Das stolze deutsche Wort "Bauherr" hat einen miesen Klang bekommen. Wer heute ein Haus bauen will, wird rasch zum Bittsteller, manchmal gar zum Bettelnden - so sehr mangelt es an Fachkräften, welche die vielen gewünschten neuen Mauern hochziehen sollen. Die staatliche Förderbank KfW hat nun vorgerechnet, dass in Deutschland bis zu 250.000 Fachkräfte im Handwerk fehlen, obwohl das Handwerk doch gerade so goldenen Boden haben könnte. Der schwäbische Handwerkspräsident Hans-Peter Rauch sagte meinem Wirtschaftskollegen Michael Kerler gar, auf regionale Bauaufträge meldeten sich oft gar keine Anbieter mehr, weil sie wissen: sie finden eh nicht genug Mitarbeiter. Wie der selbst verordnete Baustopp uns lähmt, lesen Sie hier.
Fachkräfte fehlen: Es klemmt beim Wohnungsbau
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Eben diese Zahlen haben Bayerns Wirtschaftsvertreter übrigens im Gepäck, wenn sie Politikern in München oder Berlin vorrechnen, warum eine rein restriktive Migrationspolitik sich nicht rechnet für den alternden Wirtschaftsriesen Deutschland. Auch Siemens-Chef Joe Kaeser ist kein Ideologe, sondern ein kühler Industrie-Titan - und sagte nun dem Bayerischen Rundfunk, wenn Nationalismus und Rassismus gesellschaftsfähig würden in Deutschland, sei das ökonomische Selbstverstümmelung. Der Mann operiert in über 200 Ländern und ist Chef von fast 380.000 Mitarbeitern - aber er macht sich auch Gedanken über die Gesellschaft, aus der er stammt. Verantwortliches Management à la Kaeser ist ein Geschäftsmodell, das funktioniert.
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Gerade debattiert das politische Berlin Sommerpausen-erhitzt, ob sich Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen mit AfD-Vertretern treffen durfte oder dadurch die Neutralität seines Amtes gefährdete. Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland sagte derweil in einem bemerkenswerten ZDF-Sommerinterview, Klimapolitik habe keinen Sinn, denn der Mensch habe auf das Klima kaum einen Einfluss - und zum Mega-Transformationsthema Digitalisierung fiel Gauland kein Programm seiner Partei ein, damit kenne er sich nicht aus. Darf der Verfassungsschutz eigentlich auch Partei-Inhalte auf ein Mindestniveau untersuchen?
Verfassungsschutz-Präsident Maaßen weist Nähe zur AfD zurück
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Andreas Rettig, früher Fußballmanager in Köln und Augsburg, nun in St. Pauli, ist das, was man gerne einen "Typen" nennt, einer mit eigener Meinung im oft auf maximale Anpassung getrimmten Fußballbetrieb. Und genau solche Typen vermisst Rettig im Nachgang zu der endlosen Özil-Debatte im Fußball unter den jüngeren Spielern - und sieht Vereinsbosse wie sich selbst mit in der Verantwortung. Er sagt: "Wir haben dem Nachwuchsspieler auch die Unterhosen gebügelt... er hat das Rundum-sorglos-Paket gebucht und wir haben vergessen, ihn am realen Leben teilnehmen zu lassen." Das nenne ich mal eine Spielanalyse. Das ganze sturmstarke Interview lesen Sie hier.
Rettig warnt die Liga: „Gegen Oligarchen kann man nicht gewinnen“
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Der FC Augsburg muss ab kommender Woche aber vor allem wieder spielen, dann geht es im DFB-Pokal los. Die Generalprobe gegen Athletic Bilbao, spanischer Erstligist, ging gerade mit 0:1 verloren. Das Spiel war mäßig spannend, aber spannend fand ich: Trainer Manuel Baum hat sich nach dem Abgang von Marwin Hitz noch nicht für eine neue Nummer eins entschieden, Andreas Luthe und Fabian Giefer ringen um den Stammplatz im Tor. SECHS um 6 mag den sportlichen Wettbewerb und drückt daher beiden engagiert die Daumen.
FCA verliert die Generalprobe gegen Athletic Bilbao
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Den Daumen drücken muss man auch an den klassischen Gaststätten in Bayern, sind sie nicht ein rasant aussterbendes Geschäft? Dachte ich, bis ich unser Interview mit Angela Inselkammer las, der ersten Frau an der Spitze des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes. Sie hat voller Gastfreundschaft die Initiative "Stammtisch 4.0" ins Leben gerufen und sagt: "Es wird in 20 Jahren noch mehr Stammtische geben - menschliche Nähe wird im digitalen Zeitalter immer wichtiger." Ich hatte nach der Lektüre des Interviews spontan Lust, mich an einen Stammtisch zu setzen.
Gaststätten-Chefin: „In 20 Jahren gibt es mehr Stammtische“