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Naturkatastrophe: Pakistan: Diesmal soll die Hilfe ankommen

Naturkatastrophe

Pakistan: Diesmal soll die Hilfe ankommen

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    Ein Soldat wirft ein Hilfspaket über einem ehemals überfluteten Gebiet in Pakistan ab.
    Ein Soldat wirft ein Hilfspaket über einem ehemals überfluteten Gebiet in Pakistan ab. Foto: os lb wst

    Zwei Meldungen fallen einem in der pakistanischen Tageszeitung Dawn sofort auf an diesem Morgen: "Die Deutschen spenden acht Millionen Euro" heißt die eine Überschrift, "Salzburg-Gala bringt 300 000 Euro" die andere. Ausführlich wird über die Spendensendung im ZDF und über die Benefizveranstaltung der Salzburger Festspiele berichtet. Direkt neben der Schlagzeile, dass wieder eine Million Menschen im Süden Pakistans auf der Flucht vor den tödlichen Fluten sind, stehen diese beiden Geschichten aus Deutschland und Österreich - zwei Ländern, von denen die meisten Pakistaner noch nie etwas gehört haben.

    "Wir brauchen die Hilfe aus dem Ausland", sagt Khadim Hussain, der stellvertretende Leiter des "National Ressource Center" in Islamabad. "Die Katastrophe ist einfach zu groß." So groß, dass man sich die Ausmaße gar nicht vorstellen kann. Rund 1500 Kilometer zieht sich die zerstörerische Flut durch das Land. Das Nationale Hilfszentrum wurde vom Staat 2005 nach dem verheerenden Erdbeben mit seinen 84 000 Todesopfern gegründet, um schnell Hilfe leisten zu können bei Naturkatastrophen. Und zwar aus dem eigenen Land, mit Unterstützung der eigenen Bevölkerung.

    In der Nationalbibliothek, die im gleichen Gebäude untergebracht ist, lagern zwischen den Regalen mit den Kinderbüchern in diesen Tagen Reissäcke, Tee, Speiseöl-Flaschen, Tüten voller Kleidung, Seife und ein orangefarbener Teddy: Hilfsgüter, die von Freiwilligen auf der Straße gesammelt wurden. Jeden Tag steht Shahid Abbass im Stadtteil F am Rand einer viel befahrenen Straße unter einem provisorischen Dach aus Stoff, das ihn vor der Sonne schützt. Er nimmt entgegen, was die Pakistaner für die Flutopfer bringen. Nebenan, an der Shell-Tankstelle, hängen riesige Plakate, die um Spenden bitten. Am Eingang zur Bank klebt der Aufruf, für die Nothilfe-Stiftung des Premierministers zu geben.

    "Alles, was die Leute entbehren können, wird gebraucht", sagt Shahid Abbass. Gerade hat jemand ein Paket für eine Mutter mit einem Neugeborenen vorbeigebracht: Söckchen sind darin, ein paar Kleidungsstücke, ein Moskitonetz, die Babydecke, Milchpulver und eine Puppe mit Pelzjacke. Daneben liegen verschiedene Medikamente, Schuhe im Originalkarton, ein paar Thermoskannen. Und stapelweise Kleidung.

    Alle paar Tage fährt ein Lastwagen die Hilfsgüter in die Flutgebiete. Anfangs waren diese Verteilaktionen unkoordiniert, gibt Shahid Abbass zu. Seitdem in Charsadda, zwei Stunden nordwestlich von Islamabad, einer ihrer Lkws von ungeduldigen Flutopfern gestürmt worden ist, planen sie besser. Erst nach Rücksprache mit dem District-Officer, dem für eine Region zuständigen Verwaltungsbeamten, werde die Hilfe genau dorthin gebracht, wo sie auch gebraucht wird. Shahid Abbass und seine Kollegen arbeiten mit dem Militär zusammen, das die Pakete in die Dörfer fliegt, die von der Außenwelt noch abgeschnitten sind.

    Nach dem Erdbeben in Kaschmir landeten die Hilfsgüter aus dem eigenen Land oft am Straßenrand. Wenn Lkw-Fahrer in den Bergen nicht weiterkamen, kippten sie die Kartons damals einfach ab. Immer wieder sah man riesige Haufen an Kleidung auf der Straße liegen, verdreckt, nass und nicht mehr zu gebrauchen. Oder man sah Flüchtlingslager, die aussahen wie Müllhalden, weil jemand die Kleidung, die Plastiksäcke, die Kartons einfach hingeworfen hatte. Diesmal soll das nicht vorkommen.

    "Die Leute geben viel - auch, weil jetzt Ramadan ist", sagt Syed Imran Shah, der ein paar Meter weiter die Sammelstelle der islamistischen Hilfsorganisation "Al-Khidmat" betreut. Al-Khidmat gehört zur legalen, aber fundamentalistischen Massenpartei Jamaat-e-Islami. Jeden Tag von 9 Uhr bis Mitternacht sitzt Shan an der Straße und wartet auf Spenden. Zehn, 15 Leute hätten in den ersten Tagen Kleidung vorbeigebracht, Lebensmittel, Geld. Jetzt werden es weniger, sagt Syed

    Alle paar Meter ist an den Ausfallstraßen Islamabads eine andere Sammelstelle eingerichtet. Die Parlamentsabgeordnete Rubina Qaim Khani sammelt für die Flutopfer, die pakistanische Luftwaffe und der ehemalige Cricket-Nationalspieler Imran

    Viele der einheimischen Hilfsorganisationen sind religiös motiviert, das braucht in dem islamischen Staat mit einer zutiefst religiösen Gesellschaft nicht zu verwundern. Moderate wie extremistische islamische Gruppen sind darunter. "Sie gewinnen Sympathien", sagt Gul Khan, "die Herzen der Menschen". Dass religiöse Extremisten oder gar die Taliban die Not der Flutopfer für sich nutzen könnten, glaubt Gul Khan nicht. "Die waren schon vorher da." Außerdem sei den Flutopfern im Moment egal, ob die Hilfe aus Amerika kommt, aus Europa oder von Fundamentalisten. "Sie brauchen einfach alles."

    Laut Gul Khan schürt die pakistanische Regierung ganz bewusst diese Angst vor einem Erstarken der Taliban, "um Europa zu noch mehr Hilfe zu motivieren". Das sieht auch Nationalheld Imran Khan so: "Pakistan ist eine große Nation, wir sind 170 Millionen", sagt er, "glaubt die Welt ernsthaft, wir hätten alle nur die Taliban im Sinn?"

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