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Nahost: So steigt die Türkei zum Waffenhändler auf

Nahost

So steigt die Türkei zum Waffenhändler auf

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    In Idlib setzte die Türkei erstmals ihre modernen Kampfdrohnen ein.
    In Idlib setzte die Türkei erstmals ihre modernen Kampfdrohnen ein. Foto: Bakr Alkasem, dpa

    In der syrischen Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei begann in diesem Frühjahr eine neue Ära in der Militärpolitik des Nahen Ostens: Zum ersten Mal setzte die Türkei dort moderne Kampfdrohnen gegen die Armee eines anderen Staates ein. Die unbemannten Fluggeräte zerstörten bei Gefechten gegen syrische Regierungstruppen in Idlib viele Panzer und Artilleriestellungen. Zum Dank soll ein syrischer Regierungsgegner sein neugeborenes Kind „Bayraktar“ genannt haben – nach der türkischen Drohne „Bayraktar TB2“.

    Auch in Libyen kommen türkische Drohnen zum Einsatz. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sie in das nordafrikanische Land geschickt, um der Einheitsregierung in Tripolis zu helfen, die von den Truppen des Rebellengenerals Khalifa Haftar angegriffen wird. Die Bayraktar TB2 sei international eine der besten Drohnen ihrer Klasse, urteilte die israelische Fachzeitschrift Israel Defense.

    Ankara hat den Rüstungssektor systematisch ausgebaut

    Auf den ersten Blick mag dies verwundern. Schließlich war die Türkei im Westen lange als ein Land bekannt, das zwar eine große Armee hat, in Rüstungsfragen aber größtenteils auf Importe angewiesen ist. Im Westen sind Waffenlieferungen an den Partner an der Südostflanke der Nato häufig umstritten. So stürzte der türkische Wunsch nach Kampfpanzern des Typs Leopard vor 20 Jahren die damalige rot-grüne Bundesregierung in Berlin in eine Krise.

    Diese Schwierigkeiten, moderne Rüstungsgüter aus dem Westen zu erhalten, sind ein wichtiger Grund dafür, dass sich die Türkei auf die Entwicklung eigener Waffen und auch Drohnen verlegt hat. In den vergangenen Jahren hat Ankara den Rüstungssektor systematisch ausgebaut. Heute führt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri die Türkei auf Rang 14 der weltweit größten Rüstungsexporteure. Hauptabnehmer türkischer Waffen sind Turkmenistan, Oman und Pakistan. Bis zum Jahr 2023, dem hundertsten Gründungsjubiläum der türkischen Republik, soll der türkische Waffenexport von derzeit knapp drei Milliarden Dollar auf mehr als 10 Milliarden im Jahr steigen.

    Türkische Waffen sind kampferprobt

    Türkische Waffen gehen kampferprobt an die Kunden. Die Entwicklung der Drohnen etwa verschaffte der türkischen Armee einen entscheidenden Vorteil im Konflikt mit der kurdischen Terrororganisation PKK. Früher konnten sich kleine PKK-Trupps beinahe unbehelligt in den unwegsamen Bergen Südostanatoliens bewegen. Die fast lautlosen Drohnen brachten die PKK in die Defensive. „Der wichtigste Vorteil der Kampfdrohnen für die Türkei ist, dass die Technologie es den Militärs erlaubt, ein Konfliktgebiet zu überblicken und Ziele zu identifizieren“, sagte Ulrike Franke, Expertin für Kampfdrohnen an der Denkfabrik European Council on Foreign Relations in London, im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Mindestens ebenso wichtig sind politische Überlegungen. Unter Erdogan hat sich das Selbstverständnis der Türkei grundlegend gewandelt. Das Land betrachtet sich als eigenständiger Akteur, der seine eigenen Interessen verfolgt – und der dabei Krach mit Europa oder Amerika in Kauf nimmt. „Ohne wirksame militärische Abschreckung kann die Türkei ihr Ziel, eine Regionalmacht zu werden, nicht erreichen“, sagte Ali Cinar, Chef der protürkischen Denkfabrik Turkish Heritage Foundation in Washington.

    Verteidigungsexperte: Türkische Außenpolitik verlässt sich immer stärker auf militärische Macht

    Der Verteidigungsexperte Burak Bekdil vom Institut Middle East Forum in Philadelphia in den USA verweist darauf, dass sich die türkische Außenpolitik immer stärker auf militärische Macht verlässt, also auf „hard power“ – im Gegensatz zur „soft power“, der Einflussnahme über Diplomatie, Wirtschaft oder Kultur. Die „hard power“ sei ein „untrennbarer Bestandteil der türkischen Außenpolitik“ geworden, sagte Bekdil unserer Redaktion. Als Beispiele nennt er die vier Militärinterventionen der Türkei im benachbarten Syrien seit dem Jahr 2016.

    Auch im Streit um Erdgasvorräte im östlichen Mittelmeer setzt Ankara auf Härte und hat Kriegsschiffe in die Region entsandt. Mit einer weiteren Stärkung ihrer Armee will die Türkei diesen Trend in den kommenden Jahren fortsetzen.

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