Müllabfuhr vom Tisch. Weiter gestreikt wird dagegen im Nahverkehr, hier laufen die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag noch. Vor allem in Augsburg und Ingolstadt müssen Fahrgäste an diesem Montag mit erheblichen Einschränkungen rechnen.
Ärzte in Gesundheitsämtern erhalten ab März 300 Euro pro Monat als Zulage
Zu den besonders Begünstigten der neuen, nach wochenlangen Auseinandersetzungen in Potsdam ausgehandelten Übereinkunft für den Öffentlichen Dienst gehören die Beschäftigten in Kliniken und Pflegeheimen. Pflegekräfte erhalten ab März zusätzlich zu ihrem Gehalt noch eine sogenannte Pflegezulage von 70 Euro monatlich, die ein Jahr später auf 120 Euro erhöht wird. Die bestehende Zulage in der Intensivmedizin wird auf 100 Euro mehr als verdoppelt. Ärzte in den Gesundheitsämtern erhalten ab März eine Zulage von 300 Euro monatlich.
Insgesamt steigen die Löhne und Gehälter im April nächsten Jahres um 1,4 Prozent, mindestens aber um 50 Euro, und im April 2022 dann noch einmal um 1,8 Prozent. In den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen steigen die Einkommen in den kommenden beiden Jahren teilweise sogar um bis zu 4,5 Prozent. Noch in diesem Jahr erhalten alle Beschäftigten eine sogenannte Corona-Prämie. Sie soll für die unteren Entgeltgruppen 600 Euro betragen, für die mittleren 400 Euro und für die oberen 300 Euro. Auszubildende erhalten in den Kommunen 225 Euro und beim Bund 200 Euro Prämie.
Michael Theurer kritisiert Tarifeinigung als zu hoch: "Schon jetzt zeichnen sich Steuerausfälle ab"
Während Innenminister Horst Seehofer (CSU) den neuen Tarifvertrag als historischen Durchbruch „an der Grenze des finanziell Verkraftbaren“ bezeichnete, kritisierte der FDP-Wirtschaftsexperte Michael Theurer die Einigung scharf. „Auch wenn die Gewerkschaften ihre Maximalforderungen nicht durchsetzen konnten, stellt der Tarifabschluss für die öffentlichen Haushalte eine schwere Belastung dar“, betonte Theurer gegenüber unserer Redaktion.
Da die Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst sicher seien, wäre ein maßvollerer Tarifabschluss aus seiner Sicht das richtige Signal gewesen. „Schon jetzt zeichnen sich massive Steuerausfälle ab“, warnte Theurer. „Die Erschwernis- und Risikozuschläge für Pflegekräfte und medizinisches Personal sind zwar gerechtfertigt. Angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen in der Privatwirtschaft kommt der Öffentliche Dienst jedoch nicht umhin, einen Solidarbeitrag zu leisten.“
Pfleger verdienen durch Gehaltserhöhung und Prämie künftig deutlich mehr als andere
Auf 225.000 Beamte des Bundes und der Kommunen soll das Ergebnis nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi und des Beamtenbundes übertragen werden. „Wir haben mit diesem Abschluss das aktuell Machbare erreicht“, betonte der Vorsitzende des Beamtenbundes, Ulrich Silberbach. Die Arbeitgeber hätten den Handlungsbedarf im Krankenhaus- und Pflegebereich anerkannt. „Bei anderen Leistungsträgern, etwa in Ordnungsämtern, Jobcentern oder der Verwaltung war diesmal nicht mehr durchzusetzen.“
Ein Beschäftigter bei der Müllabfuhr mit einem derzeitigen Monatseinkommen von 2823 Euro kommt nach Angaben der Gewerkschaft Verdi ab April 2022 auf ein Plus von 101,71 Euro – das ist weniger als die Prämie, die ein Alten- oder Krankenpfleger dann noch zusätzlich zu seinem bereits erhöhten Gehalt erhält.
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