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Niedersachsen: Die Rache der Hinterbänklerin

Niedersachsen

Die Rache der Hinterbänklerin

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    Für die grüne Landtagsabgeordnete Elke Twesten steht fest: Ihre neue Heimat wird die CDU.
    Für die grüne Landtagsabgeordnete Elke Twesten steht fest: Ihre neue Heimat wird die CDU. Foto: Peter Steffen, dpa

    Als die Landtagsabgeordnete Elke Twesten vor die Mikrofone tritt, ist sie sich ihrer Sache sicher. Sie habe ihren Austritt bei den Grünen erklärt, ein Schritt, der ihr nicht leichtfalle, sagt die 54-Jährige am Freitag in Hannover. „Ich sehe meine politische Zukunft in der CDU“, fährt sie mit ruhiger Stimme fort und erläutert ihre Beweggründe. Selbstbewusst redet die blonde Frau im dunkelblauen Hosenanzug, die so kurz vor der Bundestagswahl eine Regierungskrise in Niedersachsen ausgelöst hat.

    Mit Twestens Wechsel ist die rot-grüne Landesregierung nach mehr als vier Jahren ihre Ein-Stimmen-Mehrheit los. Die CDU/FDP-Opposition könnte versuchen, an die Macht zu kommen. Statt zur ursprünglich am 14. Januar 2018 anstehenden Landtagswahl müssen die Niedersachsen nun wohl früher an die Urnen.

    Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) reagiert erbost. „Wenn eine Abgeordnete des niedersächsischen Landtags aus ausschließlich eigennützigen Gründen die Fraktion wechselt und damit die von den Wählern gewollte Mehrheit verändert, halte ich das persönlich für unsäglich und ich halte das für sehr schädlich für die Demokratie“, schimpft er. Tritt er nun zurück? Nein, sagt Weil: „Ich stelle mich jederzeit gerne dem Wählerwillen. Aber ich werde einer Intrige nicht weichen.“ Sein Plädoyer: eine Selbstauflösung des Parlaments und dann eine schnelle Neuwahl.

    Für die Frauenpolitikerin Twesten, die als Abgeordnete seit 2008 eher in den hinteren Reihen agierte, brachte der Streit um ihre Wiederaufstellung als Kandidatin „das Fass zum Überlaufen“ – so sagt sie es. Die Grünen hatten an ihrer Stelle im Frühsommer eine neue Direktkandidatin im Wahlkreis Rotenburg gewählt. Ein Grund dafür war wohl, dass sich Twesten in den Augen etlicher Grüner zu offen für eine Koalition mit der CDU gezeigt hatte. Sie selbst spricht von einem „längeren Entfremdungsprozess“.

    Nachdem ausgemachte Stolpersteine, kleinere Zänkeleien zwischen den Koalitionspartnern und mehrere Untersuchungsausschüsse Rot-Grün in Hannover nicht erschüttern konnten, hatte mit einem Wanken der Regierung wohl kaum noch jemand gerechnet. Umschifft hatten SPD und Grüne ihre konträren Ansichten etwa beim Autobahnbau. Auch Oppositionskritik am Ökokurs des Agrarministers oder an einem angeblich laschen Vorgehen des Innenministeriums gegen Islamisten hinterließ kaum Schaden. Für diesen sorgt nun mit Twesten jemand aus den eigenen Reihen.

    Und was bedeutet das Niedersachsen-Debakel für die Bundesparteien? Die CDU ereilt die unverhoffte Steilvorlage für den Wahlkampf noch halb im Sommermodus. Am Montag will Generalsekretär Peter Tauber Großplakate präsentieren. Nun macht er sich daran, das Drama von Hannover umzumünzen. Die Stoßrichtung: Rot-Grün kann es nicht, und zwar auch nicht als solide Regierungsoption für Berlin. „Jetzt auch in Niedersachsen: #schulzeffekt“, twittert Tauber in Anspielung auf den verpufften Umfrage-Höhenflug von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz.

    Für die SPD kommt das Manöver in Niedersachsen maximal ungelegen. Schulz tut sich ohnehin schon extrem schwer gegen Angela Merkel. Die Umfragewerte der SPD sind mies, die Koalitionsoptionen mehr als mau. Dass die Union nun neue Munition an die Hand bekommt, um gegen Rot-Grün zu wettern, ist für die Genossen extrem ungünstig. Führende SPD-Leute schäumen, das Wechselmanöver sei unanständig und nur von verletzten Eitelkeiten und persönlichem Karrieredenken einer einzelnen Abgeordneten getrieben.

    Twestens Verhalten sei „nicht nur Verrat an den Wählerinnen und Wählern, sondern auch Verrat an Rot-Grün“, postet Schulz bei Facebook. Und SPD-Generalsekretär Hubertus Heil – selbst ein Niedersachse – schimpft in Berlin in die Kameras: „Es ist ein Skandal, dass die CDU in Niedersachsen dieses schmutzige Intrigenspiel mitmacht und versucht, daraus politisches Kapital zu schlagen.“ Auch für die Bundesgrünen ist der Fall Twesten mehr als ärgerlich. Zuletzt gelang es der Parteispitze halbwegs erfolgreich, die alten Flügelkämpfe unterm Deckel zu halten – jetzt haben beide Seiten neue Argumente.

    Nun könnte es sein, dass in Niedersachsen noch parallel zur Bundestagswahl ein neuer Landtag gewählt wird. Den Wahlkampf mischt das ordentlich auf. (dpa)

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