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Nachruf: Trauer um Roman Herzog: "Unbequem im positiven Sinne"

Nachruf

Trauer um Roman Herzog: "Unbequem im positiven Sinne"

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    Alt-Bundespräsident Roman Herzog, hier auf einem Foto von 2015, ist tot.
    Alt-Bundespräsident Roman Herzog, hier auf einem Foto von 2015, ist tot. Foto: Daniel Naupold, dpa (Archiv)

    Der frühere Bundespräsident Roman Herzog ist tot. Er starb im Alter von 82 Jahren, wie das Präsidialamt am Dienstag in Berlin bestätigte. Die Spitzen des Staates und Politiker aus Regierung und Opposition würdigten ihn als unermüdlichen Mahner für Reformen und als manchmal unbequemen Geist.  

    Herzog stand von 1994 bis 1999 an der Spitze der Bundesrepublik. Zuvor war der im bayerischen Landshut geborene Jurist und CDU-Politiker Präsident des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.

    In seiner Amtszeit an der Spitze des Staates - es war vor allem die Ära des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) - hatte Herzog immer wieder vor Reformmüdigkeit gewarnt. Er machte es sich zur Aufgabe, gegen Blockaden in Politik und Gesellschaft anzugehen. Besonders in Erinnerung blieb seine Rede von 1997 mit dem zentralen Satz: "Durch Deutschland muss ein Ruck gehen." 

    Bundespräsident Joachim Gauck würdigte seinen Amtsvorgänger als "freiheitsliebenden kritischen Geist und Mann der klaren Worte". "Roman Herzog hat Reformbereitschaft angemahnt, als die Bundesrepublik dieser Mahnung in besonderer Weise bedurfte", sagte Gauck. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte: "Seine unverwechselbare kluge Stimme und seine Fähigkeit, Probleme offen zu benennen und dabei Mut zu machen, wird mir und wird uns allen fehlen."

    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel erinnerte daran, dass Herzog  sich "mit deutlichen Worten für Integration und gegen jede Form von Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus eingesetzt" habe. Die oppositionellen Grünen würdigten ihn als einen Bundespräsidenten, der "im positiven Sinne unbequem" gewesen sei.

    Herzog lebte zuletzt auf der Götzenburg in Jagsthausen bei Heilbronn, wo seine zweite Frau Alexandra Freifrau von Berlichingen zuhause ist. Christiane Herzog, die sich nicht nur während der Amtszeit ihres Mannes sozial engagierte, war im Juni 2000 gestorben.

    Die Bundespräsidenten der BRD

    Theodor Heuss (FDP): 1949 - 1959 Er war der erste Bundespräsident der BRD. "Papa Heuss", wie ihn der Volksmund liebevoll nannte, hat das Ansehen Deutschlands im Ausland maßgeblich verbessert. Der einstige FDP-Vorsitzende konnte viele seiner demokratischen Ideale im Grundgesetz verankern.

    Heinrich Lübke (CDU): 1959 - 1969 Seine Nominierung beruhte darauf, dass sich Konrad Adenauer, der eigentlich für das Amt vorgesehen war, zurückgezogen hatte. Die Presse hat ihn vielfach wegen seiner rhetorischen Ausrutscher verspottet. Er hat das Amt vorzeitig niedergelegt, als seine angebliche Nazi-Vergangenheit publik wurde.

    Gustav Heinemann (SPD): 1969 - 1974 Er verstand sich selbst als "Bürgerpräsident" und gab sich volksnah. Ursprünglich gehörte er der CDU an. Heinemann verließ die Christdemokraten, weil sich die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik nicht mit seinen moralischen Überzeugungen verinbaren ließ.

    Walter Scheel (FDP): 1974 - 1979 Der ehemalige Außenminister blieb nur für eine Amtszeit Bundespräsident. Im Rahmen einer Fernsehshow gab er, bevor er sein Amt antrat, eine eigene Interpretation des Volksliedes "Hoch auf dem gelben Wagen" zum Besten. Seine politischen Ambitionen vereitelte der damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt.

    Karl Carstens (CDU): 1979 – 1984 Charakteristisch für den Konservativen aus Norddeutschland war seine ausgeprägte Wanderleidenschaft. Seine Mitgliedschaft bei der NSDAP während der Nazi-Herrschaft hat ihm heftige Kritik eingetragen.

    Richard von Weizsäcker (CDU): 1984 - 1994 Der ehemalige Bürgermeister von Berlin hat vor allem durch seine Reden Akzente gesetzt. Er machte aus dem 8. Mai, dem "Tag der Niederlage", kurzerhand den "Tag der Befreiung". Als "Gewissen der Nation" erinnerte er an die Schuld des deutschen Volkes und kritisierte scharf den Parteienstaat.

    Roman Herzog (CDU): 1994 - 1999 Herzog war vor seiner Amtzeit Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Mit seiner berühmten Berliner "Ruck-Rede" versuchte er 1997, das Volk aus seiner Passivität zu befreien. Herzog hat sich sehr für den interkulturellen Dialog eingesetzt.

    Johannes Rau (SPD): 1999 - 2004 Er bemühte sich um die Integration ausländischer Mitbürger und setzte auf das Motto "Versöhnen statt spalten". Seine Bibelfestigkeit trug ihm den Spitznamen "Bruder Johannes" ein. Vor dem israelischen Parlament bat er um Verzeihung für den Holocaust.

    Horst Köhler (CDU): 2004 - 2010 Er war der erste Bundespräsident, der nicht zum politischen Establishment zählte. Köhler kritisierte die internationalen Finanzmärkte und äußerte sich vielfach zu gesellschaftspolitischen Themen. Als er öffentlich eine Notwendigkeit militärischer Einsätze in besonderen Fällen betonte, wurde er heftig kritisiert und trat anschließend von seinem Amt zurück.

    Christian Wulff (CDU): 2010 - 2012 Als er sein Amt als Nachfolger von Horts Köhler antrat, war er mit 51 Jahren der jüngste Bundespräsident in der Geschichte der BRD. Doch dann begann das Schlamassel. Von der Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits über kostenlose Urlaube bei Unternehmern bis zur staatlichen Mitfinanzierung einer umstrittenen Lobby-Veranstaltung: Christian Wulff sah sich über Monate hinweg mit vielen Vorwürfen konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft Hannover beantragte am 16. Februar 2012 beim Bundestag die Aufhebung der Immunität Wulffs, um strafrechtliche Ermittlungen einleiten zu können. Einen Tag später erklärte Wulff seinen Rücktritt.

    Joachim Gauck (Parteilos): 2012-2017 Joachim Gauck wurde 1940 in Rostock geboren. Nach dem Abitur studierte er Theologie. Von 1965 bis 1990 stand er im Dienst der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und arbeitete viele Jahre als Pastor. Am 18. März 2012 wählte die Bundesversammlung Joachim Gauck zum elften Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland.

    Der am 5. April 1934 geborene Sohn eines Archivars hatte zunächst eine juristische Karriere eingeschlagen und wurde bereits mit 31 Jahren Professor für Staatsrecht an der Freien Universität Berlin. 1970 trat er in die CDU ein. Seine politische Karriere in hohen Ämtern begann er als Bildungs- und als Innenminister in Baden-Württemberg.

    1983 wurde Herzog zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts berufen und vertrat dort eine eher liberale Linie. 1987 rückte er an die Spitze des obersten Gerichts. 1994 wurde er als Nachfolger von Richard von Weizsäcker zum 7. Bundespräsidenten gewählt. 

    Nach seinem Verzicht auf eine zweite Amtszeit als Bundespräsident saß er in verschiedenen Kommissionen, darunter der "Konvent für Deutschland", ein Expertengremium, das sich mit den Themen Föderalismusreform und Finanzverfassung beschäftigte.   

    Herzog setzte sich auch nach seiner Amtszeit immer wieder kritisch mit den Bürgern und Politikern auseinander. "Das Volk bewegt sich nicht", sagte er im Frühjahr 2008 der "Bild"-Zeitung. Es gebe eine gewisse Bereitschaft zu Reformen, "aber es bräuchte politische Führung, echtes Charisma, um sie zu mobilisieren".

    Mit dem Tod Herzogs hat die Bundesrepublik in relativ kurzer Zeit den dritten Altbundespräsidenten verloren: 2015 starb Richard von Weizsäcker, 2016 Walter Scheel. dpa

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