Es war eine sorgfältige Inszenierung: Machthaber Kim Jong Un ließ zunächst Bilder davon veröffentlichen, wie er einen silbrig lackierten Gegenstand in Form einer überdimensionierten Erdnuss inspizierte, angeblich eine Wasserstoffbombe. Sonntagmittag koreanischer Zeit registrierten die Erdbebenwarten weltweit dann heftige Erschütterungen, die vom Atomtestgelände in Punggye Ri ausgingen. Die Bombe war den Messungen zufolge etwa zehnmal stärker als die Waffe, die beim letzten Test detonierte. Der sechste Atomtest Nordkoreas ist allen Warnungen zum Trotz ein Zeichen des deutlichen Fortschritts von Kims Nuklearprogramm.
Mit dem sechsten und bisher größten Atomtest seit 2006 fordert Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un offen den amerikanischen Präsidenten Donald Trump heraus, er ist aber auch ein Affront für die direkten Nachbarn China und Russland. Während die beim letzten großen Atomtest vor einem Jahr gezündete Bombe eine Explosionskraft von rund zehntausend Tonnen herkömmlichen Sprengstoffs erreicht hat, waren es diesmal über hunderttausend Tonnen. Das Staatsfernsehen verkündete am Sonntagnachmittag „einen vollen Erfolg“ bei dem Test einer „selbst entwickelten Bombe mit unvergleichlicher Vernichtungskraft“. Dank der vorhandenen Raketen ließen sich damit auch ferne Länder angreifen, sagte die Ansagerin voller Stolz.
Der neue Atomtest kommt in einer angespannten Lage und gilt als besonders gefährlicher Akt. US-Präsident Trump hat Kim bereits mit „Feuer und Verderben“ gedroht, wenn er die Provokationen fortsetze. Die USA befürchten, dass Nordkorea mit jedem Test seinem Ziel näherkommt, Raketen mit einem Atomsprengkopf zu bestücken, die bis auf US-Gebiet getragen werden können. Trump bezeichnete Nordkorea am Sonntag auf Twitter als „Schurkenstaat“, der eine Bedrohung für die USA darstelle und bei dem eine „Sprache der Beschwichtigung“ nicht funktioniere.
China wendet sich von Nordkorea ab
Nordkoreas letzter Unterstützer, China, verurteilte den Atomtest am Sonntagnachmittag daher auch ungewöhnlich deutlich. „Wir fordern atomare Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel“, erklärte das Außenministerium in Peking. Nordkorea solle den Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen Folge leisten. „Falsche Handlungen, die die Situation verschlimmern, sind zu unterlassen. Nur Dialog kann die Probleme lösen.“ China werde sich aktiv für den Abzug von Atomwaffen aus Korea einsetzen.
Für Chinas Präsident Xi Jinping kam die Provokation des Nachbarn zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Kommenden Monat findet in Peking ein richtungsweisender Kongress der Kommunistischen Partei statt – außenpolitischen Ärger kann Xi derzeit nicht gebrauchen. Xi sprach von „dunklen Schatten über der Sicherheitslage“.
Japans Premier Shinzo Abe kündigte „maximale Maßnahmen“ an, um Nordkorea zu stoppen. Ein Regierungssprecher dachte laut über die Möglichkeit eines totalen Handelsstopps mit Nordkorea nach. Bisher liefern China und Russland immer noch Öl in Kims Reich – jedoch weniger als vor Inkrafttreten der jüngsten Runde von Sanktionen.
Die japanische Luftwaffe hat Flugzeuge aufsteigen lassen, um Luftproben zu nehmen. Die Zusammensetzung der radioaktiven Elemente verrät Physikern, um was für eine Waffe es sich wirklich gehandelt hat. Bisher tippen Beobachter auf eine Atombombe, die mit einer Beiladung von Wasserstoff verstärkt ist. Eine echte Wasserstoffbombe ist technisch deutlich schwerer herzustellen und im Allgemeinen noch stärker als jene Bombe, die am Sonntag explodiert ist.
Vor einem „brandgefährlichen Spiel mit dem Untergang“ warnt der südkoreanische Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Seoul, Yoon Young Kwan. In jeder Runde werden die Drohungen ernster. Es drohe der Ausbruch eines Krieges, obwohl keine Seite ihn will und beide Seiten nur verlieren können.
Experte betont Schwere der Lage
Der Experte warnt vor einer verhängnisvollen Eskalation: „Sowohl die USA als auch Nordkorea müssen es vermeiden, sich gegenseitig in eine Ecke zu drängen, aus der es keinen gesichtswahrenden Ausweg mehr gibt.“ Er erinnert an die Kuba-Krise 1962. Der damalige Präsident John F. Kennedy habe keinen absoluten Sieg angestrebt, sondern Konzessionen gemacht: Er ließ auch US-Atomraketen aus der Türkei abziehen. Der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow stand damit gegenüber der eigenen Partei ebenfalls als Gewinner da und konnte zustimmen.
Doch kann es eine Deeskalation mit den nicht unbedingt berechenbaren Gegenspielern Trump und Kim geben? „Keiner von beiden scheint sich politisch sicher genug zu fühlen, um nachzugeben“, glaubt Yoon. Angesichts der enormen Risiken müssten sich andere Akteure stärker engagieren. Konkret müsse China endlich aus der Deckung kommen. Im Jahr 1994, auf dem Höhepunkt der ersten Atomwaffenkrise um Nordkorea, hatte Peking klargemacht, dass es Pjöngjang nicht unterstützen würde – und damit letztlich zum Nachgeben gebracht. China könne heute eindeutig erklären, dass Nordkorea im Konfliktfall auf sich allein gestellt sei, meint Yoon. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass Kim dann nachgebe – wenn Trump ihm eine gesichtswahrende Chance dazu gebe.
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