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Niederlande: Große Erleichterung nach der Wahl in den Niederlanden

Niederlande

Große Erleichterung nach der Wahl in den Niederlanden

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    Rechtspopulist Geert Wilders (links) muss Mark Rutte den Vortritt lassen.
    Rechtspopulist Geert Wilders (links) muss Mark Rutte den Vortritt lassen. Foto: Daniel Reinhardt (dpa)

    Den Haag „Was für ein Abend!“ Mark Rutte spricht langsam, als wolle er jedes dieser Worte genießen. Es ist bereits nach Mitternacht am Donnerstagmorgen. Der Premierminister hat einen Wahlsieg eingefahren, den ihm niemand zugetraut hat. 33 der 150 Sitze kann der Chef der rechtsliberalen Regierungspartei VVD (21,3 Prozent) im künftigen Parlament beanspruchen. „Ein Fest für die Demokratie“, ruft Rutte seinen Anhängern zu.

    Niederländer feiern trotz Stimmenverlust an Wilders

    „Noch nie ist eine Wahlniederlage so sehr gefeiert worden“, sagt dagegen Professor Frieso Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien an der Universität Münster, am Tag danach in einem Rundfunkinterview. Aber niemand will etwas davon hören, dass auch Rutte rund fünf Prozent verloren hat. Es zählt nur eines: Der erfolgreichste Liberale Europas konnte seinen Herausforderer Geert Wilders nicht nur in Schach halten, sondern auch noch haushoch schlagen. 20 Sitze entfallen auf die rechtspopulistische Partei PVV (13,1 Prozent). Dass Wilders sogar noch gut drei Prozent zugelegt hat, geht im Freudentaumel all derer unter, die ihn verhindern konnten. Doch Wilders hat nicht verloren, sondern lediglich nicht gewonnen.

    Der niederländische Wähler hat gesprochen und die Demokratie in Europa sogar mit einem ganz und gar unbekannten Instrument bereichert: dem „Stembusstamper“, einen Wahlurnenstampfer. 80,4 Prozent der 13 Millionen Stimmberechtigten gingen zur Wahl – so viele, dass in einigen Lokalen die Urnen überliefen. Dann mussten tatsächlich die bereits abgegebenen Stimmzettel zusammengestampft werden, um Platz für weitere zu machen.

    Konflikt mit der Türkei verschaffte Mark Rutte Respekt

    Auf mehr als jedem fünften Zettel ist der Name Mark Rutte angekreuzt. Dabei hat der smarte niederländische Premier, der jetzt in die dritte Amtszeit geht, sein Volk wohl erst am vergangenen Wochenende überzeugt. „Er machte deutlich: Ich lasse mich nicht erpressen, will aber auch keinen Konflikt weiter eskalieren lassen“, beschrieb Wielenga den öffentlichen Eindruck, den viele Niederländer hatten. Eine Art Erdogan-Effekt, der dem Premier einen Achtungserfolg verschaffte, gerade weil er sich nach dem Rauswurf der beiden türkischen Minister aus dem Land auch um ein Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Binali Yildirim bemühte.

    Geert Wilders: Beruf und Leben

    Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders geht als einer der führenden Politiker in die Parlamentswahl am 15. März.

    Wilders wird am 6. September 1963 in Venlo geboren.

    Er absolviert eine Ausbildung bei der Sozialversicherung Amsterdam und Jura-Kurse an einer Fernuniversität.

    Von 1984 bis 1988 ist er Sachbearbeiter bei Sozialversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung.

    Von 1990 bis 1998 arbeitet er als Mitarbeiter bei der rechtsliberalen VVD-Fraktion (Volkspartei für Freiheit und Demokratie) in der Zweiten Kammer des Parlaments in Den Haag.

    Von 1998 bis 2004 ist er Abgeordneter in der Zweiten Kammer für die Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD).

    Von 2004 bis 2006 ist Wilders unabhängiger Abgeordneter nach Austritt aus der VVD.

    Seit 2006 ist Wilders Fraktionsvorsitzender der von ihm gegründeten Partei für die Freiheit (PVV), deren einziges Mitglied er ist. Andere Fraktionsmitglieder sind ausgesuchte Unterstützer.

    Wilders steht seit 2004 unter strengem Personenschutz. Er ist verheiratet, seine Frau kommt aus Ungarn.

    Während die Sozialdemokraten von 25 auf knapp sieben Prozent regelrecht abstürzten, explodierte die geballte Macht der Grünen. Ihr Spitzenkandidat Jesse Klaver, den manche vom Aussehen mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau vergleichen und der sich als attraktiver „Anti-Wilders“ inszenierte, kann mit seinen Parteikollegen nun 14 Sitze in der Volksvertretung beanspruchen – bisher waren es gerade mal vier.

    Kanzleramtschef Altmaier twittert auf holländisch

    Europa feiert den „zweiten Erfolg gegen Populisten seit der österreichischen Präsidentenwahl“, jubeln die europäischen Grünen. Peter Altmaier (CDU), Chef des Bundeskanzleramts, schickte seinen Jubelruf „Niederlande, du bist ein Champion“ sogar in der Landessprache via Twitter über die Grenze. Die Kanzlerin telefonierte mit Rutte, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gratulierte ebenfalls in großer Herzlichkeit. Was nur wenige sagen, aber alle hoffen: Steht so etwas wie eine Götterdämmerung und somit das Ende der europäischen Populisten bevor? Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) meint: „Ich bin sicher, das wird sich in Frankreich wiederholen.“

    Die Erleichterung über den gelungenen Start ins europäische Superwahljahr ist verständlich. Schließlich hatte Wilders sich nicht nur auf Parolen gegen Muslime und den Islam gestützt und Stimmung gegen Migranten jedweder Herkunft gemacht. Sondern er hatte auch die Möglichkeit eines „Nexit“ in den Raum gestellt, also eines Ausstiegs der Niederlande aus der EU und dem Euro.

    Alle aktuellen Entwicklungen zur Türkei finden Sie in unseren News-Blog: Türkei warnt vor "Religionskrieg" und Erdogan attackiert Europa

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