- Das Gipfeltreffen mit Vertretern der EU Ende März hat in den wichtigen Streitfragen keine Annäherung gebracht. Die Türkei will aber am Ziel des EU-Beitritts festhalten.
- Bei der Militäroffensive in Nordwestsyrien hat die türkische Armee eigenen Angaben zufolge die Region Afrin vollständig unter ihre Kontrolle gebracht.
Türkei und Erdogan: News im Blog
16. April: Merkel und Erdogan telefonieren zum Thema Syrien
Nach dem Militärschlag westlicher Staaten in Syrien haben der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Bundeskanzlerin Angela Merkel miteinander telefoniert. Sie hätten sich über Möglichkeiten ausgetauscht, den politischen Prozess in Syrien voranzutreiben, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montagabend mit. "Sie waren sich einig, dass dies von besonderer Dringlichkeit sei." Merkel und Erdogan besprachen demnach auch die bilateralen Beziehungen.
Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete zuvor, die beiden hätten in ihrem Gespräch betont, dass die Einheit Syriens gewahrt werden müsse. Beiden stimmten zudem überein, dass klare Schritte unternommen werden müssten, um eine politische Lösung für das Bürgerkriegsland voranzutreiben.
Die USA hatte in der Nacht zum Samstag gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien Ziele in Syrien angegriffen. Die Länder reagierten damit nach eigener Darstellung auf den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg, für den sie Syriens Präsidenten Baschar al-Assad verantwortlich machen.
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Oppositionelle protestieren gegen Ausnahmezustand in Türkei
Anhänger der größten Oppositionspartei in der Türkei haben in Dutzenden Städten gegen den Ausnahmezustand protestiert. Die Mitte-Links Partei CHP organisierte am Montag nach eigenen Angaben in allen 81 Provinzen des Landes Demonstrationen, um die Aufhebung des Notstands zu fordern, der nach dem Putschversuch vom Juli 2016 verhängt wurde. Auf der zentralen Einkaufstraße in Istanbul versammelten sich Hunderte Demonstranten und skandierten "Recht, Justiz, Gerechtigkeit." Einige hielten Schilder mit den Aufschriften "Freiheit" und "Hebt den Ausnahmezustand auf."
Der Ausnahmezustand läuft ohne Verlängerung am Donnerstag aus. Voraussichtlich wird das Parlament, in dem die islamisch-konservative AKP eine Mehrheit hat, zuvor aber erneut einer weiteren dreimonatigen Verlängerung zustimmen. Nach Ablauf dieser Zeit wäre die Türkei damit zwei Jahre im Ausnahmezustand. Unter dem Notstand sind die Grundrechte eingeschränkt. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kann zudem Dekrete erlassen, die nicht vor dem Verfassungsgericht anfechtbar sind.
Die AKP-Regierung rechtfertigt die ständigen Verlängerungen mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Eine 52 Jahre alte CHP-Anhängerin sagte der Deutschen Presse-Agentur bei dem Protest, das Terrorismus-Argument sei nur ein "Vorwand", um den Ausnahmezustand immer wieder zu verlängern und die Menschen damit von Demonstrationen abzuhalten. "Wir wollen Demokratie, wir wollen unsere Rechte", sagte sie.
Die türkische Führung macht den in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Die Behörden gehen seitdem gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger, aber auch gegen Oppositionelle vor. Zehntausende Menschen wurden wegen angeblicher Gülen-Verbindungen inhaftiert. Mehr als 150.000 Staatsbedienstete wurden suspendiert oder entlassen. Zudem wurden zahlreiche Medien und Vereine per Dekret geschlossen.
15. April: Medien: EU-Kommission stellt Türkei in Länderbericht verheerendes Zeugnis aus
Die EU-Kommission hat der Türkei in ihrem neuen Fortschrittsbericht ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Die Türkei habe "große Schritte von der EU weg gemacht", heißt es in dem Bericht zum Stand der Beitrittsverhandlungen, den die Kommission am Dienstag vorstellen will und aus dem die Welt am Sonntag und die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Wochenende zitierten. Brüssel bemängelt demnach "gravierende" Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz.
"Unter den derzeit vorherrschenden Umständen wird die Öffnung neuer Verhandlungskapitel nicht in Betracht gezogen", erklärt die Kommission laut den Funke-Zeitungen in dem Bericht. Die Türkei müsse vor allem den seit fast zwei Jahren geltenden Ausnahmezustand "ohne Verzögerung aufheben". Der Ausnahmezustand, der nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 verhängt worden war, beschneide die Schlüsselfunktion des Parlaments als Gesetzgeber und greife substantiell in Bürgerrechte und politische Rechte ein.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuletzt Ende März bekräftigt, dass Ankara weiter einen EU-Beitritt anstrebt. Die EU-Experten bescheinigen seiner Regierung laut der WamS aber einen "ernsthaften Rückfall in den Bereichen Justiz, öffentlicher Verwaltungsreform, Grundrechten und Meinungsfreiheit". Hinzu kämen weitere Rückfälle "in einer steigenden Zahl von anderen Bereichen".
Seit dem bisher letzten Bericht der EU-Kommission im November 2016 habe es eine "fortgesetzte deutliche Verschlechterung in wichtigen Bereichen der Menschenrechte gegeben". Die Kommission kritisiert vor allem die Maßnahmen nach dem Putschversuch, deren "Unverhältnismäßigkeit" weiterhin "ernsthafte Sorgen" bereite.
14. April: Türkei lobt westliche Angriffe in Syrien
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Luftangriffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs auf Syrien nachdrücklich unterstützt. Erdogan sprach am Samstag bei einer Versammlung seiner Regierungspartei AKP in Istanbul von einer "angemessenen" Antwort der westlichen Staaten auf die "unmenschlichen Angriffe" der syrischen Armee. Der Einsatz von Chemiewaffen gegen syrische Kinder könne nicht hingenommen werden.
Erdogan hatte am Samstag nach den Luftangriffen auch mit der britischen Premierministerin Theresa May telefoniert. Auch mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wollte er nach eigenen Aussagen noch sprechen. Bei dem Gespräch mit May machte er nach Angaben aus seinem Umfeld deutlich, dass ein Frieden in Syrien nur durch eine "politische Lösung" zu erreichen sei.
Die Türkei ist ein Gegner der syrischen Staatsführung unter Machthaber Baschar al-Assad und unterstützt Rebellen, die für dessen Sturz kämpfen. In den vergangenen Monaten arbeitete die Türkei allerdings eng mit dem engsten Assad-Verbündeten Russland zusammen, um eine politische Lösung für den Syrien-Konflikt zu erreichen.
Türkei will für Visumfreiheit Gesetze ändern
Die Türkei ist nach Angaben ihres EU-Botschafters bereit, für eine Visa-Liberalisierung mit der Europäischen Union weitere Gesetze zu ändern. "Wir müssen ein paar Änderungen bei einigen Gesetzen durchführen, die wir bereits vorbereitet und vorgeschlagen haben", sagte Faruk Kaymakci am Freitag dem ARD-Studio Brüssel. Das könne sehr schnell gehen.
Die Aussicht auf eine Visumfreiheit für türkische Staatsbürger in der EU ist Teil des im März 2016 abgeschlossenen Flüchtlingsabkommens zwischen der Regierung in Ankara und Brüssel. Für die Visa-Liberalisierung muss die Türkei jedoch 72 Kriterien erfüllen. Größter Streitpunkt ist bislang die von der EU geforderte Reform von umstrittenen Terrorgesetzen. Die derzeitigen Gesetze können nach Brüsseler Einschätzung auch zur Verfolgung von Journalisten und Andersdenkenden missbraucht werden.
Aus EU-Kreisen hieß es zuletzt, die von der Türkei vorgeschlagenen Gesetzesänderungen seien vermutlich nicht ausreichend, um genügend Sicherheit zu haben, dass Journalisten nicht mehr verfolgt werden können. Juristische Überprüfungen dauerten aber noch an.
13. April: Türkei: 73-jährigem inhaftierten Deutschen "geht es schlecht"
Die Angehörigen eines in der Türkei unter Terrorvorwürfen inhaftierten 73-jährigen Deutschen sorgen sich um dessen verschlechterten Gesundheitszustand. Ihr Vater Enver Altayli leide an einer Schilddrüsen-Überfunktion, sagte die Tochter Zehra Der am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul.
"Die Medikamente schlagen nicht mehr an, seine Werte sind sehr schlecht", sagte sie. Ärzte befürchteten, dass die erhöhten Werte "unter anderem zu schwerwiegenden lebensbedrohlichen Herzproblemen" führen könnten.
Vermutlich weiterer Deutscher in der Türkei festgenommen
In der Türkei soll ein weiterer deutscher Staatsbürger festgenommen worden sein. Die bis zum Dezember in der Türkei inhaftierte Journalistin Mesale Tolu schrieb am Freitag auf Twitter, Adil Demirci "ist sowohl türkischer als auch deutscher Staatsbürger und war nur zum Urlaub in der Türkei". Aus dem Auswärtigen Amt hieß es: "Wir gehen derzeit von einer Festnahme Adil Demircis aus. Eine Bestätigung der türkischen Behörden über eine Festnahme steht aber noch aus." Das Auswärtige Amt machte keine Angaben dazu, welche Staatsbürgerschaften Demirci besitzt.
Aus dem Außenministerium hieß es weiter: "Das Generalkonsulat versucht, mit Herrn Demirci in Kontakt zu treten, um ihn konsularisch betreuen zu können. Das Generalkonsulat steht mit der Familie und den türkischen Behörden in Kontakt."
Tolu teilte auf Twitter mit, Demirci gehöre zu drei Mitarbeitern der linken Agentur Etha, die in der Nacht zu Freitag in Istanbul festgenommen worden seien. Auch Tolu arbeitete bis zu ihrer Inhaftierung für die Etha. Sie war im Dezember aus der U-Haft entlassen worden, darf die Türkei aber nicht verlassen.
Aus Demircis Umfeld hieß es, der Betroffene lebe in Köln und sei Sozialwissenschaftler. Er wäre eigentlich am Samstag zurück nach Deutschland gereist. Demirci habe frei aus Deutschland für die Etha berichtet. Auf der Internsetseite des Jugendmigrationsdienstes Remscheid wird Demirci als Kontaktperson geführt.
12. April: Flucht aus Deutschland: Syrer gehen in die Türkei
Syrische Flüchtlinge, die mit einem gültigen Aufenthaltsstatus in Deutschland leben, verlassen offenbar zunehmend die Bundesrepublik. Dies hätten gemeinsame Recherchen ergeben, berichteten am Donnerstag das ARD-Politikmagazin "Panorama" und das Reporterformat "STRG_F" von funk. Als Grund würden viele Syrer die erschwerte Familienzusammenführung nennen.
Den Berichten zufolge reisen viele Flüchtlinge illegal und auf zum Teil riskanten Routen in die Türkei, da sie kein Visum für die Ausreise in die Türkei erhalten. Oftmals nehmen sie demnach die Hilfe von Schleusern in Anspruch.
In sozialen Netzwerken wie Facebook gebe es inzwischen Gruppen, in denen sich tausende Syrer über die "umgekehrte Flucht" austauschen. Auch Informationen über Schleuser und Preise würden darin genannt. So koste eine Überfahrt über den Grenzfluss Evros, der Griechenland von der Türkei trennt, etwa 200 Euro.
Die Reporter recherchierten im griechisch-türkischen Grenzgebiet und begleiteten mehrere Syrer auf ihrem Weg in die Türkei. Sie interviewten auch Schleuser, die diesen Trend bestätigen. Einer erklärte demnach, er bringe täglich bis zu 50 Menschen zurück aus Europa in die Türkei, hauptsächlich syrische Flüchtlinge, die in Deutschland einen Aufenthaltsstatus hätten. Ein anderer Schleuser sagte, inzwischen hole er mehr Flüchtlinge aus Europa zurück als umgekehrt.
Der Repräsentant des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland, Dominik Bartsch, sagt "Panorama", er habe bereits von solchen Fällen gehört, ohne diese quantifizieren zu können. Die Tatsache, dass Flüchtlinge auf derselben Route, auf der sie ursprünglich nach Deutschland gekommen seien, wieder zurückgingen, sei "paradox". Dass der einzelne so ein Risiko eingehe, zeige auch den hohen Schutzwert der Familie. Dem werde Deutschland nicht gerecht.
Viele der Flüchtlinge aus Syrien, mit denen das UNHCR gesprochen habe und die subsidiären Schutzstatus hätten, seien darüber informiert worden, dass der Familiennachzug ab dem Stichtag März 2018 stattfinden könne, sagte Bartsch. "Diese Flüchtlinge fühlen sich natürlich im Stich gelassen. Denn diese Nachricht haben sie sogar schriftlich bekommen."
11. April: Türkei an Russland und USA: "Straßenkampf" beenden
Der türkische Ministerpräsident hat Russland und die USA angesichts gegenseitiger Drohungen im Syrienkrieg dazu aufgerufen, den "Straßenkampf" zu beenden. "Was tun sie? Sie drohen einander indem sie Tweets posten", sagte Binali Yildirim nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch in Istanbul. Jeder gebe vor, die besseren Raketen zu haben. "Das ist ein Straßenkampf. Sie streiten wie Straßenflegel", sagte Yildirim.
US-Präsident Donald Trump Russland hat wegen des mutmaßlichen Giftgasangriffs in Syrien via Twitter mit einem Raketenangriff auf das Bürgerkriegsland gedroht. Der russische Botschafter im Libanon, Alexander Sassypkin, hatte zuvor erklärt, dass Russland jegliche US-Rakete auf syrischem Hoheitsgebiet abfangen werde. Moskau unterstützt die syrische Regierung von Baschar al-Assad.
10. April: Nach Demo: Strobl weist Kritik von türkischer Regierung zurück
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat Kritik der türkischen Regierung nach der angeblichen Misshandlung eines türkischstämmigen Demonstranten in Stuttgart zurückgewiesen. "Ich stehe hinter unserer Polizei und ihrer Arbeit", sagte er der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten (Mittwoch). Das Verfahren in dem vorliegenden Fall laufe, wie sich das in einem Rechtsstaat gehöre, so Strobl. Das beinhalte, dass staatliches Handeln regelmäßig durch unabhängige Instanzen überprüft werde.
Die türkische staatliche Nachrichtenagentur Anadolu hatte gemeldet, ein Demonstrant sei von der Polizei "misshandelt" worden, als er gegen eine Demonstration von "Anhängern der separatistischen Terrororganisation" in Stuttgart protestiert habe. "Ich verurteile hier scharf die deutsche Polizei, die nicht Gewalt an Terroristen, sondern an unserem Bürger angewendet hat, der sich den Terroristen widersetzt hat", sagte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim am Montag in Ankara. Auch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan übte Kritik an der Stuttgarter Polizei.
Erdogan weist Forderungen Russlands nach Abzug aus Afrin zurück
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Forderungen Russlands nach einer Rückgabe der nordsyrischen Region Afrin an die Regierung in Damaskus scharf zurückgewiesen. "Dies ist ein sehr falscher Ansatz", sagte Erdogan am Dienstag laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu. "Wir werden Afrin an seine Einwohner zurückgeben, wenn die Zeit gekommen ist, doch entscheiden wir über den Zeitpunkt, nicht Herr Lawrow."
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte am Montag gesagt, die einfachste Weise, die Situation in Afrin zu normalisieren, wäre es, die Region "der Kontrolle der syrischen Regierung zurückzugeben". Russland hatte die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) bereits zum Beginn der türkischen Offensive im Januar gedrängt, Afrin an Damaskus zu übergeben, doch hatten sie dies abgelehnt.
Türkische Regierung kritisiert Stuttgarter Polizei nach Demo
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hat nach der angeblichen Misshandlung eines türkischstämmigen Demonstranten in Stuttgart Kritik an der Polizei geübt. "Ich verurteile hier scharf die deutsche Polizei, die nicht Gewalt an Terroristen, sondern an unserem Bürger angewendet hat, der sich den Terroristen widersetzt hat", sagte Yildirim am Montag in Ankara. Die Stuttgarter Polizei wies die Vorwürfe zurück.
Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, der Betroffene sei von der Polizei "misshandelt" worden, als er gegen eine Demonstration von "Anhängern der separatistischen Terrororganisation" protestiert habe. Gemeint sind die auch in Deutschland verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und ihr syrischer Ableger YPG.
Ein Sprecher der Stuttgarter Polizei sagte, am Rande einer Demonstration von 30 Kurden sei es am Samstag zu Beleidigungen und Handgreiflichkeiten gekommen. Ein 39 Jahre alter Deutscher türkischer Herkunft sei als Provokateur ausgemacht und von der Polizei zur Feststellung der Personalien festgehalten worden. Da er sich widersetzt habe, sei er "zu Boden gelegt" worden. Der Mann sei "mitnichten misshandelt" worden. Er werde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angezeigt.
Auf einem vom Sender CNN Türk ausgestrahlten Handyvideo sagt ein Mann, der auf dem Boden liegt und dort von Polizisten festgehalten wird, auf Türkisch unter anderem "Erdogan bis zum Tod" und "Wir lieben den Anführer". Derjenige, der die Handykamera bedient, sagt: "Bruder, ich nehme das auf und schicke es in die Türkei."
9. April: Türkische Währung stürzt ab - ein Euro erstmals mehr als 5 Lira wert
Der Kurs der türkischen Landeswährung Lira fällt von einem Rekordtief zum nächsten. Am Montag war ein Euro zwischenzeitlich erstmals in der Geschichte mehr als 5 Lira wert. Auch im Verhältnis zum US-Dollar erreichte die türkische Währung ein neues Rekordtief. Ein Dollar kostete bis zu 4,07 Lira. Seit geraumer Zeit fällt der Kurs der Lira stark. Experten führen dies vor allem auf das hohe türkische Leistungsbilanzdefizit sowie die niedrigen Realzinsen, also die Zinsen abzüglich der Inflation, zurück.
Obwohl sich das Wirtschaftswachstum zuletzt robust entwickelte, tritt die türkische Notenbank dem niedrigen Realzins nicht durch deutliche Zinserhöhungen entgegen. Sie folgt damit immer wieder geäußerten Forderungen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Experten warnen vor einer Überhitzung der Wirtschaft, also einer durch günstige Kredite zu hohen Produktion, die die Nachfrage übersteigt und in eine Stagnation oder gar Rezession führen kann.
8. April: Türkei macht Damaskus für mutmaßlichen Giftgasangriff verantwortlich
Die Türkei hat die syrische Regierung für den mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma in der Region Ost-Ghuta verantwortlich gemacht und die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufgefordert. "Wir hoffen, dass der Chemieangriff der syrischen Führung dieses Mal nicht unbeantwortet bleibt", teilte Regierungssprecher Bekir Bozdag auf Twitter mit. Die syrische Führung sei vor allem für das "Menschlichkeitsverbrechen" verantwortlich, Schuld hätte aber auch diejenigen, die "diese Gräueltat nicht verhindert haben".
Der Sprecher von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, hatte zuvor gesagt, dass alle Angriffe gegen unschuldige Menschen ein Verstoß gegen internationales Recht seien. "In diesem Zusammenhang muss das syrische Regime für solche Angriffe, die es in vielen Teilen des Landes zu unterschiedlichen Zeiten durchgeführt hat, zur Rechenschaft gezogen werden". Um zukünftig "Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien" zu verhindern, müssten die internationale Gemeinschaft und insbesondere Länder mit Einfluss auf das syrische Regime handeln, teilte Kalin mit.
7. April: Erdogan greift nach Vorfall von Münster Macron an
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat anscheinend den tödlichen Vorfall in Münster für einen verbalen Angriff auf den französischen Amtskollegen Emmanuel Macron genutzt. "Da, Ihr seht doch, was die Terroristen in Deutschland machen, oder?", sagte Erdogan am Samstag im westtürkischen Denizli nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. "Das wird auch in Frankreich geschehen. Ihr werdet sinken, solange der Westen diese Terroristen nährt."
Kurz zuvor war in Münster ein Kleintransporter in eine Menschenmenge gerast, es gab mehrere Verletzte und Tote. Die Sicherheitsbehörden gehen nach ersten Erkenntnissen nicht von einem Terroranschlag aus. Erdogan schien sich auf diesen Vorfall zu beziehen, nannte allerdings weder weitere Details noch die Stadt Münster. Hintergrund für Erdogans Angriff auf Macron ist, dass dieser kürzlich eine Delegation mit Vertretern der syrischen Kurdenmiliz YPG im Elysée-Palast empfangen hatte. Erdogan sagte: "Frankreich, Du leistest dem Terrorismus Beihilfe, unterstützt ihn und empfängst dann Terroristen im Elysée-Palast." Frankreich werde die Geißel des Terrorismus auf diese Art nicht loswerden.
6. April: Vier Tote bei Schießerei an türkischer Universität
Bei einer Schießerei an einer türkischen Universität sind am Donnerstag vier Menschen getötet worden. Ein Mitarbeiter der Osmangazi Universität in der westtürkischen Stadt Eskisehir habe den Vizedekan, zwei Dozenten und einen Sekretär erschossen, berichteten türkische Medien. Er sei später festgenommen worden und werde verhört. Der Universitätsrektor Hasan Gönen sagte, der Schütze habe "psychologische Probleme".
Die Nachrichtenagenturen Dogan und Anadolu berichteten, dass es sich bei dem Angreifer um einen wissenschaftlichen Mitarbeiter an der pädagogischen Fakultät handele. "Wir werden eine Untersuchung zu dem Forscher starten", sagte Gönen dem Sender CNN-Türk. Er sei "eine problematische Person" gewesen und habe womöglich aufgrund "psychologischer Probleme" gehandelt.
Hinweise auf Verbindungen zu Terrorgruppen lägen nicht vor, sagte der Rektor. Er sagte aber, der Angreifer habe mehrere Universitätsmitarbeiter beschuldigt, Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen zu sein, dessen Bewegung für den Putschversuch von Juli 2016 verantwortlich gemacht wird und seit Jahren von der Regierung verfolgt wird.
Die Unimitarbeiterin Ayse Aypay sagte CNN-Türk, es habe in der Vergangenheit zahlreiche Klagen über den Angreifer gegeben. Aypay warf ihm "Lügen" vor und beschuldigte ihn, selbst ein Gülen-Anhänger zu sein. Auch der Dekan der Fakultät, Cemil Yücel, beschrieb den Angreifer in einem Video als "gestört" und sagte, viele Leute hätten sich über ihn beklagt.
Laut Gönen drang der mit einer Handfeuerwaffe bewaffnete Schütze zunächst in das Büro des Dekans ein, den er dort jedoch nicht vorfand. Daraufhin habe er vier Fakultätsmitarbeiter erschossen, bevor er die Flucht ergriff. Die Polizei habe ihn jedoch gestellt und festgenommen, sagte der Rektor. Es werde geprüft, wie er mit einer Waffe in die Universität gelangen konnte.
Der Gouverneur von Eskisehir, Özdemir Cakacak, zeigte sich "extrem traurig" über die Gewalttat und erklärte, die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen eingeleitet. Eskisehir ist eine Stadt von einer Million Einwohner zwischen Istanbul und Ankara. In der Türkei sind nicht politisch motivierte Angriffe mit Schusswaffen selten, doch steigt die Zahl der Schusswaffen seit Jahren stark an.
5. April: Erdogan verklagt Oppositionsführer erneut auf Schmerzensgeld
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu zum zweiten Mal innerhalb einer Woche auf Schmerzensgeld verklagt. Erdogan fordere 500.000 Lira (rund 100.000 Euro), weil er seine Persönlichkeitsrechte verletzt sehe und Kilicdaroglu sich beleidigend geäußert habe, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Grund sei eine Rede Kilicdaroglus vom Dienstag vor der Fraktion seiner Mitte-Links Partei CHP in Ankara. Auf welche Äußerungen sich die Klage genau bezieht, war unklar.
Kilicdaroglu hatte Erdogan am Dienstag jedoch erneut vorgeworfen, der politische Arm der Gülen-Bewegung zu sein. Für diese Äußerung hatte Erdogan den Oppositionsführer in der Woche zuvor auf umgerechnet rund 50.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Die türkische Führung macht die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Erdogan und Gülen waren bis zum offenen Bruch 2013 Verbündete.
Türkei an Verfolgung von Gülen-Anhängern in 18 Ländern beteiligt
Der türkische Geheimdienst (MIT) war nach Regierungsangaben in 18 Ländern an der Rückführung von türkischen Staatsbürgern und mutmaßlichen Gülen-Anhängern beteiligt. "Der MIT hat bislang 80 Fetö-Anhänger aus 18 Ländern eingepackt und in die Türkei gebracht", sagte Regierungssprecher Bekir Bozdag dem Sender Habertürk. Als Fetö (Fetullahistische Terrororganisation) bezeichnet Ankara die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen. Bozdag sagte weiter, die MIT-Operationen im Ausland seien ein "großer Schlag" gegen die Gülen-Bewegung. Wie genau diese Aktionen vonstatten gingen, sagte er nicht.
Ende März waren sechs türkische Lehrer und mutmaßliche Gülen-Anhänger aus dem Kosovo ohne Wissen des kosovarischen Regierungschefs in die Türkei abgeschoben worden. Der damalige Innenminister Flamur Sefaj, dessen Ministerium die Abschiebung veranlasst hatte, musste daraufhin gehen. Außerdem wurde der kosovarische Geheimdienstchef entlassen. Nacht türkischen Angaben war auch der MIT an der Aktion beteiligt. Bozdag sagte dazu: "Die Ereignisse im Kosovo sind ein großer Erfolg. Der MIT wird ähnliche Operationen wie im Kosovo fortsetzen."
4. April: Erdogan, Ruhani und Putin für "dauerhafte Waffenruhe" in Syrien
Bei einem Syrien-Gipfel in Ankara haben sich die Präsidenten der Türkei, des Iran und Russlands am Mittwoch für eine "dauerhafte Waffenruhe" in dem Bürgerkriegsland ausgesprochen. Recep Tayyip Erdogan, Hassan Ruhani und Wladimir Putin bekräftigten zudem ihre Entschlossenheit, sich für den Schutz der Zivilbevölkerung in den eingerichteten Deeskalationszonen einzusetzen. Konkrete Schritte dazu verkündeten sie aber nicht.
In ihrer Abschlusserklärung bekräftigten die drei Staatsführer "ihre Entschlossenheit, aktiv in Syrien zu kooperieren, um zu einer dauerhaften Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien zu gelangen". Russland, der Iran und die Türkei sind selbst militärisch in Syrien aktiv, doch setzen sie sich seit Januar 2017 im sogenannten Astana-Prozess für ein Ende der Kämpfe ein.
Bei den Astana-Gesprächen wurde die Einrichtung von vier Deeskalationszonen vereinbart, in denen eine Waffenruhe zwischen Rebellen und Regierungstruppen gelten soll. Allerdings wurden diese Waffenruhen kaum eingehalten und in der Deeskalationszone in Ost-Ghuta sind die Rebellen nach einer wochenlangen Offensive der Regierungstruppen zum Abzug gezwungen.
Erdogan trifft Putin und Ruhani zum Syrien-Gipfel in Ankara
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich mit seinen russischen und iranischen Amtskollegen zum Syrien-Gipfel in Ankara getroffen. Das meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch. Bei dem Dreiergipfel will Erdogan mit Kremlchef Wladimir Putin und dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani trotz gegensätzlicher Positionen über die Lage im Kriegsland Syrien beraten. Russland und der Iran unterstützen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, die Türkei oppositionelle Kräfte.
Bei dem Treffen soll es nach Angaben aus türkischen Regierungskreisen um die sogenannten Deeskalationszonen, die humanitäre Lage und die Bemühungen um eine neue Verfassung für Syrien gehen. Kritiker werfen den drei Staaten vor, für die anhaltende Gewalt in Syrien mitverantwortlich zu sein.
Die Bundesregierung sieht den Dreier-Gipfel skeptisch. Bei ähnlichen Treffen in der Vergangenheit sei immer wieder von Maßnahmen wie der Einrichtung von Deeskalationszonen die Rede gewesen, "die dann nicht eingetreten sind", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin. Gleichzeitig appellierte er an alle Mächte mit Einfluss in Syrien, für eine Waffenruhe in dem Kriegsland zu sorgen.
Türkei will Handel mit Russland deutlich ausbauen
Die Türkei will den Handel mit Russland deutlich ausbauen und künftig noch mehr russische Touristen ins Land locken. Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Dienstagabend nach einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Ankara, das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern habe im vergangenen Jahr um 32 Prozent auf 22 Milliarden Dollar zugenommen. Ziel sei es, dieses Volumen auf 100 Milliarden Dollar zu steigern. Einen Zeitrahmen dafür nannte Erdogan nicht.
Der türkische Präsident sagte weiter, im vergangenen Jahr seien mehr als 4,7 Millionen russische Touristen in die Türkei gekommen. Sie hätten damit die größte Gruppe der Urlauber gestellt. Man hoffe, dass diese Zahl auf sechs Millionen ansteige. Erdogan nannte Putin einen "lieben Freund" und betonte die starken Beziehungen zu Russland. Dass Putins erste Auslandsreise seit seiner Wiederwahl in die Türkei geführt habe, unterstreiche die Bedeutung dieser Beziehungen.
3. April: Putin und Erdogan geben Startschuss zum Bau des ersten türkischen Atomkraftwerks
Zum Auftakt seines zweitägigen Besuchs in der Türkei hat der russische Staatschef Wladimir Putin gemeinsam mit Präsident Recep Tayyip Erdogan den Startschuss zum Bau des ersten Atomkraftwerks der Türkei gegeben. "Gott sei mit euch", sagte Erdogan am Dienstag in Ankara in einer Rede, die per Video direkt zur Baustelle in der südlichen Provinz Mersin übertragen wurde.
Die Dimension des Projekts sei "kaum zu übertreiben", sagte Putin. Das Atomkraftwerk Akkuyu stelle eine neue Etappe für die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei dar. Laut Erdogan soll die Anlage zur "Energiesicherheit" der Türkei ebenso beitragen wie zum "Kampf gegen den Klimawandel".
Bilder von der Baustelle im türkischen Fernsehen zeigten Arbeiter und ein Feuerwerk anlässlich des Baubeginns. Das Atomkraftwerk ist das erste in der Geschichte der Türkei und soll künftig zehn Prozent des Strombedarfs des Landes decken. Die Anlage wird vom staatlichen russischen Konzern Rosatom errichtet und soll bis 2026 fertiggestellt werden. Die Kosten werden auf 20 Milliarden Dollar (16 Milliarden Euro) veranschlagt.
Syrien-Politik beim Treffen von Putin und Erdogan im Fokus
Der russische Staatspräsident Wladimir Putin ist am Dienstag zu Gesprächen mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan in Ankara eingetroffen. Erdogan und Putin wollten sich einen Tag vor einem Dreier-Gipfel zum Syrien-Krieg in Ankara an diesem Mittwoch zunächst bilateral beraten. Auf der Tagesordnung stand nach Kreml-Angaben unter anderem das gemeinsame Vorgehen im Kampf gegen den Terrorismus. Es ist Putins erster Auslandsbesuch seit seiner Wiederwahl als Präsident. Erdogan hat sich vor dem Hintergrund von Spannungen mit dem Westen zunehmend Moskau zugewandt.
Vor ihren bilateralen Gesprächen wollten Erdogan und Putin am Dienstagnachmittag zunächst per Videoschalte dem Beginn des Baus des ersten Atomkraftwerks der Türkei beiwohnen. Federführend bei der Errichtung des Atomkraftwerks Akkuyu an der Mittelmeerküste in der südtürkischen Provinz Mersin ist der staatliche russische Konzern Rosatom. Die Baukosten für das AKW Akkuyu werden auf 20 Milliarden Dollar (16,2 Milliarden Euro) geschätzt.
An dem Syrien-Gipfel am Mittwoch in Ankara nimmt dann auch der iranische Präsident Hassan Ruhani teil. Erdogan, Putin und Ruhani wollen darüber beraten, wie der dort seit 2011 anhaltende Bürgerkrieg beendet werden kann. Aus dem Land sind gut fünf Millionen Menschen geflohen, rund sechs Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht. Rund 500.000 Menschen wurden getötet.
Einen ausführlichen Bericht über die Interessen, die Russland und die Türkei in Syrien verfolgen, lesen Sie hier.
1. April: Netanjahu weist Erdogans "Massaker"-Vorwurf zurück
Israels Regierungschef hat den Vorwurf des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan scharf zurückgewiesen, sein Land habe an 15 Palästinensern im Gazastreifen ein "Massaker" verübt. Benjamin Netanjahu schrieb am Sonntag auf Twitter: "Die moralischste Armee der Welt wird sich keine Moralpredigten anhören von jemandem, der selbst seit Jahren eine Zivilbevölkerung ohne Unterscheidung bombardiert."
Erdogan hatte die tödlichen Schüsse israelischer Soldaten auf mindestens 15 Palästinenser bei Massenprotesten im Gazastreifen am Samstag als "Massaker" verurteilt. Seine Regierung werde "israelischen Terror" immer und überall anprangern, sagte Erdogan am Samstag vor Anhängern in Istanbul und sprach von einem "unmenschlichen Angriff". Er fügte hinzu: "Wir werden unsere palästinensischen Brüder in ihren rechtmäßigen Anliegen bis zum Ende unterstützen."
Netanjahu schrieb bei Twitter, mit solchen Äußerungen begehe man offenbar in Ankara den 1. April. Israel kritisiert seit langem, dass die Türkei die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas unterstütze. Die Türkei und Israel hatten 2016 nach jahrelanger Eiszeit ein Versöhnungsabkommen unterzeichnet. In diesem Rahmen setzte Erdogan auch türkische Hilfslieferungen für den Gazastreifen durch.
Mehr als 1000 Asylanträge von türkischen Beamten und Diplomaten
Seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Sommer 2016 haben mehr als 1000 Diplomaten und Staatsbedienstete sowie deren Familienangehörige um Asyl in Deutschland gebeten. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg mitteilte, hatten bis zum 7. März 288 Inhaber von Diplomatenpässen (schwarze Pässe) und 771 Dienstpassinhaber (grüne Pässe) einen Asylantrag beim BAMF gestellt. Diese Zahlen umfassen auch Ehegatten und Kinder. Anträge von türkischen Soldaten werden beim BAMF nicht statistisch erfasst.
In diesem Jahr haben - bis Ende Februar - bereits mehr als 1400 Türken hierzulande einen Asylantrag gestellt. Im gesamten vergangenen Jahr lag die Zahl der türkischen Asylbewerber in Deutschland bei rund 8500; 2016 waren es noch rund 5700.
Die Schutzquote - also wie viele Asylanträge anerkannt werden - stieg 2017 von rund 8 auf 28 Prozent. In diesem Jahr liegt sie bislang sogar bei rund 42 Prozent. Zu den Ursachen äußert sich das BAMF nicht, da Asyl-Entscheidungen immer abhängig vom Einzelfall seien und die Fluchtgründe vom Bundesamt statistisch nicht erfasst werden.
Die Türkei steht in der Kritik, weil die Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nach der Niederschlagung des Putschversuchs im Juli 2016 den Ausnahmezustand verhängt und "Säuberungen" ausgerufen hatte. Seitdem sind mehr als 50 000 Menschen inhaftiert worden, mehr als 150 000 Staatsbedienstete wurden suspendiert oder entlassen. Die Europäische Union äußert sich besorgt über die Menschenrechtslage und kritisiert, die Türkei entferne sich von der Rechtsstaatlichkeit. Die Regierung in Ankara weist das regelmäßig zurück.
30. März: Erdogan greift Macron nach Vermittlungsangebot scharf an
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat jede Vermittlerrolle Frankreichs bei der türkischen Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Syrien empört zurückgewiesen. Erdogan erhob am Freitag schwere Vorwürfe gegen seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron wegen dessen Vorstoß. "Nach diesem Verhalten hat Frankreich kein Recht mehr, sich über eine einzige Terrororganisation, einen einzigen Terroristen oder einen einzigen Terroranschlag zu beschweren", sagte Erdogan in Ankara. "Diejenigen, die sich mit Terroristen ins Bett legen und sie sogar in ihren Palästen empfangen, werden ihren Fehler früher oder später erkennen."
Macron will zwischen Kurden und Türkei vermitteln
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) die Unterstützung seines Landes zugesagt. Das teilte der Élyséepalast am Donnerstagabend nach dem Empfang einer SDF-Delegation in Paris mit. Macron hoffe, dass mithilfe Frankreichs und der internationalen Gemeinschaft ein Dialog zwischen der SDF und der Türkei hergestellt werden könne, hieß es. Die SDF werden von der Kurdenmiliz YPG angeführt.
Knapp zwei Monate nach dem Beginn der Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordwestsyrien hatten die türkische Armee und verbündete Rebellen am 18. März die umkämpfte kurdische Stadt Afrin eingenommen.
Die Türkei hatte den Militäreinsatz am 20. Januar begonnen. Sie sieht die YPG wegen ihrer engen Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK als Terrororganisation und begründet den Einsatz mit Selbstverteidigung. Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste.
29. März: Festnahme von 70 Soldaten in Türkei angeordnet
Die türkischen Behörden haben die Festnahme von 70 aktiven Soldaten wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung angeordnet. Die Polizei habe dazu einen Einsatz in 38 Provinzen der Türkei gestartet, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Bei den Gesuchten handele es sich um 47 Offiziere und 23 Unteroffiziere.
Die türkische Führung macht die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Seitdem geht sie gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor.
Mehr als 50.000 Menschen wurden seitdem wegen angeblicher Gülen-Verbindungen inhaftiert. Mehr als 150.000 Staatsbedienstete wurden aus demselben Grund suspendiert oder entlassen. Zudem wurden zahlreiche Medien und Vereine per Dekret geschlossen.
Der nach dem Putschversuch verhangene Ausnahmezustand wurde bislang immer wieder verlängert und gilt bis mindestens zum 19. April.
Wirtschaft in der Türkei wächst mit 7,4 Prozent stärker als in China
Nach einer Wachstumsdelle wegen des Putschversuches 2016 hat die Wirtschaft in der Türkei im vergangenen Jahr noch stärker als die in China zugelegt. Die türkische Volkswirtschaft sei 2017 im Jahresvergleich um 7,4 Prozent gewachsen, wie das türkische Statistikamt in Ankara am Donnerstag mitteilte. Der Wert übertraf die Erwartungen von Analysten leicht. Im Jahr zuvor hatte das nachträglich angepasste Wirtschaftswachstum bei 3,2 Prozent gelegen. In China lag das Wachstum der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft 2017 im Jahresvergleich nach offiziellen Angaben bei 6,9 Prozent.
Das starke Wachstum im vergangenen Jahr erzielte die Türkei trotz großer politischer Spannungen mit Deutschland und anderen wichtigen Handelspartnern. Die Türkei kämpft allerdings gleichzeitig gegen hohe Inflations- und Arbeitslosenraten von jeweils mehr als 10 Prozent sowie gegen einen anhaltenden Wertverfall der einheimischen Währung. In dieser Woche konnten für einen Dollar erstmals mehr als vier türkische Lira gekauft werden. Gegenüber dem Euro steht die Lira kurz vor einem Wechselkurs von fünf zu eins.
28. März: Auswärtiges Amt bestätigt Festnahme von Deutschem in Türkei
Berlin hat die Festnahme eines Deutschen in der Türkei bestätigt. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Mittwoch, der Fall sei bekannt. Die Botschaft in Ankara stehe mit den türkischen Behörden in Kontakt.
Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu hatte am Vortag berichtet, ein 28-jähriger Deutscher sei am 14. März im türkisch-syrischen Grenzgebiet festgenommen worden. Der Mann habe sich der Kurdenmiliz YPG in Syrien anschließen wollen. Inzwischen sei Haftbefehl wegen Unterstützung einer Terrororganisation erlassen worden. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, insbesondere zum Tatvorwurf könne man aus Gründen der Persönlichkeitsrechte keine Auskunft geben.
Mehr türkische Asylbewerber - Helfer-Netzwerke etabliert
Die Zahl der Asylbewerber aus der Türkei wächst weiter. Im Jahr des Putschversuchs 2016 zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 5742 Asylanträge - 2017 waren es bereits 8483 Anträge. Und in den ersten beiden Monaten 2018 stellten mit 1429 türkischen Staatsbürgern rund 300 mehr ein Asylgesuch, als das im Januar und Februar 2017 der Fall war. Wie das BAMF auf Anfrage weiter mitteilte, stieg auch die Schutzquote deutlich. In den ersten zwei Monaten 2018 seien 42,3 Prozent der Anträge positiv entschieden worden. In vielen Städten Deutschlands haben sich inzwischen Netzwerke für die neu Ankommenden etabliert.
Nach Angaben von Sprachschulen und mehreren Geflüchteten sind viele Vertreter der türkischen Bildungselite unter den Asylbewerbern. Ein Lehrer, eine Geschäftsführerin und ein Jurist schildern der Deutschen Presse-Agentur, auf welche Unterstützung sie bauen können - und dass sie ihre Ambitionen und Engagement nun in die deutsche Gesellschaft und Wirtschaft einbringen wollen.
27. März: Türkei nimmt laut Medienbericht Deutschen an Grenze fest
Die Türkei hat laut Medienberichten einen 28-jährigen Deutschen an der Grenze zu Syrien festgenommen, der angeblich für die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) kämpfen wollte. Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete am Dienstag unter Berufung auf Sicherheitskreise, der Mann sei am 14. März im Bezirk Silopi der südöstlichen Provinz Sirnak festgenommen worden. Demnach wurde er am Dienstag wegen "Unterstützung einer Terrorgruppe" in Untersuchungshaft genommen.
Dem Bericht zufolge wurden bei ihm "digitales Material" und Bilder in Verbindung mit der YPG und der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gefunden. Es bestehe der Verdacht, dass er im Kontakt "mit Terroristen in Syrien" gewesen sei, berichtete Anadolu. Demnach soll der Mann vier Jahre in der Bundeswehr gedient und gestanden haben, sich dem Kampf der PYD in Syrien anschließen zu wollen.
Türkei: Verhältnis zur EU bleibt auch nach Gipfel schwierig
Nach Ansicht des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim bleibt das Verhältnis seines Landes zur EU auch nach dem Gipfel im bulgarischen Warna schwierig. Er habe keine Anzeichen dafür erkannt, dass die EU in Zukunft gerecht mit der Türkei umgehen werde, sagte Yildirim am Dienstag in Ankara.
Dennoch plädierte Yildirim wie auch zuvor Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für einen EU-Beitritt. "Wir wahren unsere Perspektive der Vollmitgliedschaft", sagte er. Die EU müsse sich entscheiden, ob sie einen Weg mit einer "neuen Vision" weitergehen wolle, oder ob sie sich abkapseln wolle.
Am Montagabend hatte sich Erdogan im bulgarischem Schwarzmeerort Warna mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und dem bulgarischen Ministerpräsidenten Boiko Borisow zu einem Gipfel getroffen. In zentralen Konfliktpunkten erzielten beide Seiten jedoch keine Annäherung.
26. März: EU-Türkei-Gipfel bringt keine Annäherung in wichtigen Streitfragen
Bei dem EU-Türkei-Gipfel in der bulgarischen Schwarzmeerstadt Warna haben beide Seiten in wichtigen Streitfragen keine Annäherung erzielt. EU-Ratspräsident Donald Tusk betonte am Montagabend nach den Gesprächen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass die EU weiter besorgt über die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei sei. Zudem kritisierte er die Inhaftierung von EU-Bürgern in dem Land und die türkische Blockade von Erdgasbohrungen vor Zypern. Auch die Besorgnis der EU über die türkischen Militäraktionen in Syrien habe man zum Ausdruck gebracht, sagte Tusk.
Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei ist seit mehr als eineinhalb Jahren extrem angespannt. Nach einhelliger Meinung verstößt die türkische Regierung bei ihrem Vorgehen gegen angebliche Anhänger der islamischen Gülen-Bewegung - die Erdogan für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich macht - massiv gegen rechtsstaatliche Grundsätze und hat illegal Menschenrechtler und Journalisten inhaftiert. Die EU hat deswegen die Verhandlungen über einen EU-Beitritt des Landes de facto auf Eis gelegt. Auch geplante Gespräche über eine Vertiefung der Zollunion haben noch nicht begonnen.
Erdogan: EU-Mitgliedschaft bleibt weiter das Ziel der Türkei
Vor seiner Abreise zu einem Gipfel mit der EU-Führung im bulgarischen Warna hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan betont, dass die Türkei weiter die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union anstrebe. "Der Beitritt zur EU bleibt unser strategisches Ziel", sagte Erdogan am Montag auf dem Flughafen in Istanbul, warf aber zugleich der EU "Heuchelei" und "Doppel-Standards" gegenüber seinem Land vor.
Erdogan trifft am Abend in der bulgarischen Küstenstadt Warna mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk zu einem Arbeitsessen zusammen. Er wird begleitet von Außenminister Mevlüt Cavusoglu, Europaminister Ömer Celik und weiteren Kabinettsmitgliedern. Angesichts der Vielzahl an Streitpunkten zwischen den Partnern wird mit schwierigen Gesprächen gerechnet.
Vor seiner Abreise nach Warna sagte Erdogan, er werde "gewissen Kreisen nicht erlauben, die Türkei daran zu hindern, der EU als respektiertes, gleichberechtigtes und volles Mitglied beizutreten". Er hoffe, dass der Gipfel "positive Entwicklungen" in den Beziehungen erlauben werde. Erdogan hatte 2005 die offizielle Aufnahme von Beitrittsgesprächen erreicht, doch steckt der Prozess seit langem fest.
Proteste gegen Erdogan-Besuch vor EU-Türkei-Gipfel in Warna
Vor dem EU-Gipfel mit der Türkei haben rund hundert Menschen in dem bulgarischen Schwarzmeerort Warna gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan protestiert. Die Demonstranten, die sich trotz Regens in der Innenstadt versammelt hatten, trugen Plakate mit Aufschriften wie "Stoppt Erdogan" und "Europa ist kein Platz für Diktatoren". Zu der Demonstration gegen den Gipfel am Montagabend hatte die nicht im Parlament vertretene nationalistische Partei "Wasraschdane" ("Wiedergeburt") aufgerufen.
Zu einem zweiten Protest rief die kleine Partei "Da, Balgaria" ("Ja, Bulgarien") auf. In einer Mitteilung der regierungskritischen Partei hieß es: "Wir widersetzen uns der erniedrigenden Rolle eines Lakaien und eines Kuriers, die der bulgarische Staat wegen Borissow einnimmt."
Der bulgarische Ministerpräsident Boiko Borissow ist Gastgeber des Spitzentreffens. In der bulgarischen Hauptstadt Sofia hängten Erdogan-Gegner ein Transparent mit der Aufschrift "Erdogan ist unerwünscht" an eine Brücke, die zum Tagungszentrum der aktuellen bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft im Nationalen Kulturpalast führt.
Erdogan machte sich am Montagnachmittag von Istanbul aus auf den Weg nach Warna. Der erste Gipfel der EU-Spitzen mit Erdogan seit zehn Monaten wird von Spannungen überschattet. Für die Europäische Union nehmen an dem Arbeitsessen am Abend im Warna Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk teil.
Kanzler Kurz vor EU-Türkei-Gipfel: Beitrittsgespräche beenden
Vor einem Gipfeltreffen der EU-Spitzen mit der Türkei hat Österreichs Kanzler Sebastian Kurz verlangt, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt des Landes abzubrechen. Die Türkei entferne sich seit Jahren von der EU und ihren Werten, sagte er der Welt zur Begründung und verwies auf eine "systematische Verletzung der Menschenrechte und demokratischen Grundwerte". "Über 100.000 Personen wurden seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 entlassen, an die 50.000 befinden sich weiterhin in Haft", rügte er. Auch würde ein Beitritt allein schon wegen der Größe der Türkei mit fast 80 Millionen Einwohnern die Aufnahmefähigkeit der EU wohl übersteigen.
25. März: Türkei will weitere kurdisch kontrollierte Stadt in Syrien einnehmen
Nach der nordwestsyrischen Region Afrin soll die türkische Armee nach dem Willen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auch die kurdisch kontrollierte Stadt Tell Rifat einnehmen. "So Gott will, werden wir in kurzer Zeit auch Tell Rifat unter Kontrolle bringen und das Ziel dieses Einsatzes erreichen", sagte Erdogan am Sonntag in Trabzon.
Tell Rifat liegt südlich von Afrin und wird von der Kurdenmiliz YPG kontrolliert. Die Türkei betrachtet die YPG wegen ihrer engen Verbindungen zur kurdischen Arbeiterpartei PKK als Terrororganisation.
Offensiven in Ost-Ghuta und Afrin steuern auf Ende zu
Die Militäroffensiven in den schwer umkämpften syrischen Gebieten Ost-Ghuta und Afrin steuern offenbar auf ein Ende zu. Während die Türkei bei ihrem Feldzug gegen Kurden in Afrin im Nordwesten des Landes am Wochenende die vollständige Einnahme der Region verkündete, verweigern die Rebellen in Ost-Ghuta nahe Damakus nur noch in einen letzten Rückzugsort nahe der Stadt Duma den Abzug.
Das Gebiet um Duma verließen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge am Sonntag Hunderte Zivilisten. Unterdessen gebe es Verhandlungen zwischen dem islamistischen Rebellenbündnis Dschaisch al-Islam, das den Ort beherrscht, und dem syrischen Verbündeten Russland. Einen anderen Teil Ost-Ghutas verließen demnach Hunderte Rebellen und ihre Familien. Sie sollen der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge in die Rebellenhochburg Idlib in den Norden des Landes gebracht werden.
Die syrische Regierung hatte Ost-Ghuta östlich von Damaskus, das es seit 2013 belagert, in den vergangenen Wochen mit einer Welle von Bombardierungen überzogen. Dabei sind nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 1600 Zivilisten ums Leben gekommen. Bei der folgenden Bodenoffensive konnten die Kämpfer von Präsident Baschar al-Assad dann immer weiter gegen die verschiedenen Rebellengruppen vordringen. Der Abzug der Rebellen aus Ost-Ghuta folgt einem Abkommen der islamistischen Miliz Failak al-Rahman mit der Syrischen Armee vom Freitag. Der Beobachtungsstelle zufolge sollen rund 7000 Menschen das Gebiet in den kommenden Tagen verlassen. Zuvor war die syrische Armee auch in den Ort Harasta eingerückt. Sie kontrolliert damit etwa 90 Prozent von Ost-Ghuta.
Im Norden Syriens verkündete die türkische Armee gut zwei Monate nach dem Beginn ihrer Militäroffensive, die Region Afrin "vollständig" unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. Das berichtete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag unter Berufung auf eine Mitteilung des türkischen Generalstabs. Man helfe den Einwohnern dabei, in ihre Häuser zurückzukehren, hieß es.
Türkische Truppen hatten am 20. Januar die Operation "Olivenzweig" gegen die Kurdenmiliz YPG in der Region Afrin begonnen. Die Türkei sieht in der YPG den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und rechtfertigt die Offensive mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Die Stadt Afrin war bereits am vergangenen Sonntag von der türkischen Armee erobert worden.
Die Armee säuberte das Gebiet am Samstag von Sprengsätzen. Dabei seien acht selbstgebaute Bomben zerstört worden.
23. März: EU-Staaten machen Türkei vor Gipfeltreffen Vorwürfe
Drei Tage vor dem EU-Türkei-Treffen in der bulgarischen Schwarzmeerstadt Warna haben die EU-Staaten der Regierung in Ankara schwere Vorwürfe gemacht. "Der Europäische Rat verurteilt das anhaltende rechtswidrige Vorgehen der Türkei im östlichen Mittelmeer und in der Ägäis scharf", heißt es in einer beim EU-Gipfel in Brüssel veröffentlichten Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den anderen Staats- und Regierungschefs. Zudem sei man tief besorgt über die fortgesetzte Inhaftierung von Bürgern der EU in der Türkei.
Die EU reagierte mit der Erklärung unter anderem auf die Festnahme zweier griechischer Soldaten an der griechisch-türkischen Grenze sowie auf die jüngste Blockade von Erdgaserkundungen vor der Mittelmeerinsel Zypern. Für letztere hatte die Türkei im Februar mehrere Kriegsschiffe eingesetzt. Die Hoheitsrechte Zyperns erlaubten es, seine natürlichen Ressourcen zu erforschen und auszubeuten, kommentierte die EU am Freitag den Vorgang. Dies habe die Türkei zu achten, sie müsse ihr Vorgehen einstellen.
Hintergrund des Streits ist die Spaltung Zyperns. Nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention ist die Insel seit 1974 geteilt. Im Norden gibt es die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern. Die Republik Zypern, deren Regierung den Südteil lenkt, ist seit 2004 EU-Mitglied. Sie wird von der Türkei nicht anerkannt.
Die EU-Erklärung droht die Gespräche zu belasten, die EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am kommenden Montag in Warna mit dem türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan führen wollen. Bei ihnen soll eigentlich versucht werden, für etwas Entspannung in den seit eineinhalb Jahren extrem belasteten Beziehungen zu sorgen.
22. März: Erdogan telefoniert mit Trump - angespannte Beziehungen
Vor dem Hintergrund der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan mit US-Präsident Donald Trump telefoniert. Bei dem Thema sei es um die Entwicklungen in der Region und um die Beziehungen zwischen den beiden Nato-Partnern gegangen, meldete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Am Vortag hatte Erdogan Trump mit Blick auf die US-Haltung zur Türkei dazu aufgerufen, die "Verwirrung zu beenden".
Die USA hatten zuvor die türkische Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG kritisiert. Die YPG ist Verbündeter der USA im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Die Türkei stuft die YPG wegen ihrer Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK als Terrororganisation ein. Die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei sind seit Monaten angespannt.
Türkei nennt Merkel-Kritik an Militäreinsatz in Syrien "inakzeptabel"
Die Türkei hat Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Militäroffensive in Nordsyrien als "bedauerlich" und auf Falschinformationen beruhend zurückgewiesen. Merkel hatte den türkischen Militäreinsatz erstmals deutlich verurteilt. "Bei allen berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei ist es inakzeptabel, was in Afrin passiert, wo tausende und abertausende von Zivilisten verfolgt sind, zu Tode kommen oder flüchten müssen", sagte sie im Bundestag. "Auch das verurteilen wir auf das Schärfste."
Das türkische Außenministerium verwahrte sich am Abend gegen die Kritik Merkels. "Wir halten diese bedauerlichen Äußerungen der deutschen Kanzlerin Merkel (...) über den Einsatz Olivenzweig, die nichts mit der Realität zu tun haben und auf Fehlinformationen beruhen, für inakzeptabel." Es sei merkwürdig, dass "einige unserer Verbündeten die Lage mit den Augen von Terroristen betrachten", hieß es weiter in der Erklärung des Ministeriums.
Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete unterdessen von einem Telefonat zwischen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan. Beide hätten dabei am Mittwoch "die Bedeutung des gemeinsamen Kampfes gegen den Terrorismus" betont.
Studie sieht Demokratie unter Druck - Türkei großer Verlierer
Demokratische Standards, Bürgerrechte, politische Freiheiten und rechtsstaatliche Prinzipien werden laut einer Studie in immer mehr Ländern ausgehöhlt. Weltweit lebten 2017 rund 4,2 Milliarden Menschen in Demokratien - 2003 waren es 4,0 Milliarden - und inzwischen etwa 3,3 Milliarden (2003: 2,3 Milliarden) in Autokratien, wie aus einer Zwei-Jahres-Analyse der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht. Problematisch sei, dass aber auch Staatschefs in einigen Demokratien versuchten, "mit harter Hand durchzuregieren". Der Bericht zeichnet eine "Welt zunehmender politischer Instabilität".
In dem "Transformationsindex" BTI geht die Stiftung der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung von 129 Entwickungs- und Schwellenländern nach. "Einmal gewählt, beschneiden viele Machthaber politische Freiheitsrechte, um ihren Machtapparat auszubauen", heißt es in dem aktuellen Bericht für den Zeitraum Februar 2015 bis Ende Januar 2017. Das gelte ganz besonders für die "stark defekte Demokratie" Türkei, die zusammen mit Brasilien und Polen zu den größten Verlierern des BTI gehöre.
Zum BTI-"Absteiger" Türkei betonte Projektleiter Hauke Hartmann, sollte der Trend in der Türkei so anhalten, drohe im nächsten Bericht eine Einstufung als Autokratie. Denn: Die "Aushöhlung der Gewaltenteilung" ist laut Stiftung in keinem Staat zuletzt so deutlich vorangetrieben worden wie in der "stark defekten Demokratie am Bosporus" seit dem Putschversuch vom Juli 2016. Kritisiert werden auch eine "massive Einschränkung von Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit" und eine "Marginalisierung der Opposition".
Roth warnt vor "ethnisch motivierter Umsiedlungspolitik" in Syrien
Die Grünen-Politikerin Claudia Roth hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan davor gewarnt, syrische Flüchtlinge aus der Türkei nach Nordsyrien zu bringen. "Seit Wochen beobachten wir einen völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei auf Afrin, auch mit deutschen Panzern", sagte Roth. Nun drohe eine "massenweise Rückführung in ein Kriegsland" und "eine aggressive und ethnisch motivierte Umsiedlungspolitik".
Bei ihrer Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG hatten die türkische Armee und verbündete syrische Rebellen am Sonntag die nordwestsyrische Kurden-Stadt Afrin eingenommen. Die Kurden befürchten, dass die Stadt unter Kontrolle der mit der Türkei verbündeten Freien Syrischen Armee (FSA) bleiben könnte. Die türkische Führung betont seit Wochen, dass sie Afrin nicht dauerhaft besetzen will, hat aber auch ausgeschlossen, das Gebiet an die Regierung in Damaskus unter Präsident Baschar al-Assad zurückzugeben. Roth sagte zu dem Angriff auf Afrin: "Ich frage mich, was noch geschehen muss, bis die Bundesregierung die militärische Aggression der Türkei nicht nur kritisiert, sondern auch als das anerkennt, was sie ist: völkerrechtswidrig." Berlin müsse den Fall auf die Tagesordnung der Nato setzen - "mitsamt der Frage, welche Konsequenzen die Entwicklungen der letzten Wochen auf die Nato-Mitgliedschaft der Türkei haben sollten", forderte Roth.
21. März: Maas warnt Türkei vor dauerhafter Besatzung von Kurdenhochburg Afrin
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat die Türkei aufgerufen, sich bei ihrem Militäreinsatz in Nordsyrien an das Völkerrecht zu halten. Er warnte die Regierung in Ankara zudem vor einer dauerhaften Besatzung der syrischen Kurdenhochburg Afrin. "Oberste Priorität für uns hat die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Schutz von Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Afrin", sagte Maas im Bundestag. "Hierfür ist die Türkei in der Pflicht." Was auch immer die Türkei unternehme, müsse sich völkerrechtlich "im Rahmen des Erforderlichen und des Verhältnismäßigen bewegen".
Gerade angesichts der jüngsten Entwicklungen habe die Bundesregierung in diesem Punkt bereits "erhebliche Zweifel", fügte der Außenminister in der Generalaussprache im Bundestag über die Vorhaben der neuen Bundesregierung hinzu. "Die dauerhafte Besatzung würde darüber hinaus eine neue Realität schaffen, auch hinsichtlich der Frage, ob hier Völkerrecht gebrochen wird."
Türkische Truppen und islamistische Milizen hatten ihre Angriffe auf Afrin Ende Januar begonnen, auch unter Einsatz von aus Deutschland gelieferten Panzern. Der Türkei sowie den mit ihnen verbündeten Milizen werden in Afrin schwere Übergriffe auf Zivilisten sowie Plünderungen und Zerstörungen von Kulturgütern vorgeworfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete das türkische Vorgehen in Afrin am Mittwoch in ihrer Regierungserklärung im Bundestag als "inakzeptabel".
Irakische Regierung warnt Türkei vor Einmarsch
Der Irak hat die Türkei vor einem Einmarsch ihrer Truppen in sein Staatsgebiet gewarnt. Der Irak werde auf seinem Boden keine Präsenz irgendwelcher Kräfte zulassen, die Militäroperationen ausführten, sagte der irakische Außenminister Ibrahim al-Dschafari am Mittwoch in Bagdad. Dort traf er den türkischen Vize-Außenminister Ahmet Yildiz. "Wir lehnen die Verletzung der irakischen Grenze durch türkische Kräfte entschieden ab", sagte Al-Dschafari weiter.
Nach der Einnahme der nordwestsyrischen Stadt Afrin hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit einer Ausweitung der Offensive bis in den Nordirak gedroht. Dort werde man die "Terrorcamps" der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK "wenn nötig anhaltend unter Kontrolle bringen". Die PKK hat in Nordiraks Kandil-Bergen ihr Hauptquartier und auch im dortigen Sindschar Stellungen. "Wir würden sofort eines Nachts urplötzlich in Sindschar einmarschieren und es von der PKK säubern", sagte Erdogan.
Al-Dschafari rief die Türkei zudem erneut auf, ihre im nordirakischen Kurdengebiet stationierten Truppen abzuziehen. Bagdad und Ankara streiten sich seit langem um eine türkische Militärbasis in Baschika. Die türkischen Soldaten bildeten dort in der Vergangenheit lokale sunnitische Kräfte im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus und unterstützen auch kurdische Peschmerga-Kämpfer.
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