Am ersten Arbeitstag türmen sich bereits die Aufgaben auf dem Schreibtisch: Für den frischgebackenen CDU-Chef Armin Laschet beginnt der Alltag im neuen Amt mit einer Sitzung des Parteipräsidiums am Montagmorgen. Später trifft sich der größere Vorstand, ebenfalls im digitalen Format. Am Nachmittag will Laschet zusammen mit Generalsekretär Paul Ziemiak erste Ergebnisse verkünden.
Die Erwartungen an den 59-Jährigen, der sich vor gut einer Woche gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen durchsetzte, sind so gewaltig wie vielschichtig und teils widersprechen sie sich auch. Überall lauern kleine Fettnäpfchen und große Tretminen. Ob er zum nächsten Bundeskanzler wird oder zu einer unbedeutenden Fußnote in der Chronik der CDU, das entscheidet sich daran, wie geschickt er mit folgenden Problemen fertig wird:
Armin Laschet muss einen Weg finden, um Friedrich Merz einzubinden
Nach dem knappen Erfolg gegen Friedrich Merz im zweiten Wahlgang muss Laschet auf seinen Widersacher zugehen. Denn der deutlich konservativer auftretende Merz hat viele Anhänger: Etwa im Wirtschaftsflügel der CDU und bei der Jungen Union. In Baden-Württemberg, wo bereits im März der Landtag gewählt wird, ist Merz ebenfalls sehr populär.
Müsste Laschet eine frühe Wahlschlappe im „Ländle“ mitverantworten, könnten seine Chancen auf die Kanzlerkandidatur empfindlich leiden. Laschet muss also einen Weg finden, Merz einzubinden, um dessen Anhänger zu versöhnen. Das wird nicht einfach, könnte aber durch eine Art Schattenkabinett gelingen. Den Posten des echten Wirtschaftsministers, den Merz gern übernommen hätte, hatte ihm Kanzlerin Angela Merkel ja verweigert.
Besonders verzwickt ist die Lage im Osten der Republik. Dort sind Linkspartei und AfD deutlich stärker als im Westen, der CDU gehen die Koalitionsoptionen aus, weil sie mit beiden nicht zusammenarbeiten will. Die Ost-CDU hätte sich Merz als Parteichef und Kanzlerkandidat gewünscht, um an die AfD verlorene Wähler zurückzuholen. Laschet gilt in den östlichen Bundesländern vielen als zu Merkel-nah. Um zu vermeiden, dass die Christdemokratie dort in der Bedeutungslosigkeit versinkt, muss er Signale setzen, Ostdeutsche einbinden und Präsenz zeigen. Letzteres ist schwierig in Corona-Zeiten.
Laschet muss als Ministerpräsident und CDU-Vorsitzender präsent sein
Stichwort Präsenz: Im Moment finden viele Sitzungen noch digital statt, doch wenn die Pandemie abklingt, wird sehr genau darauf geachtet werden, wie Laschet seine Zeit zwischen der Berliner Parteizentrale und der Düsseldorfer Staatskanzlei aufteilt. Schließlich ist er Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes und das in Zeiten der Pandemie. Die Opposition in Nordrhein-Westfalen dürfte Laschet heftig attackieren, wenn er dem Parteiamt zu viel Zeit widmet. Doch gerade jetzt ist der CDU-Vorsitz extrem zeitintensiv. Keines seiner beiden Ämter erledigt sich nebenher.
Mit dem bayerischen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Schwesterpartei CSU muss sich Laschet darüber einigen, wer als Kanzlerkandidat der Union antritt. Söder beteuert zwar, dass er keine Ambitionen hat, doch das nehmen viele dem Machtmenschen aus Franken nicht ab. Ob Söder mit Laschet an einem Strang, oder aber im Hintergrund die Fäden gegen ihn zieht, ist ungewiss.
Die Ausgangslage ist für Laschet unangenehm. Für Söder wäre es keine Niederlage, würde er nicht Kanzlerkandidat. Für Laschet schon. Schlechte Wahlergebnisse, etwa in Baden-Württemberg, Umfragewerte, die eindeutig für Söder sprechen – schon wäre Laschet in der Defensive. Vor allem dann, wenn sich die Fans von Merz und Röttgen innerhalb der CDU gegen Laschet wenden. Wichtig für Laschet ist nun auch, ob sein bisheriger „Teampartner“, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, ihn weiter unterstützt. Oder insgeheim doch noch auf eine Chance lauert, selbst Kanzlerkandidat zu werden.
Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel wird zur Gratwanderung für Armin Laschet
Das Verhältnis zur Kanzlerin wird für Laschet eine Gratwanderung zwischen Abgrenzung und Nähe. Einerseits war Laschet der Wunsch-Kandidat der Merkel-Anhänger, in seinem politischen Pragmatismus steht er der Kanzlerin sehr nahe. Andererseits kann er aber auch die Merkel-Skeptiker in der CDU, die sich einen echten Neuanfang wünschen, nicht verprellen. Dabei darf er aber Merkel nicht zu sehr auf die Füße treten, denn ohne ihre Unterstützung schwinden seine Erfolgschancen. Laschet war zwar unter den drei Bewerbern für den Parteivorsitz der Favorit der Kanzlerin. Eigentliche Wunschkandidatin für ihre Nachfolgerin allerdings war Annegret Kramp-Karrenbauer. Doch die Saarländerin hat die Erwartungen Merkels als Parteichefin nicht erfüllt, es kam zum Bruch zwischen den beiden Politikerinnen. Ein Zerwürfnis mit der beliebten Kanzlerin kann Laschet nicht riskieren.
Sein Charakter – abwartend, eher zurückhaltend, gemächlich – hat bisher viel zum Erfolg von Armin Laschet beigetragen. Andere mochten sich aufreiben, er übte sich in Geduld und war schließlich zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Position. Jetzt aber gilt es viele Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen und dies unter enormem Zeitdruck. Denn durch die Corona-Pandemie wurde die Wahl zum CDU-Chef lange aufgeschoben. Nun herrscht Hektik. Eine Wahlkampfstrategie will konzipiert sein, ohne dass überhaupt ein Kanzlerkandidat feststeht. Intern die Strippen ziehen, ein Team von Zuarbeitern auf sich zuschneiden, die Öffentlichkeit von sich überzeugen – Laschet muss jetzt aktiv werden. Will Laschet den Erfolg, muss er ein Stück weit den alten Armin Lachet überwinden.
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