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Neonazi-Morde: Festgenommener Ralf Wohlleben: Karriere bei der NPD

Neonazi-Morde

Festgenommener Ralf Wohlleben: Karriere bei der NPD

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    Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, aufgenommen am 18.08.2007 während einer NPD-Demonstration in Jena.
    Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, aufgenommen am 18.08.2007 während einer NPD-Demonstration in Jena. Foto: dpa

    Der 36-Jährige gilt als langjähriger Weggefährte des 1998 untergetauchten Neonazi-Trios und war später jahrelang Mitglied im Thüringer Landesvorstand der NPD. Zusammen mit zwei weiteren Männern und den drei Bombenbauern gehörte er in den 90er Jahren zunächst zur sechsköpfigen "Kameradschaft Jena".

    Ausgetreten aus "persönlichen Gründen"

    Ein Jahr nach dem Untertauchen seiner Bekannten trat Wohlleben nach Verfassungsschutzangaben Anfang 1999 in die NPD ein, wo er in Thüringen rasch Karriere machte: Mit Unterbrechungen sei er von 1999 bis Mitte 2008 Vorstandsmitglied gewesen - von Juli 2006 bis Mai 2008 sogar stellvertretender Landesvorsitzender in

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

    In den Thüringer Verfassungsschutzberichten füllt er über Jahre hinweg Seiten - sowohl mit Aktivitäten für die NPD als auch für die "freie" Szene: Er machte aus einem in der Stadt als "Braunes Haus" etikettierten ehemaligen Gasthaus einen auch überregional genutzten Treffpunkt der rechten Szene, hielt Reden bei Kundgebungen in großen und kleinen Städten oder vor einem Asylbewerberheim, störte bei einer Ausstellung des Verfassungsschutzes und organisierte landesweite Treffs der Szene. Seine Aktivität sei einer der Belege für die Vernetzung von NPD und Neonaziszene in Thüringen, heißt es in einem der Verfassungsschutzberichte.

    Nicht genug Material gegen Wohlleben?

    Nach einer Durchsuchung bei Wohlleben am Donnerstag vergangener Woche hatte er in Medien erklärt, dass das Bundeskriminalamt nicht genug Material gegen ihn in der Hand haben dürfte. Er habe die Untergetauchten nie unterstützt und seit 1998 auch keinen Kontakt mehr zu ihnen. dpa

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