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Netzpolitik.org: Blogger im Visier der Justiz

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Blogger im Visier der Justiz

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    Markus Beckedahl betreibt das Internetportal Netzpolitik.org. Gegen ihn und seinen Kollegen André Meister ermitteln nun die Staatsanwälte.
    Markus Beckedahl betreibt das Internetportal Netzpolitik.org. Gegen ihn und seinen Kollegen André Meister ermitteln nun die Staatsanwälte. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Damals war es ein großes Nachrichtenmagazin – heute ist es ein kleiner Blog. Damals hatte der Spiegel geheime Dokumente über die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr veröffentlicht. Diesmal hat eine Handvoll Internet-Aktivisten Unterlagen des Verfassungsschutzes ins Netz gestellt, nach denen der Dienst eine Spezialeinheit zur Kontrolle der digitalen Kommunikation aufbauen will. Die Frage, ob das alles schon Landesverrat ist, beschäftigte damals bereits die Justiz – und sie tut es heute auch.

    Mehr als 50 Jahre nach der Spiegel-Affäre ermitteln Staatsanwälte in Deutschland wieder wegen angeblichen Landesverrats gegen Journalisten, nämlich den Gründer des Portals Netzpolitik.org, Markus Beckedahl, und seinen Kollegen André Meister. Beide beschäftigen sich seit langem mit dem deutsch-amerikanischen Spionageskandal, von dem Beckedahl behauptet, die Bundesregierung stecke „knietief im Sumpf von NSA und Co.“.

    Beckedahl und Meister genießen Ansehen in der Netzgemeinde

    Beide gelten als scharfe Kritiker der Geheimdienste, die das Internet ihrer Ansicht nach zu einer „globalen Totalüberwachungsmaschine“ umbauen wollen. Und beide haben es in der Netzgemeinde zu einigem Ansehen gebracht. Im vergangenen Jahr zeichnete das renommierte Grimme-Institut sie sogar mit seinem Online-Award aus.

    Ob sie tatsächlich wegen Landesverrats angeklagt werden, ist allerdings alles andere als sicher – fürs Erste ruht das Verfahren jedenfalls. Nachdem Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Verfassungsschutzes, die beiden Blogger angezeigt hatte, liegt der Fall bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe – und die hat erst einmal eine Expertise in Auftrag gegeben, die den Verdacht erhärten bzw. entkräften soll. Bis dahin, verspricht Generalbundesanwalt Harald Range in der Frankfurter Allgemeinen, werde mit Blick auf das hohe Gut der Pressefreiheit „mit den Ermittlungen innegehalten“.

    Das Gutachten muss die Frage beantworten, ob Beckedahl und Meister überhaupt Staatsgeheimnisse verraten haben, als sie die Pläne des Verfassungsschutzes zur besseren Überwachung von Online-Netzwerken öffentlich machten. Wirklich exklusiv war die Nachricht ja schon damals nicht mehr: Über den Plan hatten zuvor auch die Süddeutsche Zeitung, der NDR und der WDR berichtet.

    Bei einer Verurteilung wegen Landesverrates würde beiden Bloggern eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr drohen. Entsprechend heftig sind die Reaktionen: Michael Konken, der Vorsitzende des Journalistenverbandes, spricht von einer Posse, die Grüne Renate Künast von einer „rechtsstaatlichen Blamage“, weil Range einerseits nicht gegen die NSA ermittle, dafür aber „zack, zack“ gegen zwei kritische Journalisten.

    Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) hat so seine Zweifel, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten überhaupt um Staatsgeheimnisse handelt. Er sagt aber auch: „Der Generalbundesanwalt muss Ermittlungen aufnehmen, wenn nach seiner Einschätzung ein Anfangsverdacht vorliegt.“

    Netzpolitik.org finanziert sich durch Spenden

    Beckedahl selbst versteht die Anzeige als Einschüchterungsversuch, der Journalisten und ihre Informanten von weiteren Veröffentlichungen abhalten soll – und das auch noch „gedeckt durch die Bundesregierung“. Tatsächlich hat das Kanzleramt im Streit um die NSA aber nur mit juristischen Schritten gegen die gedroht, die als geheim eingestufte Unterlagen an Medien weiterreichen, nicht aber gegen Journalisten, die sie veröffentlichen.

    Im Umkehrschluss hieße das: Maaßen hat aus eigenem Antrieb gehandelt und Beckedahl und Meister nicht in höherem Auftrag angezeigt. Er ärgert sich seit langem darüber, dass geheimes Material oft öffentlich wird, wenn es „den parlamentarischen Bereich“ erreicht, etwa die Mitglieder des Untersuchungsausschusses oder deren Mitarbeiter. „Transparenz kann nicht so weit gehen, dass wir unsere Geschäftsgeheimnisse offen vor uns hertragen“, hat Maaßen gerade in einem Interview gewarnt. „Das würde ja unsere operative Arbeit ad absurdum führen.“ Der Verfassungsschutz sei nicht der Nachrichtendienst von Nordkorea, der die eigenen Bürger ausspitzele und beobachte.

    Beckedahl und Meister, deren Blog sich durch Spenden finanziert, wollen sich durch die Ermittlungen nicht einschüchtern lassen: „Wir freuen uns riesig über die Solidaritätswelle, die wir gerade erleben.“ Egal, wie das Verfahren endet – gewonnen haben sie in jedem Fall etwas: Aufmerksamkeit. Der Brief des Generalbundesanwaltes hängt in ihrem Büro gerahmt an ihrer Wand.

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