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Neue Vorwürfe gegen Bundespräsidenten: Christian Wulff, das Oktoberfest und ein Nobelhotel

Neue Vorwürfe gegen Bundespräsidenten

Christian Wulff, das Oktoberfest und ein Nobelhotel

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    Neue Posse um Bundespräsident Christian Wulff: Filmunternehmer David Groenewold soll 2008 beim Oktoberfest einen 400-Euro-Aufpreis in einem Nobelhotel für Wulff und dessen Frau bezahlt.
    Neue Posse um Bundespräsident Christian Wulff: Filmunternehmer David Groenewold soll 2008 beim Oktoberfest einen 400-Euro-Aufpreis in einem Nobelhotel für Wulff und dessen Frau bezahlt. Foto: DPA

    Man könnte meinen, dass Bundespräsident Christian Wulff eigentlich genügend Fragen zu beantworten hat. Doch die Bild-Zeitung wirft täglich neue auf. Laut Bild am Sonntag hat der Filmunternehmer David Groenewold 2008 beim Münchner Oktoberfest einen 400-Euro-Aufpreis in einem Nobelhotel für Wulff und dessen Frau bezahlt.

    Unternehmer soll Hotel-Upgrade für das Ehepaar Wulff übernommen haben

    Nach Informationen der Boulevardzeitung soll der Berliner Filmunternehmer Groenewold 2008 ein Upgrade für eine Suite im Fünf-Sterne-Hotel "Bayerischer Hof" für das Ehepaar Wulff übernommen haben. Das Blatt beruft sich auf Groenewolds Anwalt Christian-Oliver Moser: "Mein Mandant hat dafür, dass Herr Wulff eine bessere Zimmerkategorie erhält, 200 Euro pro Übernachtung bezahlt. Es waren insgesamt zwei Nächte, also 400 Euro."

    Von der Übernahme der Kosten habe Wulff aber nichts gewusst. Das Upgrade sei erfolgt, weil der Ministerpräsident überraschend mit Frau und Kind angereist sei. "Daraufhin hat mein Mandant beim Hotel einen Zimmertausch veranlasst, so dass Herr Wulff das größere Zimmer erhielt", sagte Moser. Groenewold habe zunächst per Kreditkarte auch die Kosten von 110 Euro für ein Kindermädchen übernommen, das Geld dann aber umgehend von Wulff in bar zurückerhalten.

    Chronologie der Affäre Wulff

    25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.

    18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.

    12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.

    13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.

    14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.

    15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.

    19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.

    20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.

    22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.

    2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.

    4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.

    19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.

    16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.

    17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.

    18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.

    29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.

    9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.

    9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.

    9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.

    12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.

    14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.

    9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.

    19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.

    27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)

    Neue Zusammenhänge zwischen Wulff und Bild in den Medien

    Auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) erhob den anklagenden Zeigefinger und berichtete, das Staatsoberhaupt habe die Umwandlung seines Geldmarktdarlehens im November genau einen Tag nach Recherchen eines Bild-Reporters in seinem Wohnort Burgwedel vereinbart.

    Dem Bericht zufolge hatte am 24. November ein Bild-Journalist in Burgwedel versucht, Hintergründe über den Hauskauf der Familie Wulff zu recherchieren. Daraufhin habe sich Wulffs inzwischen entlassener Sprecher Olaf Glaeseker am 25. November bei der Bild-Zeitung beschwert. Am selben Tag hatte Wulff nach eigener Darstellung mit der BW-Bank die Umwandlung des günstigen Geldmarktdarlehens in ein Hypothekendarlehen vereinbart.

    Merkel über Wulff: "Wenn sich neue Fragen stellen, müssen neue Fragen beantwortet werden"

    Die Vorwürfe gegen Wulff werden in dieser Woche den niedersächsischen Landtag beschäftigten. Die Opposition will unter anderem darüber diskutieren, ob Wulffs 500.000-Euro-Kredit bei einer befreundeten Unternehmergattin einen Verstoß gegen das Ministergesetz darstellte. Am Freitag soll über einen Antrag der Linksfraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abgestimmt werden.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneuerte ihre Forderung nach umfassender Aufklärung. "Wenn sich neue Fragen stellen, müssen neue Fragen beantwortet werden", sagte die Parteichefin bei der Klausur des

    Zitate: Kanzlerin Merkel über Bundespräsident Wulff

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich immer wieder lobend über die politische Arbeit von Bundespräsident Christian Wulff geäußert - auch nach Beginn der Affäre um dessen umstrittenen Kredit.

    «Christian Wulff ist jemand, der auf die Menschen zugehen wird, der auch schwierige Situationen für unser Land erklären wird, der aus meiner Sicht genau der Richtige ist, um in dieser Zeit Bundespräsident zu sein. Und deshalb freue ich mich von ganzem Herzen.» (Merkel am 30.06.2010 nach der Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten)

    «Die Bundeskanzlerin hat volles Vertrauen in die Person und die Amtsführung von Christian Wulff.» (Regierungssprecher Steffen Seibert am 14.12.2011, einen Tag nachdem die «Bild»-Zeitung erstmals über den Hauskredit berichtet hatte)

    «Ich glaube, dass das eine wichtige Erklärung war.» (Merkel am 15.12.2011 nach einer schriftlichen Stellungnahme Wulffs)

    «Es hat sich nichts daran geändert, dass die Bundeskanzlerin volles Vertrauen in die Person Christian Wulff und in die Amtsführung des Bundespräsidenten hat. Er ist ein guter und anerkannter Bundespräsident.» (Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am 19.12.2011)

    «Der Bundespräsident macht eine hervorragende Arbeit, und das, was im Raume steht, wird von ihm persönlich aufgeklärt.» (Merkel am 19.12.2011 bei einem Besuch der Bundeswehrsoldaten im Kosovo)

    Wulff genieße weiter Merkels «vollstes Vertrauen». Die Kanzlerin und Wulff stünden «in sehr regelmäßigem und intensivem Kontakt zu einer Vielzahl von Fragen». (Regierungssprecher Seibert am 20.12.2011)

    «Die Worte des Bundespräsidenten stehen für sich. Ihnen ist nichts hinzuzufügen.» (Regierungssprecher Seibert am 22.12.2011 nach der ersten persönlichen Erklärung von Wulff)

    «Deshalb hat die Bundeskanzlerin jetzt auch nicht jeden Tag zu kommentieren, was der Bundespräsident tut oder nicht tut oder tun sollte.» (Vize-Regierungssprecher Streiter am 4.1.2012 unter Hinweis, dass der Präsident ein Verfassungsorgan ist)

    Politiker aller Fraktionen kritisierten Bundespräsidenten Wulff

    Politiker von CDU und FDP kritisierten erneut Wulffs Umgang mit der Affäre. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann nannte dessen Krisenmanagement in der FAS "schlichtweg eine Katastrophe". Der forschungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Martin Neumann, appellierte an das Verantwortungsgefühl "und die Weitsicht des Präsidenten".

    Die Opposition äußerte in Person von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier Zweifel, dass Wulff seine Aufgaben noch wahrnehmen könne. Das Staatsoberhaupt könne nur im Amt bleiben, weil Kanzlerin und Koalition ihn dort halten wollten, sagte Steinmeier der Bild am Sonntag.

    Wulff will weitere Informationen zu seiner Kreditaffäre veröffentlichen

    "Ob er so noch die notwendige Unabhängigkeit hat, die er braucht, um Gesetze derselben Regierungsmehrheit kritisch und objektiv zu prüfen, steht auf einem anderen Blatt. Da sind Zweifel angebracht", so Steinmeier weiter.

    In dieser Woche will Wulff zusätzliche Informationen zu seiner Kreditaffäre veröffentlichen. Sein Anwalt hat nach scharfer Kritik von vielen Seiten angekündigt, nun doch weitere Journalistenanfragen und die Antworten darauf publik machen. dpa/AZ

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