Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) soll im vergangenen Jahr den USA einen Milliardendeal vorgeschlagen haben, um Sanktionen gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu verhindern. Das geht aus Dokumenten hervor, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Dienstag öffentlich gemacht hat.
Demnach soll Scholz am 7. August 2020 in einem persönlichen Schreiben dem damaligen US-Finanzminister Steven Mnuchin angeboten haben, den Import von flüssigem Erdgas aus den USA mit bis zu einer Milliarde Euro zu fördern, wenn die US-Regierung im Gegenzug auf Sanktionen gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 verzichte. Das Bundesfinanzministerium wollte sich am Dienstag auf Anfrage zu der Bekanntmachung nicht äußern.
DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kränner sprach von einem "Skandal" und einem "schmutzigen Deal auf Kosten Dritter". Aus dem in englischer Sprache verfassten Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, geht hervor, dass die Bundesregierung in Kooperation mit den Vereinigten Staaten den Aufbau von Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel fördern wollte. Gleichzeitig herrsche in Berlin große Sorge angesichts der angedrohten US-Sanktionen gegen das Erdgasprojekt Nord Stream 2, heißt es an mehreren Stellen. Deutschland erwarte, dass die USA den ungehinderten Bau und Betrieb von Nord Stream 2 ermöglichen und auch die bereits verabschiedeten Sanktionsgesetze zurücknehmen. Dafür sei die Bundesregierung bereit, flüssiges Gas aus den USA zu importieren. Über einige Inhalte des Schreibens hatte im vergangenen Jahr bereits die "Zeit" berichtet.
Der Bundesfinanzminister selbst kommentierte das Schreiben am Dienstag nicht. Aus Regierungskreisen hieß es, die Bundesregierung stehe "zu den US-Sanktionen und den Sanktionsdrohungen bezüglich Nord Stream 2 mit der US-Regierung in Kontakt". Diese Gespräche seien vertraulich. Darauf hatte auch Regierungssprecher Steffen Seibert im September des vergangenen Jahres, kurz nach der Veröffentlichung in der "Zeit", hingewiesen. Gleichzeitig hatte Seibert betont, dass Erdgas "ein wichtiger Energieträger" für Deutschland sei und dass Flüssiggas - auch LNG genannt (liquified natural gas) - eine "gewisse Rolle bei der Erreichung der nationalen, der europäischen und im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbarten Klimaziele" zukomme. Der Ausbau der Flüssiggasinfrastruktur in Deutschland sei auch im Koalitionsvertrag verankert.
Scharfe Kritik am Vorgehen des Bundesfinanzministers kam indes aus der Opposition. "Es ist völlig inakzeptabel, dass Olaf Scholz versucht, mit Steuergeldern US-Fracking-Gas in Deutschland zu vergolden und zugleich Nord Stream 2 von US-amerikanischen Sanktionen freikaufen möchte", schrieb der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven-Christian Kindler, in einer Stellungnahme.
Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen nannte es "geradezu sträflich, wie Vizekanzler Olaf Scholz Steuergelder in Milliardenhöhe für den subventionierten Bau von LNG-Terminals" angeboten habe. "Mit dreisten Erpressern macht man keine schmutzigen Geheimdeals, auch wenn sie im Weißen Haus oder im US-Senat sitzen", sagte Dagdelen.
Die Deutsche Umwelthilfe und andere Umweltaktivisten wehren sich seit Längerem sowohl gegen den Bau von Flüssiggas-Terminals in Deutschland als auch gegen die Fertigstellung von Nord Stream 2.
Die Ostsee-Pipeline soll einmal 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland befördern. Die USA und mehrere EU-Staaten sind gegen das fast fertige Milliardenprojekt, weil sie eine zu hohe Abhängigkeit von russischem Gas befürchten.
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