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Neues Abkommen: Was bringt der UN-Vertrag zum Verbot der Atomwaffen?

Neues Abkommen

Was bringt der UN-Vertrag zum Verbot der Atomwaffen?

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    Französischer Atomtest auf dem Mururoa-Atoll 1970: Totale Abschaffung der Nuklearwaffen als oberste Priorität.
    Französischer Atomtest auf dem Mururoa-Atoll 1970: Totale Abschaffung der Nuklearwaffen als oberste Priorität. Foto: dpa-Archiv

    Auch lange nach Ende des Kalten Krieges stehen sich Russland und die USA hochgerüstet mit Atomwaffen gegenüber: Das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri gibt die Zahl der nuklearen Sprengköpfe derzeit mit 13400 an. Davon sind 3720 gefechtsbereit, der Rest ist in Reserve. Russland verfügt über 6375 Sprengköpfe, die USA über 5800. Die übrigen gut tausend Sprengkörper verteilen sich auf die sieben weiteren Nuklearwaffenmächte. Vom erklärten Ziel einer atomwaffenfreien Welt ist die Menschheit weit entfernt, aber zumindest kommt sie nun auf dem mühsamen Weg ein Stück voran.

    Diesen Freitag tritt ein Vertrag über das Verbot von Kernwaffen der Vereinten Nationen in Kraft. Der Pakt gegen die Bombe zielt auf die „totale Abschaffung der nuklearen Waffen“, betont UN-Generalsekretär António Guterres. Das habe auf der Abrüstungsagenda der UN die „höchste Priorität“. Tatsächlich verlangte die UN-Vollversammlung bereits in ihrer ersten Resolution vom 24. Januar 1946 die Abschaffung der Atomwaffen – vor 75 Jahren. Jetzt verbietet das neue UN-Abkommen die Entwicklung, Herstellung, Stationierung, Einsatz und praktisch alle anderen Aktivitäten rund um die Massenvernichtungswaffen.

    Pakt zum Verbot von Nuklearwaffen mit entscheidenden Lücken

    Allerdings hat der UN-Vertrag mehr als einen Schönheitsfehler: Die fünf offiziellen Kernwaffenmächte aber, die USA, Russland, China, Frankreich sowie Großbritannien und die meisten ihrer Verbündeten, darunter auch Deutschland, wollen von dem Vertrag nichts wissen. Ebenso weisen Indien, Israel, Pakistan und Nordkorea den Pakt zurück, die ebenfalls als faktische Atomwaffenmächte gelten.

    Die Ächtung der schlimmsten Kriegsgeräte, die je entwickelt wurden, sollte nach Ansicht der UN eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Denn ein atomarer militärscher Schlagabtausch würde die Welt in die größte anzunehmende Katastrophe stürzen. Das gesamte Leben auf unserem Planeten könnte ausgelöscht werden.

    Welches unermessliche Leid Atomwaffen auslösen, weiß die Menschheit spätestens seit den US-Abwürfen auf Hiroshima und Nagasaki 1945. Kein Wunder, dass Pazifisten und Konfliktforscher rund um die Welt das neue UN-Abkommen begrüßen. „Der Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen zeichnet sich durch ein nobles Bestreben aus“, sagt Jan Eliasson, der Vorsitzende des Friedensforschungsinstitut Sipri in Stockholm. „Nur eine atomwaffenfreie Welt schließt das Risiko aus, dass die Waffen zum Einsatz kommen.“

    Bislang sind dem Pakt nur 51 Länder beigetreten

    Doch ob dieses Ziel jemals erreicht wird, bleibt auch nach Inkrafttreten des Paktes gegen die Bombe eine offene Frage. Bislang sind dem Pakt nur 51 Länder beigetreten, die meisten von ihnen sorgen militärisch und politisch kaum für Aufsehen: von Honduras über Gambia bis Irland. Als treibende Kraft für das Abkommen profilierte sich Österreich. „Der Vertrag ist nicht gültig für Länder, die ihn nicht ratifiziert haben“, erläutert John Krzyzaniak, vom Bulletin of the Atomic Scientists in Washington.

    Zumal die Regierungen der USA, Russlands, Chinas, Frankreichs und Großbritanniens ihre Stellung gegenseitig anerkannt haben: Die Fünf beharren auf ihrer Sonderstellung als offizielle Atomwaffenmächte, die sie sich selbst im Atomwaffensperrvertrag von 1970 zuschanzten. Sie beanspruchen ein nahezu immerwährendes Recht auf die nuklearen Sprengköpfe und ihre Trägersysteme – auch wenn sie sich im Sperrvertrag zu einer vollständigen Abrüstung verpflichtet haben. Wer einmal die Bombe im Arsenal hat, gibt sie so schnell nicht wieder her.

    Die führende Atomwaffenmacht, die USA, fürchtet den neuen Verbotsvertrag offenbar dennoch: Seitdem die ersten Gespräche ernsthaft starteten, versuchten die USA das Abkommen zu vereiteln. Das geschah schon unter dem Präsidenten Barack Obama, obwohl der Friedensnobelpreisträger in großen Reden in Berlin und Prag, das Ziel von „Global Zero“ einer atomwaffenfreien Welt ausrief. Obamas US-Delegation bei der Nato aber „ermutigte in starker Form“ die Verbündeten in einem Brief vom Oktober 2016, die UN-Verhandlungen über den Vertrag abzulehnen. Unter Präsident Donald Trump „drängten die USA sogar in unüblicher Weise andere Staaten, wieder auszutreten“, erläutert Experte Krzyzaniak.

    Diplomatische Kreise stellen unterdessen klar, dass die USA auch unter dem neuen Präsidenten Joe Biden von ihrem eisernen „No“ zu dem Anti-Nuklear-Pakt nicht abrücken werden. Solange die USA unnachgiebig bleiben, ist auch von den anderen Atomwaffenstaaten kaum Einlenken zu erwarten.

    Symbolisches Atomwaffenverbot setzt Airbus unter Druck

    Doch was kann der neue Pakt gegen die Bombe dann überhaupt noch bewirken? Langfristig könnte er mehr als eine symbolische Wirkung entfalten, wie die Befürworter der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen. Die Stigmatisierung und Delegitimierung der nuklearen Waffen sollen auf Regierungen abschreckend wirken, die auf den Erwerb der Bombe schielen. Auch die Atomwaffenmächte sollen fortan in Erklärungsnot geraten, wieso sie Milliarden über Milliarden von Dollars in ihre umstrittenen „Nukes“ stecken.

    Immerhin müssen Länder mit den Massenvernichtungswaffen damit rechnen, dass die Staaten des Anti-Atom-Paktes sie ständig zum Beitritt drängen. Der Artikel 12 des Abkommens verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, diplomatischen Druck auf die außenstehenden Länder auszuüben. Das Abkommen „wird die Nuklearwaffen als Währung der internationalen Politik abwerten und ihre militärische Nützlichkeit und politischen Wert beeinträchtigen“, erklärt Ramesh Thakur, ein führender internationaler Abrüstungsfachmann.

    Der Pakt könnte auch Firmen, die an Atomwaffenprogrammen mitarbeiten oder finanzieren, zum Umdenken bringen. Wer will schon seinen guten Namen für die Produktion verbotener Waffen hergeben? Die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ruft Investoren dazu auf, ihr Engagement in den Firmen zu stoppen: „Don’t bank the Bomb.“ Auf einer schwarzen Liste der Kampagne steht beispielsweise der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus. Zwar hält Airbus fest, dass seine Rüstungssparte „Airbus Defence and Space“ keine nuklearen Waffen herstellt. Wohl aber produziere die 50-Prozent Tochter Ariane-Group, die M-51 Trägersysteme für das französische Nuklearwaffenprogramm. Solche Verbindungen zu der Bombe könnten in Zukunft noch anrüchiger werden.

    Die Deutsche Bank erkannte schon die Zeichen der Zeit. Das Geldhaus gab 2018 bekannt, alle Geschäfte mit Firmen vermeiden zu wollen, die im Sektor „kontroverse Waffen“ aktiv sind. Darunter fallen auch Atomwaffen.

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