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Nordrhein-Westfalen: Salafisten planten Mordserie gegen Rechtsextreme

Nordrhein-Westfalen

Salafisten planten Mordserie gegen Rechtsextreme

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    Markus Beisicht, Vorsitzender der Partei «Pro NRW», ist wahrscheinlich einem islamistischen Anschlag entgangen. Foto: Roland Weihrauch dpa
    Markus Beisicht, Vorsitzender der Partei «Pro NRW», ist wahrscheinlich einem islamistischen Anschlag entgangen. Foto: Roland Weihrauch dpa

    Eine Serie von Anschlägen radikal-islamischer Salafisten auf Mitglieder der rechtsextremen Partei Pro NRW hat die Polizei möglicherweise verhindert. Dem Pro-Markus Beisicht drohte akute Gefahr. In Leverkusen, Bonn und Essen nahmen Spezialeinheiten am frühen Mittwochmorgen insgesamt vier Verdächtige fest. Sie fanden über 600 Gramm Sprengstoff-Zutaten, einen Totschläger, eine scharfe Pistole und eine Liste mit neun rot markierten Namen, darunter dem von Beisicht, wie der Ermittlungsleiter Rainer Pannenbäcker am Mittwochabend in Essen sagte.

    Gab es eine Todesliste?

    Ob dies eine Art Todesliste war, wollte Pannenbäcker nicht kommentieren. Jedenfalls habe die Polizei nach "operativen Maßnahmen" Hinweise auf eine drohende Gefahr für den Politiker gehabt und deshalb zwischen 00.30 Uhr und 03.30 Uhr kurzfristig reagiert: In der Nähe des Hauses von Beisicht in Leverkusen stellte die Polizei zwei der vier Islamisten. Die beiden anderen seien bei Wohnungsdurchsuchungen in Essen und Bonn festgenommen worden. Zuvor habe die Polizei die Gruppe schon länger mit operativen Mitteln verfolgt, sagte Pannenbäcker. Sie sollen abgehört worden sein.

    Die Verdächtigen sind zwei 23 und 24 Jahre alte türkischstämmige Deutsche, ein 43 Jahre alter Albaner und ein 25 Jahre alter Deutscher. Bei den Festnahmen durch Spezialeinheiten hätten sich die vier nicht gewehrt. Er rechne nicht mit weiteren Mitgliedern des Täterkreises, sagte Pannenbäcker. Die Verdächtigen würden am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt.

    Beisicht: Bin etwas durch den Wind

    Ein Ermittler sagte gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger: "Es war sehr knapp." Beisicht sagte gegenüber der Zeitung, er sei "noch etwas durch den Wind." Sein Haus sei offensichtlich wochenlang von den mutmaßlichen Attentätern beobachtet, seine Gewohnheiten ausspioniert worden. Beisicht wohnt mit seiner Frau und zwei Töchtern in dem Haus in Leverkusen.

    Offenbar kein Zusammenhang mit geplanten Anschlag in Bonn

    Nach Angaben der Polizei gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass unter den Festgenommenen der Mann ist, der am 10. Dezember einen Sprengstoffanschlag auf den Bonner Hauptbahnhof verüben wollte und seither mit Hochdruck gesucht wurde. Die Bombe in einer Sporttasche auf dem Bahnsteig wurde zwar gezündet, detonierte aber nicht.

    Islamistische Bedrohungen in Deutschland

    Oktober 2012: Das Bonner Landgericht verurteilt einen Salafisten zu sechs Jahren Haft. Bei einer Kundgebung gegen die rechtsextreme Splittergruppe "Pro NRW" im Mai hatte er zwei Polizisten mit einem Messer verletzt.

    Juli 2012: In Düsseldorf beginnt der Prozess gegen vier mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder, die einen Sprengstoffanschlag in Deutschland geplant haben sollen. Die Mitglieder der sogenannten Düsseldorfer Zelle haben laut Bundeskriminalamt an einer Bombe gebaut.

    März 2011: Ein junger Kosovo-Albaner erschießt auf dem Flughafen Frankfurt/Main zwei US-Soldaten und verletzt zwei weitere schwer. Er gilt als islamistischer Einzeltäter und wird im Februar 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt.

    September 2007: Die islamistische Sauerland-Gruppe wird festgenommen. Vor Gericht müssen sich die vier Mitglieder wegen der Planung von Terroranschlägen auf Diskotheken, Flughäfen und US-Einrichtungen in Deutschland verantworten. 2010 werden sie zu bis zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.

    Juli 2006: Im Kölner Hauptbahnhof werden in zwei Regionalzügen Kofferbomben gefunden. Nur wegen eines falschen Gasgemischs waren sie nicht explodiert. Im Dezember 2008 wird der "Kofferbomber von Köln" zu lebenslanger Haft verurteilt.

    Dezember 2004: Mitglieder der kurdisch-irakischen Islamistengruppe Ansar al-Islam planen, Iraks Ministerpräsidenten Ijad Allawi während eines Deutschland-Besuches zu ermorden. Die Polizei hört ihre Telefongespräche ab und nimmt drei Männer fest. 2008 wird der Haupttäter zu zehn Jahren Haft verurteilt.

    April 2002: Der Polizei gehen mutmaßliche Anhänger der Al-Kaida nahestehenden Terrorgruppe Al-Tawhid ins Netz. Die Männer planten Angriffe auf das jüdische Gemeindezentrum in Berlin und jüdische Gaststätten in Düsseldorf. Sie werden zu Haftstrafen verurteilt.

    Die beiden in Leverkusen gefassten Salafisten hatten vermutlich den Pro-NRW-Vorsitzenden ausgekundschaftet. In der Bonner Wohnung fanden die Ermittler die Waffe und das Sprengmaterial. Es sollte untersucht werden. Möglich ist, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich zieht. Nach Informationen des ZDF aus Sicherheitskreisen sollen die Verdächtigen geplant haben, "zeitnah" Terroranschläge auszuführen.

    Razzien und Vereinsverbote gegen Salafisten

    Früher am Tag waren die Sicherheitsbehörden mit Razzien und Vereinsverboten gegen die Salafisten-Szene in NRW und Hessen vorgegangen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa in Berlin, es gebe keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der länderübergreifenden Razzia. Die möglichen Anschlagspläne zeigten aber, "dass es richtig und konsequent ist, gegen salafistische Vereine vorzugehen".

    Nach dem Bonner Fall hatten die Ermittler die salafistische Szene noch schärfer in den Blick genommen. Die Ermittlungen im Fall des Sprengsatzes auf dem Bahnhof hat der Generalbundesanwalt übernommen. Es wird in alle Richtungen ermittelt.

    Polizisten hatten am Mittwoch einen Vereinsraum und Wohnungen von Salafisten in Nordrhein-Westfalen und Hessen durchsucht. Sie stellten Laptops, Mobiltelefone, Dateien, Propagandamaterial und Bargeld sicher. Der Innenminister verbot die Vereinigungen "DawaFFM" und "Islamische Audios" - ebenso eine Teilorganisation der bereits 2012 aufgelösten Gruppierung "Millatu Ibrahim" namens "An-Nussrah". Ihnen wird vorgeworfen, sich gegen die Werteordnung des Grundgesetzes zu wenden, eine islamische Ordnung nach den Gesetzen der Scharia anzustreben und zur Gewalt gegen Andersgläubige aufzurufen.

    Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, sprach von einem "guten Tag für die Sicherheit in Deutschland". Die Gefährdung durch Salafisten habe in den vergangenen Jahren zugenommen: Ihre Zahl sei zuletzt von 3800 auf 4500 gestiegen. Sie seien nicht mehr nur in Gebetsräumen und im Internet aktiv, sondern auch mit Gewalttaten auf den Straßen. Zwischen Salafisten und Anhängern der Splitterpartei Pro NRW war es immer wieder zu Zusammenstößen gekommen.

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