Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Nachruf: Wie Band-Leader Max Greger zur Legende wurde

Nachruf

Wie Band-Leader Max Greger zur Legende wurde

    • |
    Max Greger starb im Alter von 89 Jahren.
    Max Greger starb im Alter von 89 Jahren. Foto: Bodo Schackow (dpa)

    Wenn Max Greger in den vergangenen Jahren auftrat, war zumeist respektvoll von einer „Jazz- oder Swinglegende“ die Rede. „Swinglegenden“ – so nannten er, Paul Kuhn und Hugo Strasser ihre gemeinsame Spielwiese im Spätherbst ihrer Karriere, zu denen die Menschen in Massen strömten. Die aber irgendwie nicht mehr in diese Zeit passen wollte. Etwas aus der „guten alten Zeit“ schwang da mit, aber auch eine tiefe, längst ausgestorbene Wärme, die in der Gegenwart kaum jemand kennt. Wie Vinyl-Schallplatten, Samstagabendshows und große Tanzorchester.

    Einfach nur „Musiker“ hätte für Max Greger, der in der Nacht zum Samstag mit 89 Jahren auf der Palliativstation einer Münchner Klinik gestorben ist, als Bezeichnung auch gereicht, vielleicht noch mit dem vorweg gestellten Zusatz „Vollblut-“. Das ist zeitlos und beschreibt treffend jene, die über ein außergewöhnliches Talent verfügen und leidenschaftliche Überzeugungstäter sind. Bis zuletzt ist er das geblieben. 20 bis 30 Konzerte im Jahr standen in seinem Terminkalender.

    „Warum soll ich aufhören, solange mich das Publikum hören will. Da mache ich doch weiter – es macht ja auch Spaß!“, sagte Greger einmal. Auch ein nach einem Sturz lädierter Arm konnte Greger nicht von seiner Musik abhalten. Er sah das Problem pragmatisch: „Gott sei Dank ist es der rechte Arm – und beim Saxofon ist der rechte Arm unten.“

    Regelmäßig stand er mit seinem Sohn, dem Pianisten Max Greger junior, und seinem Enkel Maximilian, der eigentlich Rechtsanwalt in München ist, auf der Bühne. „Das ist einmalig auf der Welt, dass drei Generationen auftreten Das gibt’s sonst nur im Zirkus“, erklärte er stolz.

    Max Greger betrat die Bühne in der Nachkriegszeit

    Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob der Max aus Giesing, wenn er in den Nuller-Jahren als Musiker angefangen hätte, ebenso erfolgreich gewesen wäre wie damals, vielleicht als DJ oder Elektronik-Tüftler, als musikalischer Direktor von Helene Fischer oder als Jurymitglied in einer Castingshow, auch wenn es schwer vorstellbar ist. Vielleicht hätte er, der lange Zeit die beste Spürnase für Trends und Erfolgsgeschichten in Deutschland besaß, tatsächlich auch seinen Platz in der Generation Google und Facebook gefunden.

    Das Schicksal wollte es nun mal, dass Max Greger in der Nachkriegszeit die öffentliche Bühne betrat, just in einer Phase, in der die am Boden liegende Republik zupackende, charmante, fantasievolle Typen wie ihn viel dringender als jetzt brauchte. Ein Akkordeon, das ihm der Opa geschenkt hatte, brachte ihn, den Metzgersohn, der eigentlich dazu auserkoren war, den elterlichen Fleischerladen zu übernehmen, auf die richtige Bahn.

    Der Maxl lernte wie ein Besessener, spielte in einem Akkordeon-Klub, studierte Klarinette und Saxofon am Münchner Konservatorium und wagte sich exakt 14 Tage nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland in den Ratskeller am Münchner Marienplatz, um vor amerikanischen Offizieren Jazz zu spielen. Ganz schön mutig! 19 Jahre war er damals alt, ein Hallodri, der es einfach wissen wollte. Aber was denn eigentlich?

    ---Trennung _Was von Max Greger bleibt_ Trennung---

    Manche warfen Greger vor, den Jazz verraten zu haben

    Jazz spielten sie damals alle: Kuhn, Strasser und James Last. Seinerzeit war das eher ein verwaschener Begriff. Der Pop der Vierziger und Fünfziger, tanzbar, sexy, aufmüpfig, ein klingender Hauch von der lange vermissten Freiheit, den die Besatzer aus New York und Chicago mit in die Depression der zerbombten Großstädte gebracht hatten. Greger gründete sein eigenes Sextett und tat das, was er am besten konnte: unterhalten. Nicht etwa mit innovativen Arrangements und aberwitzigen Soli, sondern mit geläufigen Songs. Das, was die Leute eben hören wollten, gewürzt mit einer Portion Mutterwitz.

    Als der Jazz noch nicht zwingend Abenteuermusik sein musste, da wählten sie ihn in einer Magazin-Umfrage tatsächlich zum besten Saxofonisten des Landes, das sich mit einem übergroßen Hunger nach Swing gerade selbst entnazifizierte. Nachts spielte er in GI-Klubs oft vor seinen Idolen Duke Ellington, Ella Fitzgerald und Count Basie, tagsüber verwandelte sich Max mit seiner Combo für den Bayerischen Rundfunk ins volkstümliche Enzian-Sextett. Seine ersten „Hits“ hatte er mit Titeln wie „Teenager Cha-Cha“ oder „Verliebte Trompeten“.

    Man habe ihm oft vorgeworfen, dass er auf seinem Instrument nie eine eigene Stimme entwickelt und den Jazz verraten habe, räumte Greger in späteren Jahren ein. „Das stimmt. Aber es wäre mir auch zu langweilig gewesen. Mein Trumpf war immer die Vielseitigkeit.“ Die führte ihn 1959 mit seiner vier Jahre zuvor gegründeten Big Band als ersten westlichen Klangkörper (dem auch Udo Jürgens und Maria Hellwig angehörten) in die Sowjetunion. 36 Konzerte, samt und sonders komplett ausverkauft: sein endgültiger Durchbruch.

    Als das ZDF 1963 seinen Sendebetrieb aufnahm, engagierten die Mainzer den smarten Münchner als ihren musikalischen Hauptdienstleister. Bis 1977 lief keine Show ohne Gregers Big Band. „Musik ist Trumpf“, „Der Goldene Schuss“ oder „Der große Preis“ – er lieferte den Soundtrack des Wirtschaftswunders, bewahrte den Eltern wenigstens am Samstagabend noch einen Rest von heiler Welt, während draußen die Studenten gegen den Staat marschierten. An Max Greger konnte sich die Nachkriegsgeneration wenigstens eine Zeit lang festhalten wie an einer Boje auf rauer See.

    Ein einziges Musikwerk überdauert trotz 150 Platten und CDs sowie 3000 komponierten Stücken bis heute jeden Sturm. Es trägt den Titel „Up To Date“, stammt zwar von einem gewissen Thomas Reich, erlangte aber erst als Big-Band-Fanfare der Marke Max Greger Unsterblichkeit. Jeder Fußballfan kennt sie, weil sie bis heute jeden Samstagabend das „Aktuelle Sportstudio“ des ZDF eröffnet. Seit Jahrzehnten. Diese flott swingenden 23 Sekunden sind Max Gregers Hinterlassenschaft für die Ewigkeit. „Sie wollten’s absägen, modern und elektronisch machen. Ist aber nie passiert“, erzählte der Saxofonist mit einer gewissen Genugtuung immer wieder.

    Max Greger gab sein letztes Konzert im Juli

    Wer ihm ausgerechnet jetzt seine „Unterhaltungskunstsünden“ aus seiner Glanzzeit vorhalten will, der hat noch immer nicht verstanden, dass besonders gesegnete Jazzer wie er ihr Können einfach nicht mehr unter der knapp bemessenen Feuilleton-Decke halten wollen, entsprechende finanzielle Nebeneffekte inklusive. Selbst James Last und Paul Kuhn blieben posthum nicht von dieser gnadenlosen Schablone verschont. Dabei wollten sie bis zum letzten Atemzug nur unterhalten, den Menschen einige glückliche Momente schenken.

    Max Greger gab sein letztes Konzert Mitte Juli in München. Zwei Tage später wurde er in eine Klinik gebracht. Dort wurde eine Krebserkrankung festgestellt, von der er sich nicht mehr erholte. Seine Frau Johanna, die mit ihm 63 Jahre verheiratet war, sagte, er habe vorher nicht gewusst, dass er Krebs hatte.

    Sein Tod bestürzt nicht nur Hugo Strasser. „Das ist ein großer Jammer“, sagte der 93-Jährige. „Aber das ist der Lauf der Zeit. Paul Kuhn war der Erste, jetzt der Max, der Nächste bin ich.“ Bei der Beerdigung des alten Freundes will Strasser ein Stück spielen. Auf seiner Klarinette.

    Bei der Trauerfeier für Showmaster Joachim „Blacky“ Fuchsberger im vergangenen September war es Greger gewesen, der als 88-Jähriger für einen Weggefährten spielte: „Amazing Grace“ mit dem Saxofon. mit dpa

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden