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Neuer Bundespräsident: Nach Entscheidung für Gauck: Union ist wütend auf FDP

Neuer Bundespräsident

Nach Entscheidung für Gauck: Union ist wütend auf FDP

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    Die Union ist nach wie vor sauer auf die FDP. Ob Kanzlerin Angela Merkel mit FDP-Chef Philipp Rösler ein ernstes Wörtchen redet?
    Die Union ist nach wie vor sauer auf die FDP. Ob Kanzlerin Angela Merkel mit FDP-Chef Philipp Rösler ein ernstes Wörtchen redet? Foto: dpa, Archiv

    Während zwei sich streiten, bastelt der Dritte an einem Gegenkandidaten: Die Union ist nach wie vor sauer auf die FDP. Welchen Preis müssen die Liberalen für ihr Beharren auf einer Kandidatur von Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten zahlen? Vermutlich wird es Kanzlerin Angela Merkel ihren Koalitionspartnern nicht so schnell vergessen, dass sie sie in eine missliche Lage gebracht haben. Auch andere sind mit der Entscheidung für Gauck nicht allzu glücklich: Derweil sucht die Linke nach einem Gegenkandidaten.

    Opposition sieht die Bundesregierung kaum noch handlungsfähig

    Nach dem Koalitionskrach um die Kür von Joachim Gauck zum Bundespräsidentenkandidaten droht die Union ihrem Regierungspartner FDP mit einer härteren Gangart. In Unionskreisen hieß es am Montag, man wolle keine Rücksicht mehr auf die schlechten Umfrageergebnisse der Liberalen nehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war demnach erbost über den Vorstoß der FDP, den rot-grünen Favoriten Gauck gegen den Willen der Union zu unterstützen. Der 72-jährige Theologe und Bürgerrechtler soll am 18. März von der Bundesversammlung zum Nachfolger von Christian Wulff gewählt werden.

    Die Opposition sieht die Bundesregierung kaum noch handlungsfähig. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel betonte, er gehe zwar nicht davon aus, dass die Koalition vorzeitig breche. "Aber Frau Merkel wird sich das, was sie da erlebt hat, auch merken." Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: "Das Vertrauen selbst in Zeiten des finstersten Kalten Kriegs zwischen den USA und der Sowjetunion war größer als das Vertrauen in dieser Koalition."

    Angela Merkel war eigentlich gegen Joachim Gauck

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    Darstellungen, wonach es wegen des Beharrens der FDP eine tiefe Koalitionskrise gebe, wies Regierungssprecher Steffen Seibert aber am Montag zurück. "Sie brauchen sich um die Koalition, ihren Bestand und überhaupt um die Bundesregierung keine Sorgen zu machen", sagte er in Berlin. Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer sprach hingegen in der "Leipziger Volkszeitung" von einem "gewaltigen Vertrauensbruch" der FDP. "Das Verhalten ist symptomatisch für den Zustand der FDP."

    Merkel hatte sich zunächst klar gegen Gauck ausgesprochen, der 2010 im ersten Anlauf gegen den schwarz-gelben Kandidaten Wulff verloren hatte. Er war für eine Mehrheit der Bürger der Wunschkandidat für die Nachfolge des am Freitag wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen zurückgetretenen Wulff. Vom Beschluss der FDP für Gauck wurde Merkel kalt erwischt. Um in der Euro-Krise nicht die Koalition platzen zu lassen und so womöglich Turbulenzen an den Börsen auszulösen, war sie am Sonntagabend schließlich auf die FDP-Linie eingeschwenkt. Sie stellte den früheren DDR-Bürgerrechtler als Konsenskandidaten von Union, FDP, SPD und Grünen vor.

    Künftig Alleingänge der Union?

    Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte dem Fernsehsender N24: "Man sieht sich im Leben immer zweimal." Die FDP müsse sich künftig auf Alleingänge der Union einstellen, sagte er zudem dem "Handelsblatt" (Dienstag). "Wenn die FDP für sich das Recht herausnimmt, ohne Rücksicht auf die Union politische Entscheidungen zu treffen, dann eröffnet das auch für uns Möglichkeiten." CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe war im ZDF um Entspannung bemüht: "Die Würde des Amtes und auch das Ansehen von Joachim Gauck verbieten es jetzt, irgendwie nachzukarten".

    Ein Signal für eine mögliche Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach der Bundestagswahl 2013 ist die Einigung auf Gauck nach Meinung von SPD-Chef Gabriel nicht. Zugleich zeige sich am Ablauf der Suche einmal mehr ein Grundprinzip der Politik der Kanzlerin: "Wenn sie etwas ausschließt, dann wird's interessant", sagte Gabriel.

    Linke will Gegenkandidaten zu Gauck

    Zitate: Kanzlerin Merkel über Bundespräsident Wulff

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich immer wieder lobend über die politische Arbeit von Bundespräsident Christian Wulff geäußert - auch nach Beginn der Affäre um dessen umstrittenen Kredit.

    «Christian Wulff ist jemand, der auf die Menschen zugehen wird, der auch schwierige Situationen für unser Land erklären wird, der aus meiner Sicht genau der Richtige ist, um in dieser Zeit Bundespräsident zu sein. Und deshalb freue ich mich von ganzem Herzen.» (Merkel am 30.06.2010 nach der Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten)

    «Die Bundeskanzlerin hat volles Vertrauen in die Person und die Amtsführung von Christian Wulff.» (Regierungssprecher Steffen Seibert am 14.12.2011, einen Tag nachdem die «Bild»-Zeitung erstmals über den Hauskredit berichtet hatte)

    «Ich glaube, dass das eine wichtige Erklärung war.» (Merkel am 15.12.2011 nach einer schriftlichen Stellungnahme Wulffs)

    «Es hat sich nichts daran geändert, dass die Bundeskanzlerin volles Vertrauen in die Person Christian Wulff und in die Amtsführung des Bundespräsidenten hat. Er ist ein guter und anerkannter Bundespräsident.» (Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am 19.12.2011)

    «Der Bundespräsident macht eine hervorragende Arbeit, und das, was im Raume steht, wird von ihm persönlich aufgeklärt.» (Merkel am 19.12.2011 bei einem Besuch der Bundeswehrsoldaten im Kosovo)

    Wulff genieße weiter Merkels «vollstes Vertrauen». Die Kanzlerin und Wulff stünden «in sehr regelmäßigem und intensivem Kontakt zu einer Vielzahl von Fragen». (Regierungssprecher Seibert am 20.12.2011)

    «Die Worte des Bundespräsidenten stehen für sich. Ihnen ist nichts hinzuzufügen.» (Regierungssprecher Seibert am 22.12.2011 nach der ersten persönlichen Erklärung von Wulff)

    «Deshalb hat die Bundeskanzlerin jetzt auch nicht jeden Tag zu kommentieren, was der Bundespräsident tut oder nicht tut oder tun sollte.» (Vize-Regierungssprecher Streiter am 4.1.2012 unter Hinweis, dass der Präsident ein Verfassungsorgan ist)

    Am 4. März treffen sich die Spitzen von Union und FDP im Koalitionsausschuss wieder. Als Konsequenz aus der Kandidatensuche könnte das Umsetzen wichtiger Projekte schwieriger werden. Etwa bei Themen wie Steuern, der Vorratsdatenspeicherung  oder bei dem umstrittenen Urheberrechtsabkommen Acta. Die CSU-Spitze stellte sich ebenso wie die SPD am Montag einmütig hinter den früheren Chef der Stasiunterlagen-Behörde. Über die Auseinandersetzung mit der FDP sei gesprochen worden, hieß es nach Teilnehmerangaben. "Es herrschte aber die einhellige Meinung vor, dass man jetzt nach vorne schaut."

    Die Linke erwägt, einen Gegenkandidaten zu Gauck aufzustellen, der in knapp vier Wochen von Vertretern des Bundestags und der Länder zum 11. Bundespräsidenten gewählt werden dürfte. Eine Entscheidung soll bis Donnerstag fallen. Parteichefin Gesine Lötzsch sagte, als Vertreter des Finanzmarktkapitalismus und Befürworter von Hartz IV sei Gauck ein "Kandidat der kalten Herzen".

    Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier sagte in der ARD, Merkel habe mit ihrer Initiative für einen parteiübergreifenden Konsens dem Land "eine Zerreißprobe erspart mit wochenlangen Diskussionen". Um eine Alternative zu dem evangelischen Theologen Gauck anzubieten, hatte die Union jedoch auch Hamburgs früheren SPD-Bürgermeister Henning Voscherau ins Spiel gebracht.

    Diskussion um Ehrensold für Christian Wulff

    Währenddessen gibt es eine rege Diskussion um den Ehrensold des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff. Nach dem "Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten" von 1953 erhält ein Staatsoberhaupt mit Ablauf der Amtszeit bis zum Lebensende einen Ehrensold in Höhe der vollen Amtsbezüge, also von etwa 200.000 Euro pro Jahr.

    Dies gilt grundsätzlich auch bei einem vorzeitigen Ausscheiden "aus politischen oder gesundheitlichen Gründen". Von persönlichen Gründen ist allerdings nicht die Rede.

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    Eine aktuelle Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kommt zu dem Schluss: "Gründe, die im privaten Verhalten des Präsidenten liegen", seien eher nicht als politische Gründe zu werten, für die bei einem vorzeitigen Rücktritt der Ehrensold gezahlt werden müsse. Unter politischen Gründen seien vielmehr solche zu verstehen, "die weder gesundheitlicher, privater oder persönlicher Natur sind".

    Nahles: Wulff soll Ehrensold bekommen

    Führende Vertreter von Regierungs- und Oppositionsparteien haben sich unterdessen dafür ausgesprochen, die Debatte um den Anspruch des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff auf einen Ehrensold zu beenden. Den Ehrensold "soll er von mir aus bekommen", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". (dpa, afp, AZ)

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