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Nahostkonflikt: Israel und Hamas einigen sich auf zwölf Stunden Waffenruhe

Nahostkonflikt

Israel und Hamas einigen sich auf zwölf Stunden Waffenruhe

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    Israel hält bislang am Gaza-Einsatz fest.
    Israel hält bislang am Gaza-Einsatz fest. Foto: Jim Hollander (dpa)

    Das sind die Akteure und Vermittler im Gaza-Konflikt

    HAMAS: Die Kernforderung der im Gazastreifen herrschenden Hamas ist eine Aufhebung der Blockade des Palästinensergebiets durch Israel und Ägypten. Sie ist derzeit nicht zu einer Rückkehr zum Status quo vor Ausbruch der neuen Kämpfe bereit. Außerdem fordert sie die Freilassung von rund 50 Hamas-Häftlingen, die im Tausch gegen den israelischen Soldaten Gilad Schalit freigelassen, dann aber nach dem Mord an drei israelischen Teenagern wieder festgenommenen worden waren. Die Verhandlungen für die Hamas führt der Exilchef der Organisation, Chaled Maschaal. Er betont, nach all den Todesopfern könne Hamas nicht von ihren Forderungen abweichen. Es seien inzwischen die Forderungen aller Palästinenser im Gazastreifen.

    DIE PALÄSTINENSERBEHÖRDE: Der gemäßigte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist als Vermittler zwischen den verschiedenen Parteien im Einsatz. Auch er tritt für eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens ein, die schon 2006 begonnen hatte und dann immer weiter verschärft wurde. Seine Fatah-Organisation hatte Anfang Juni eine Einheitsregierung mit der rivalisierenden Hamas gebildet.

    ISRAEL: Israel hat die von Ägypten vorgeschlagen Waffenruhe akzeptiert, die Hamas bisher ablehnt. Der jüdische Staat fordert als Bedingung für ein Ende seiner Angriffe im Gazastreifen einen Stopp der Raketenangriffe militanter Palästinenser auf israelische Städte und eine Wiederherstellung der Ruhe. Rechtsorientierte Kabinettsmitglieder haben allerdings eine Zerschlagung der Hamas und ihrer militärischen Infrastruktur im Gazastreifen verlangt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich für eine Entwaffnung der Hamas ausgesprochen.

    KATAR: Das kleine, aber einflussreiche Emirat sieht sich als «Verbindungskanal» zwischen der Hamas und der internationalen Gemeinschaft. Die Hauptstadt Doha war in den vergangenen Tagen Zentrum intensiver Verhandlungen. Katar und sein Scheich Tamim bin Hamad al-Thani sind wichtigster Geldgeber der Hamas. Das Emirat ließ wissen, es werde keinen Druck auf die Palästinenserorganisation ausüben, die von Ägypten vorgeschlagene Waffenruhe zu akzeptieren. Hier spiegelt sich auch das schlechte Verhältnis zwischen Kairo und Doha wider. Katar unterstützt in Ägypten die Muslimbrüder, die vor einem Jahr vom ägyptischen Militär gestürzt worden waren.

    ÄGYPTEN: Unter Langzeitherrscher Husni Mubarak und auch unter dem islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi war Ägypten wichtigster Vermittler im Nahost-Konflikt. Doch diese Rolle hat Kairo verloren. Vor allem das Verhältnis zur Hamas ist schlecht, die einst aus den in Ägypten massiv verfolgten Muslimbrüdern hervorging. Kritiker klagen, Ägypten rede über die Hamas, aber nicht mit ihr - direkte Gespräche zwischen beiden Seiten gebe es nicht. Als Hamas-Exilchef Chaled Maschaal erklärte, Ägypten habe ihn zu Gesprächen eingeladen, ließ Kairo über Diplomaten verbreiten, diese Nachricht gehöre zu der «Kette von Lügen», die Hamas in die Welt setze.

    TÜRKEI: Wie Katar gehört auch die Türkei zu den Unterstützern der Hamas. Beide Länder haben sich in den vergangenen Tagen abgestimmt und die Bedingungen der Palästinenserorganisation für eine Waffenruhe abgesegnet. Das Verhältnis Ankaras zu Israel ist seit dem Übergriff israelischer Soldaten auf Aktivisten an Bord des türkischen Schiffes «Mavi Marmara» 2010 angespannt. Für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan kommt der Gazakonflikt zudem zu einer ungünstigen Zeit, da er sich im Wahlkampf für das Präsidentenamt befindet. Erdogan warf Israel wegen der Gaza-Militäroffensive Grausamkeiten vor, die sogar «Hitler» überträfen.

    USA: Für Amerika bedeutet der Konflikt einen Drahtseilakt: Einerseits betont Barack Obama, dass Washington fest an der Seite Israels stehe. Jedes Land habe das Recht, sich gegen Raketenbeschuss zu verteidigen. Andererseits ist er über die steigenden Opferzahlen in Gaza besorgt. Hinter vorgehaltener Hand fragt sich Washington, ob die Gewalt in Gaza tatsächlich angemessen ist. Zwar hat Obama sich als Vermittler angeboten. Doch eine Strategie, wie es beide Seiten zur Mäßigung bringen könnte, lässt Washington nicht erkennen. Erst kürzlich sind die USA mit ihrem Vermittlungsversuch in Sachen Nahostfrieden gescheitert. Die Autorität der USA im Nahen Osten dürfte dadurch wohl nicht gewachsen sein.

    Die Waffenruhe solle ab acht Uhr Ortszeit (sieben Uhr MESZ) gelten, erklärte die Armee in der Nacht zum Samstag. Zuvor hatte auch ein Hamas-Vertreter der Feuerpause zugestimmt. In Paris berät am Mittag eine Außenministerkonferenz über die Gazakrise und eine mögliche längere

    US-Außenminister Kerry nur teilweise erfolgreich

    In der Mitteilung der Armee hieß es, Soldaten würden auch während der Feuerpause geheime Tunnel der Islamisten suchen und zerstören. Sollten Raketen abgeschossen oder sie selbst angegriffen werden, werde sie zurückschlagen. Im Gazastreifen lebende Zivilisten, die das Militär aufgefordert habe, ihre Häuser angesichts bevorstehender Angriffe zu verlassen, sollten es "unterlassen zurückzukehren".

    Das Sicherheitskabinett unter Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte zuvor eine von US-Außenminister John Kerry vorgeschlagene mehrtägige Waffenruhe "einstimmig abgelehnt", wie der israelische Fernsehender Channel 1 TV berichtete. Verteidigungsminister Mosche Jaalon hatte seine Soldaten sogar aufgefordert, sich für eine "bedeutende Ausweitung der Bodenoffensive" im Gazastreifen bereitzuhalten.

    Diplomatisches Ringen um langfristige Waffenruhe geht weiter

    Kerry traf am Samstag zu internationalen Beratungen über den Gazakonflikt in Paris ein. Aus Diplomatenkreisen in der französischen Hauptstadt verlautete am Freitagabend, der französische Außenminister Laurent Fabius werde neben Kerry und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auch seine Kollegen aus Großbritannien, Italien, Katar und der Türkei sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton empfangen.

    Es gehe darum, die derzeit kursierenden internationalen Vorschläge für eine Waffenruhe, allen voran die ägyptische Initiative, zusammenzuführen, um "möglichst schnell" die Bedingungen für eine Waffenruhe im Gazastreifen auszuarbeiten, hieß es aus den Kreisen.

    Israelische Militäroffensive forderte bislang über 800 Tote

    Wenige Stunden vor Beginn der Feuerpause tötete die israelische Armee in der Nacht zum Samstag im Gazastreifen nach Angaben von Ärzten 19 Palästinenser, darunter vier Kinder und ein Sanitäter. Die Zahl der getöteten Palästinenser seit dem Beginn der israelischen Militäroffensive gegen den Gazastreifen am 8. Juli stieg nach dem jüngsten Luftangriff auf 888. Am Freitagabend wurden außerdem zwei israelische Soldaten getötet. Insgesamt wurden damit auf Seiten Israels 37 Soldaten und drei Zivilisten getötet.

    Im Westjordanland erschossen israelische Soldaten in der Nacht zum Samstag bei anhaltenden Protesten gegen die Militäroffensive im Gazastreifen zwei palästinensische Jugendliche. Wie palästinensische Sicherheitsdienste mitteilten, wurden bei Zusammenstößen im Dorf Beit Fadschar südlich von Bethlehem ein 16-Jähriger getötet und fünf weitere verletzt. Bei einem Protest am Militärkontrollpunkt Dschalama im nördlichen

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    1947 beschlossen die Vereinten Nationen, das von den Briten besetzte Palästina zu teilen - in einen arabischen und einen jüdischen Teil. Israel akzeptierte den Plan, die arabische Seite lehnte ihn ab.

    1948 proklamierte David Ben Gurion dort die Gründung des Staates Israel.

    Nur einen Tag später griffen Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten und der Irak den neuen Staat Israel an. Dieser konnte sich nicht nur verteidigen, Israel eroberte auch arabische Gebiete, die es bis heute besetzt hält.

    Bis heute streiten Israel und Palästinenser um diese besetzten Gebiete, darunter das Westjordanland (englisch: Westbank) mit Ost-Jerusalem und den Gazastreifen.

    1987 begann die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten einen Aufstand gegen die israelische Besatzung, die sogenannte Intifada. 2000 begann die zweite Intifada, diesmal mit noch mehr militärischer Gewalt. Israel reagierte ebenfalls mit militärischen Mitteln.

    Ein gewaltiger Streitpunkt ist auch der israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebieten. Auf den Golanhöhen, in Ost-Jerusalem und im Westjodanland schaffen die Israelis immer neue Siedlungen - und damit Tatsachen. Für die Palästinenser blieben diese Siedlungen Provokationen.

    Den Kampf gegen Israel führt vor allem die Hamas. Sie ist eine palästinensische Organisation mit dem Ziel, Israel durch Terror und Gewalt zu vernichten.

    Im Jahr 2005 räumten die Israelis den Gazastreifen.

    Die Hamas wurde 1987 gegründet. Seit 2007 stellt sie als politische Partei die Regierung des Gaza-Streifens.

    Zwischen Israel und Hamas kommt es immer wieder zur Eskalation von Gewalt. Im Sommer 2014 wurden israelische Städte mehrfach mit Raketen beschossen. Israel reagierte mit Luftangriffen.

    Am Freitag hatten Soldaten und jüdische Siedler im israelisch besetzten Westjordanland fünf Palästinenser erschossen, die sich an Protesten gegen Israels Militäreinsatz beteiligten. Anlässlich des letzten Freitags im muslimischen Fastenmonat Ramadan hatten die großen Palästinenserbewegungen zu einem "Tag des Zorns" aufgerufen, um gegen die Offensive im Gazastreifen zu protestieren.

    Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sind vier Fünftel der palästinensischen Opfer Zivilisten. Das UN-Kinderhilfswerk gab die Zahl der getöteten palästinensischen Kinder am Freitag mit 192 an. afp/AZ

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