Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Coronavirus: Nur 25.000 Intensivpflegekräfte: Mangel wird in der Corona-Krise zum Knackpunkt

Coronavirus

Nur 25.000 Intensivpflegekräfte: Mangel wird in der Corona-Krise zum Knackpunkt

    • |
    Personalmangel bringt die Intensivversorgung an die Belastungsgrenze
    Personalmangel bringt die Intensivversorgung an die Belastungsgrenze Foto: Fabian Strauch, dpa (Symbolbild)

    Die Lage auf den Intensivstationen ist der zentrale Punkt, um den sich die gesamte Pandemie-Politik in der Corona-Krise mit Lockdowns und Kontaktbeschränkungen dreht: Die Bundesregierung und die Bundesländer wollen mit allen Mitteln verhindern, dass zu viele Corona-Patienten intensivmedizinisch behandelt werden müssen und damit die Versorgung für andere Notfallpatienten nicht mehr ausreicht.

    Seit Anfang Oktober hat sich die Zahl der aktuell behandelten Covid-19-Intensivpatienten von 373 auf 3630 fast verzehnfacht. Seit Anfang Oktober verstarben auf den Intensivstationen 2100 Corona-Patienten, bei 8513 wurde die Intensivbehandlung erfolgreich abgeschlossen. Bundesweit sind damit derzeit mehr Corona-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung als zum Höhepunkt der ersten Pandemiewelle.

    Höhepunkt der zweiten Corona-Welle erst Mitte Dezember erwartet

    Intensivmediziner erwarten, dass die Zahlen voraussichtlich bis Mitte Dezember weiter ansteigen werden, obwohl sich die Kurve der Neuinfektionen durch den Teil-Lockdown abgeflacht hat. Oft müssen Corona-Patienten wegen Atemproblemen erst zwei oder gar fünf Wochen nach ihrer Infektion in intensivmedizinische Behandlung.

    Im Unterschied zur ersten Welle ist das Infektionsgeschehen nicht auf bestimmte Hot-Spot-Regionen begrenzt, sondern erstreckt sich fast flächendeckend auf das Bundesgebiet: Momentan ist das Infektionsgeschehen in Sachsen an den Grenze zu Tschechien besonders stark.

    Während Bayern, anders als im Bundesdurchschnitt, die Zahl der Intensivpatienten den Höhepunkt der ersten Welle noch nicht erreicht hat, verzeichnen viele andere Regionen Spitzenwerte. Am höchsten ist der Anteil der Corona-Patienten auf den Intensivstationen in Berlin, Bremen und Sachsen. Vielerorts sagen Kliniken bereits planbare Operationen ab, um die Intensivbetten für Corona-Patienten frei zu halten.

    Schon jetzt arbeitet das Personal in der Corona-Krise an der Belastungsgrenze

    Das größte Problem der Krankenhäuser sind nicht die Technik oder die räumlichen Kapazitäten, sondern Personalmangel: In Deutschland stehen während der Corona-Pandemie lediglich rund 25.000 vollausgebildete Intensivpflegefachkräfte zur Verfügung, wie aus einer unserer Redaktion vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Kordula Schulz-Asche hervorgeht. Im Schnitt ist das bei knapp 28.000 Intensivbetten weniger als eine Fachkraft pro Bett. Bei 24 Stunden-Betreuung an sieben Tagen die Woche käme bei Vollbelegung im Schnitt eine Vollzeitkraft auf fünf Intensivbetten, doch schon jetzt arbeitet das Personal an der Belastungsgrenze.

    Die Grünen-Pflegeexpertin Schulz-Asche nennt die geringe Zahl an Fachpflegekräften eines der größten Risiken in der Corona-Pandemie: „Der jahrelange, bekannte Mangel besonders an Pflegefachkräften droht uns nun in der Pandemiebekämpfung an die Belastungsgrenzen des Gesundheitssystems zu bringen“, sagt sie unserer Redaktion.

    Schulz-Asche fordert eine grundlegende Reform für die Pflegepersonal-Ausstattung der Kliniken: „Auf dem Weg zu nachhaltigen Verbesserungen kommen wir nicht daran vorbei, eine wissenschaftliche Personalbemessung für die Pflege im Krankenhaus einzuführen, die sich am Pflegebedarf ausrichtet.“ Auch müsse mehr gegen die hohe Fluktuation in den Pflegeberufen getan werden: „Deshalb braucht es eine berufsständige Vertretung, wie eine Bundespflegekammer, damit Pflegefachkräfte an der Entwicklung von vorbehaltenen Aufgaben mitarbeiten und sie mitbestimmen können“, fordert Schulz-Asche.

    Personalmangel größte Schwachstelle in Pandemiebekämpfung

    Die Corona-Pandemie decke auf, dass Personalmangel die größte Schwachstelle in der Intensivmedizin sei. „Intensivstationen sind von Anfang an der Schmelztiegel der Corona-Pandemie, dort kämpfen Teams aus Medizin, Pflege und Therapie um das Leben und die Gesundheit von schwersterkrankten Menschen“, betont die Grünen-Politikerin. „Damit die Intensivversorgung nicht nach monatelanger Dauerbelastung zusammenbricht, müssen die Covid-19-Infektionszahlen endlich wieder sinken.“

    Die Intensivstationen kämpfen mit einem Personalmangel. Für die Corona-Pandemie heißt das nichts gutes.
    Die Intensivstationen kämpfen mit einem Personalmangel. Für die Corona-Pandemie heißt das nichts gutes. Foto: Andreas Usenbenz

    Die Bundesregierung stellt in ihrer Antwort klar, dass die im Intensivregister täglich gemeldeten freien Betten tatsächlich auch mit ausreichend Pflegepersonal zur Verfügung stehen: In den täglichen Meldungen solle eine reale Einschätzung über die Kapazität der jeweiligen Intensivbereiche der abgegeben werden, „das bedeutet auch unter Einbeziehung der Personalausstattung“, heißt es in dem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums.

    Jede zweite Klinik hat Probleme, Stellen zu besetzen

    Der Pflegemangel ist ein seit Jahren bekanntes Problem: Laut einer Studie des Deutschen Krankenhausinstituts von 2017 hat mehr als die Hälfte der deutschen Kliniken Probleme, Pflegestellen in ihren Intensivbereichen zu besetzen.

    Nach Angaben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin sind in Deutschland zwischen 3500 bis 4000 Stellen unbesetzt. Der Präsident der Vereinigung Uwe Janssens, warnte kürzlich, dass viele der in der Corona-Pandemie in den Kliniken geschaffenen Zusatzbetten nicht belegt werden könnten, weil das Personal zur Versorgung der Patienten fehle. Damit könnte auch die aktuelle Zusatzreserve von 12.000 Betten ins Wanken geraten.

    Wie trifft die Corona-Krise Jugendliche? Hören Sie sich dazu unseren Podcast von Juni 2020 aus der Reihe "Augsburg, meine Stadt" an:

    Lesen Sie dazu auch:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden