Es hätte großes Kino werden können: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un fährt an Bord eines gepanzerten Zuges in Moskau vor. Der Chef des letzten stalinistischen Regimes sollte die Feiern zum 70. Jahrestag des Siegs über Hitler-Deutschland mit seiner Teilnahme beehren. Viele Fragen gingen dem geheimnisumwitterten Mann mit der speziellen Frisur voraus, von dem nicht einmal das genaue Geburtsdatum bekannt ist. Wie würde er sich bei seinem Debüt auf internationalem Parkett machen, wie gesund wirkt er? Und nicht zuletzt: Welche Politiker würden sich mit ihm zusammen ablichten lassen? All diese Fragen bleiben nun unbeantwortet.
Das „Genie der Genies“, wie ihn sein Staatsfernsehen nennt, sagte nach Kremlangaben kurzfristig ab. „Innenpolitische Angelegenheiten“, hieß es wenig aufschlussreich zur Begründung. Berichte des südkoreanischen Geheimdienstes wiesen darauf hin, dass es sich bei diesen „Angelegenheiten“ um laufende Exekutionen wirklicher oder nur vermuteter Rivalen in Pjöngjang handeln könnte. Kim habe seit Anfang des Jahres 15 hochrangige Regierungsvertreter hinrichten lassen, weil sie die Politik des Regimes kritisiert hätten.
Speklulationen um Kim Jong Un reißen nicht ab
Pjöngjangs Informationspolitik trägt viel dazu bei, dass die Spekulationen um Kim und seine wahre Stellung ins Kraut schießen. Nordkorea ist eines der isoliertesten Länder der Welt. Das Regime lässt nur selten Blicke hinter die Kulissen zu. Allerdings ging man in Südkorea zuletzt davon aus, dass Kim – er soll erst Anfang 30 sein – seine Machtbasis durch eine Reihe „politischer Säuberungen“ schon ausreichend gefestigt haben könnte.
Wie dramatisch die Lage in Nordkorea ist, wollten Opfer des Regimes gerade in einer Sitzung der Vereinten Nationen darlegen. Ein nordkoreanischer UN-Diplomat störte deren Auftritt allerdings, indem er ungefragt eine Rede vortrug, in der er schwere Rassismus-Vorwürfe gegen die USA erhob. Trotz lautstarker Proteste setzte er seinen Vortrag ungerührt fort. Selbst Sprechchöre und die Androhung, ihn notfalls gewaltsam aus dem Saal zu befördern, konnten den Mann nicht stoppen. Erst nach sechs bizarren Minuten war er fertig – und verließ freiwillig den Raum. Die Schilderungen seiner Mitbürger hörte er nicht mehr. dpa, msti