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Nahost: Feuerpause zeigt Ausmaß der Zerstörung im Gaza-Streifen

Nahost

Feuerpause zeigt Ausmaß der Zerstörung im Gaza-Streifen

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    Ein völlig zerstörter Straßezug im Gazastreifen.
    Ein völlig zerstörter Straßezug im Gazastreifen. Foto: Oliver Weiken (dpa)

    Der Nahost-Konflikt

    Israel, Palästinenser, Westjordanland, Gaza-Streifen, Hamas: Was Sie über den Nahost-Konflikt wissen müssen.

    1947 beschlossen die Vereinten Nationen, das von den Briten besetzte Palästina zu teilen - in einen arabischen und einen jüdischen Teil. Israel akzeptierte den Plan, die arabische Seite lehnte ihn ab.

    1948 proklamierte David Ben Gurion dort die Gründung des Staates Israel.

    Nur einen Tag später griffen Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten und der Irak den neuen Staat Israel an. Dieser konnte sich nicht nur verteidigen, Israel eroberte auch arabische Gebiete, die es bis heute besetzt hält.

    Bis heute streiten Israel und Palästinenser um diese besetzten Gebiete, darunter das Westjordanland (englisch: Westbank) mit Ost-Jerusalem und den Gazastreifen.

    1987 begann die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten einen Aufstand gegen die israelische Besatzung, die sogenannte Intifada. 2000 begann die zweite Intifada, diesmal mit noch mehr militärischer Gewalt. Israel reagierte ebenfalls mit militärischen Mitteln.

    Ein gewaltiger Streitpunkt ist auch der israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebieten. Auf den Golanhöhen, in Ost-Jerusalem und im Westjodanland schaffen die Israelis immer neue Siedlungen - und damit Tatsachen. Für die Palästinenser blieben diese Siedlungen Provokationen.

    Den Kampf gegen Israel führt vor allem die Hamas. Sie ist eine palästinensische Organisation mit dem Ziel, Israel durch Terror und Gewalt zu vernichten.

    Im Jahr 2005 räumten die Israelis den Gazastreifen.

    Die Hamas wurde 1987 gegründet. Seit 2007 stellt sie als politische Partei die Regierung des Gaza-Streifens.

    Zwischen Israel und Hamas kommt es immer wieder zur Eskalation von Gewalt. Im Sommer 2014 wurden israelische Städte mehrfach mit Raketen beschossen. Israel reagierte mit Luftangriffen.

    Die Waffenruhe lenkte den Blick auf die verheerenden Kriegszerstörungen. Rettungskräfte und Reporter erreichten erstmals das zuvor schwer umkämpfte Gaza-Viertel Sadschaija. Helfer bargen dort und in anderen bisherigen "Todeszonen" 130 Leichen, wie der Chef der palästinensischen Rettungsdienste, Aschraf al-Kidra, mitteilte. 

    Häuserzeilen dem Erdboden gleichgemacht

    In den umkämpften Gebieten wurden ganze Häuserreihen durch Bombardements dem Erdboden gleichgemacht. Menschen begruben ihre toten Angehörigen auf freien Flächen zwischen den Häusern. Mehr als zwei Drittel der Opfer sind nach palästinensischen Angaben Zivilisten. 

    Das sind die Akteure und Vermittler im Gaza-Konflikt

    HAMAS: Die Kernforderung der im Gazastreifen herrschenden Hamas ist eine Aufhebung der Blockade des Palästinensergebiets durch Israel und Ägypten. Sie ist derzeit nicht zu einer Rückkehr zum Status quo vor Ausbruch der neuen Kämpfe bereit. Außerdem fordert sie die Freilassung von rund 50 Hamas-Häftlingen, die im Tausch gegen den israelischen Soldaten Gilad Schalit freigelassen, dann aber nach dem Mord an drei israelischen Teenagern wieder festgenommenen worden waren. Die Verhandlungen für die Hamas führt der Exilchef der Organisation, Chaled Maschaal. Er betont, nach all den Todesopfern könne Hamas nicht von ihren Forderungen abweichen. Es seien inzwischen die Forderungen aller Palästinenser im Gazastreifen.

    DIE PALÄSTINENSERBEHÖRDE: Der gemäßigte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist als Vermittler zwischen den verschiedenen Parteien im Einsatz. Auch er tritt für eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens ein, die schon 2006 begonnen hatte und dann immer weiter verschärft wurde. Seine Fatah-Organisation hatte Anfang Juni eine Einheitsregierung mit der rivalisierenden Hamas gebildet.

    ISRAEL: Israel hat die von Ägypten vorgeschlagen Waffenruhe akzeptiert, die Hamas bisher ablehnt. Der jüdische Staat fordert als Bedingung für ein Ende seiner Angriffe im Gazastreifen einen Stopp der Raketenangriffe militanter Palästinenser auf israelische Städte und eine Wiederherstellung der Ruhe. Rechtsorientierte Kabinettsmitglieder haben allerdings eine Zerschlagung der Hamas und ihrer militärischen Infrastruktur im Gazastreifen verlangt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich für eine Entwaffnung der Hamas ausgesprochen.

    KATAR: Das kleine, aber einflussreiche Emirat sieht sich als «Verbindungskanal» zwischen der Hamas und der internationalen Gemeinschaft. Die Hauptstadt Doha war in den vergangenen Tagen Zentrum intensiver Verhandlungen. Katar und sein Scheich Tamim bin Hamad al-Thani sind wichtigster Geldgeber der Hamas. Das Emirat ließ wissen, es werde keinen Druck auf die Palästinenserorganisation ausüben, die von Ägypten vorgeschlagene Waffenruhe zu akzeptieren. Hier spiegelt sich auch das schlechte Verhältnis zwischen Kairo und Doha wider. Katar unterstützt in Ägypten die Muslimbrüder, die vor einem Jahr vom ägyptischen Militär gestürzt worden waren.

    ÄGYPTEN: Unter Langzeitherrscher Husni Mubarak und auch unter dem islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi war Ägypten wichtigster Vermittler im Nahost-Konflikt. Doch diese Rolle hat Kairo verloren. Vor allem das Verhältnis zur Hamas ist schlecht, die einst aus den in Ägypten massiv verfolgten Muslimbrüdern hervorging. Kritiker klagen, Ägypten rede über die Hamas, aber nicht mit ihr - direkte Gespräche zwischen beiden Seiten gebe es nicht. Als Hamas-Exilchef Chaled Maschaal erklärte, Ägypten habe ihn zu Gesprächen eingeladen, ließ Kairo über Diplomaten verbreiten, diese Nachricht gehöre zu der «Kette von Lügen», die Hamas in die Welt setze.

    TÜRKEI: Wie Katar gehört auch die Türkei zu den Unterstützern der Hamas. Beide Länder haben sich in den vergangenen Tagen abgestimmt und die Bedingungen der Palästinenserorganisation für eine Waffenruhe abgesegnet. Das Verhältnis Ankaras zu Israel ist seit dem Übergriff israelischer Soldaten auf Aktivisten an Bord des türkischen Schiffes «Mavi Marmara» 2010 angespannt. Für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan kommt der Gazakonflikt zudem zu einer ungünstigen Zeit, da er sich im Wahlkampf für das Präsidentenamt befindet. Erdogan warf Israel wegen der Gaza-Militäroffensive Grausamkeiten vor, die sogar «Hitler» überträfen.

    USA: Für Amerika bedeutet der Konflikt einen Drahtseilakt: Einerseits betont Barack Obama, dass Washington fest an der Seite Israels stehe. Jedes Land habe das Recht, sich gegen Raketenbeschuss zu verteidigen. Andererseits ist er über die steigenden Opferzahlen in Gaza besorgt. Hinter vorgehaltener Hand fragt sich Washington, ob die Gewalt in Gaza tatsächlich angemessen ist. Zwar hat Obama sich als Vermittler angeboten. Doch eine Strategie, wie es beide Seiten zur Mäßigung bringen könnte, lässt Washington nicht erkennen. Erst kürzlich sind die USA mit ihrem Vermittlungsversuch in Sachen Nahostfrieden gescheitert. Die Autorität der USA im Nahen Osten dürfte dadurch wohl nicht gewachsen sein.

    Israel und die Palästinenser-Fraktionen hatten sich am Freitag darauf geeinigt, aus humanitären Gründen die Waffen zwischen 7.00 und 19.00 Uhr schweigen zu lassen. Viele Palästinenser in dem dicht besiedelten Gebiet nutzten die Möglichkeit, sich mit Nahrung und Medikamenten einzudecken. Die Straßen füllten sich wieder mit Menschen, in den Lebensmittelmärkten herrschte Andrang, wie ein dpa-Korrespondent aus der Stadt Gaza berichtete.

    Ganze Familie ausgerottet

    Die Dringlichkeit einer Einstellung der Kämpfe unterstrich ein weiterer tragischer Vorfall: Israelische Artilleriegranaten trafen in der Nacht zum Samstag, kurz vor Inkrafttreten der Feuerpause, ein Wohnhaus in Chan Junis. 20  Menschen - unter ihnen zehn Kinder - wurden dabei getötet und viele weitere verletzt, wie die palästinensischen Rettungsdienste mitteilte. Die Opfer gehörten alle derselben Familie an.

    In einem Krankenhaus entbanden Ärzte ein Mädchen aus dem toten Leib der Mutter. Sie war wenige Minuten zuvor ebenfalls Opfer der Krise geworden.

    Konfliktparteien lehnen weitere Waffenruhe ab

    Die westliche Welt drängt auf eine Waffenruhe zwischen den Konfliktpartien um ein weiteres Vorgehen auszuhandeln. Israel hat die vereinbarte zwölfstündige Feuerpause im

    UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte eindringlich nochmals alle Beteiligten auf, eine siebentägige Waffenruhe auszurufen. Auch bei einem Krisentreffen in Paris war zuvor eine Verlängerung der Feuerpause gefordert worden. "Wir sind übereingekommen, die Parteien zu einer Verlängerung des Waffenstillstandes aus humanitären Gründen aufzurufen", erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Rande der Gespräche.

    "Wir müssen zudem die Zeit nutzen, um Verhandlungen für einen dauerhaften Waffenstillstand vorzubereiten", sagte Steinmeier. Gaza dürfe nicht länger "ein Waffenlager für die Hamas" bleiben, zudem müssten "die Lebensbedingungen der Menschen im Gazastreifen nachhaltig verbessert werden". 

    Neben Steinmeier und dem französischen Außenminister Laurent Fabius nahmen an den Gesprächen auch deren US-amerikanischer Kollege John Kerry, Philip Hammond aus Großbritannien sowie Vertreter aus Italien, Katar, der Türkei und der EU teil.

    Mehr als 1000 Tote

    Mindestens 1030 Palästinenser wurden bislang im Gaza-Krieg getötet, weitere 6000 wurden verletzt. Unter den Opfern sind viele Kinder. Auf israelischer Seite kamen 40 Soldaten und drei Zivilisten um. Nach andauerndem Beschuss aus dem Gazastreifen hatte Israel am 8. Juli mit Luftschlägen gegen Stellungen der Hamas im Gazastreifen begonnen. Am 17. Juli startete die israelische Bodenoffensive in den Küstenstreifen. 

    Proteste gegen den Krieg

    In Tel Aviv protestierten Tausende gegen den Gaza-Krieg. Linke Parteien und Menschenrechtsorganisationen hatten dazu aufgerufen. In Paris und London gingen ebenfalls Menschen auf die Straße. In der französischen Hauptstadt wurden nach Ausschreitungen etwa 40 Teilnehmer in Polizeigewahrsam genommen. 

    In Deutschland demonstrierten erneut tausende Menschen in mehreren Städten gegen das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen und für eine andauernde Waffenruhe. Antisemitische Parolen wie in vergangenen Tagen oder andere Zwischenfälle wurden zunächst nicht bekannt. Kundgebungen gab es unter anderem in Berlin, München, Frankfurt und Hamburg. 

    Wieder Flüge nach Tel Aviv. Viele Fluggesellschaften hatten den Ben-Gurion-Airport wegen Raketengefahr im israelisch- palästinensischen Konflikt mehrere Tage lang nicht angeflogen. dpa

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