Es ist dieses Bekenntnis, auf das die Nato so sehr gehofft hatte: „Ich will ganz Europa wissen lassen, dass die Vereinigten Staaten da sind“, sagte US-Präsident Joe Biden am Montag beim Treffen mit den übrigen 29 Staats- und Regierungschefs der Allianz. Europa beizustehen, sei für Washington „eine heilige Pflicht“. Gut vier Jahre, nachdem sein Vorgänger Donald Trump die Verbündeten mit Drohungen eines Austritts der USA aus dem Bündnis verschreckt hatte, wollte Biden wieder Ruhe im transatlantischen Verhältnis schaffen. „Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle und wird mit einer kollektiven Antwort beantwortet werden.“ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ergänzte: „Heute werden wir ein neues Kapitel in den transatlantischen Beziehungen eröffnen.“ Und weiter: „Niemand soll glauben, dass er die Nato spalten oder zerlegen könnte.“
Die Nato feiert nach vier Jahren Trump so etwas wie ihre Gesundung
Das Bündnis feierte am Montag so etwas wie seine Gesundung – nach vier Jahren des Siechtums mit Donald Trump. Nun sollten „Einigkeit und Zusammenhalt“ (Stoltenberg) demonstriert werden – zum einen, weil der US-Präsident gestärkt in das Gipfeltreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Mittwoch in Genf gehen will. Zum anderen, weil der neue Mann im Weißen Haus ein Bündnis gegen China benötigt.
„Wir treten nicht in einen Kalten Krieg ein und China ist nicht unser Gegner und nicht unser Feind“, betonte der Nato-Generalsekretär. Als 2010 das bis heute gültige strategische Konzept der Allianz verabschiedet wurde, war China noch kein Thema. Inzwischen spricht man im Brüsseler Nato-Hauptquartier von einer „neuen Herausforderung“, da Peking sich zu einer Großmacht gemausert habe, allerdings „unsere Werte nicht teilt“. Man formulierte dennoch gebremst, weil die Nato zugleich auf Dialog setzt. Das fernöstliche Riesenreich solle „internationale Verpflichtungen einhalten“ und der „Rolle als Großmacht“ gerecht werden, heißt es im Beschluss des Gipfeltreffens. Außerdem solle Peking Transparenz und vertrauensbildende Maßnahmen schaffen.
Boris Johnson: Biden wird in den nächsten Tagen harte Botschaften an Putin richten
Ganz andere Töne gab es dagegen Richtung Moskau. „Russland verhält sich jetzt gegenüber den Nato-Staaten schlimmer und tritt störender auf als in den vergangenen Jahrzehnten“, sagte der kanadische Premierminister Justin Trudeau. Sein britischer Amtskollege Boris Johnson zeigte sich denn auch schon am Montag überzeugt, dass „Präsident Biden in den nächsten Tagen einige recht harte Botschaften an Präsident Putin richten wird“.
Doch die Nato braucht mehr als ein bisschen Harmonie und Trost nach überstandener Krise. Am Ende des Treffens stand ein 138 Herausforderungen umfassender Katalog, der bis zum kommenden Jahr in ein neues Strategisches Konzept unter dem Titel „Nato 2030“ gegossen werden soll. „Angesichts der veränderten Sicherheitslage ist es richtig, dass ein neues strategisches Konzept erarbeitet wird, um die Herausforderungen und die Reaktionen der Nato noch einmal klar zu beschreiben“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Gipfeltreffen. Konkret geht es neben China und Russland um den Kampf gegen den Terror, um neue Wege der Abschreckung angesichts der wachsenden Bedrohung durch atomare, biologische und chemische Waffen.
Beistandsversprechen der Nato soll auf den Weltraum ausgedehnt werden
Das Beistandsversprechen nach Artikel 5 soll auf den Weltraum ausgedehnt werden und auch für solche Fälle gelten, in denen Satelliten zerstört werden. Außerdem will sich die Allianz noch besser gegen Cyberattacken rüsten. Die Angst vor Unterwanderung der westlichen Demokratien ist groß. Die Furcht vor Hackerangriffe auf die sensible Infrastruktur der Mitgliedstaaten vielleicht sogar noch größer. „Lasst uns die Werte, die uns vereinen, die Regeln und Prinzipien, die unser Bündnis stützen und seine Stärke ausmachen, klar bekräftigen“, machte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron seinen Amtskollegen Mut. Vor zwei Jahren hatte er dem Bündnis bescheinigt, „hirntot“ zu sein.
Doch ob die Einigkeit und der Zusammenhalt am Ende wirklich Bestand haben, muss sich erst zeigen. Schließlich gehören zur Nato auch einige Staaten, die sich starken Zweifeln bezüglich ihres demokratischen Werte-Bewusstseins gegenübersehen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gehört wohl dazu und beschränkte sich am Montag darauf, seinen Freunden „mangelnde Unterstützung und Solidarität“ im Kampf gegen „jede Form von Terrorismus“ vorzuwerfen. Er stieß auf Unverständnis. Aber er setzte sich immerhin - zum ersten Mal seit Jahren – mit dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis an einen Tisch. Ein Gespräch gab es auch mit Bundeskanzlerin Merkel, von dem es hieß, man habe über den Stand der Vorbereitungen für den EU-Gipfel Ende des Monats gesprochen, bei dem unter anderem die Frage einer Neuauflage des Flüchtlingsdeals ansteht.
Als die Beratungen der 30 Nato-Chefs nach gut zweieinhalb Stunden zu Ende gingen, herrschte im Nato-Hauptquartier so etwas wie Aufbruchsstimmung. Für ein erstes starkes Signal der Allianz an die übrige Welt musste das erst einmal reichen.
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