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Nachruf: Thomas Oppermann ist tot: Ein Mensch mit klarer Haltung

Nachruf

Thomas Oppermann ist tot: Ein Mensch mit klarer Haltung

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    Der SPD-Politiker Thomas Oppermann ist im Alter von 66 Jahren gestorben.
    Der SPD-Politiker Thomas Oppermann ist im Alter von 66 Jahren gestorben. Foto: Michael Kappeler, dpa (Archiv)

    Es sollten seine letzten Monate im Bundestag sein. Sein Leben hatte bis dahin der Politik, der Partei gehört. „Nach 30 Jahren als Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag und im Deutschen Bundestag ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt, noch einmal etwas anderes zu machen und mir neue Projekte vorzunehmen“, hatte Thomas Oppermann noch im Sommer erklärt. Er freute sich auf die Zeit danach. Nun beendete das Schicksal seine Pläne jäh: Mit nur 66 Jahren starb der SPD-Politiker.

    Sein Tod löst nicht nur in der eigenen Partei tiefe Bestürzung aus, sondern quer durch alle Lager hinweg. Auch, weil Thomas Oppermann mitten im politischen Alltag aus dem Leben gerissen wurde: Der Vizepräsident des Bundestages sollte im ZDF zum Thema Corona sprechen, die Sendung „Berlin direkt“ hatte ihn als Interviewpartner eingeladen. Wie das so ist, in diesen Tagen, saß er nicht direkt im Studio, sondern war aus dem Max-Planck-Institut in Göttingen zugeschaltet. Der erste Beitrag der Sonntagabendsendung lief gerade, als Oppermann kollabierte. Im Krankenhaus konnten die Ärzte sein Leben nicht mehr retten. Thomas Oppermann hinterlässt vier erwachsene Kinder.

    Thomas Oppermann ist tot: Große Trauer um Politiker

    „Ich habe ihn über viele Jahre als verlässlichen und fairen sozialdemokratischen Partner in großen Koalitionen geschätzt“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Als Vizepräsident des Bundestags habe sich Oppermann „in turbulenter Zeit um unser Parlament verdient gemacht“. Merkel sprach Oppermanns Familie ihr Beileid aus. Noch tiefer sitzt der Schock in der eigenen Partei. SPD-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans schrieb auf Twitter: „Ein schwerer Schock für uns alle. Wir sind tief erschüttert und trauern mit seinen Angehörigen.“

    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil twitterte, er habe Oppermann als Gesprächspartner und Ratgeber sehr geschätzt. „Seine Leidenschaft für Politik war für jeden spürbar. Sein viel zu früher Tod schockt mich.“ Vizekanzler Olaf Scholz schrieb: „Unser Land verliert einen versierten Politiker, der Bundestag einen herausragenden Vizepräsidenten und die SPD einen leidenschaftlichen und kämpferischen Genossen. Wir alle verlieren einen Freund - und sind traurig.“

    Anerkennung gab es auch vom politischen Gegner. FDP-Parteichef Christian Lindner lobte Oppermann als „klugen, debattenstarken und humorvollen Politiker“. „Ich behalte ihn vor allem als Vollblut-Parlamentarier in Erinnerung“, erklärte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. „Wer Thomas Oppermann zuletzt traf, erlebte einen Mann, der gerade nach der Ankündigung seines Abschieds aus der aktiven Politik im kommenden Jahr in sich zu ruhen schien und gleichzeitig voller Vorfreude auf kommende Projekte war.“ Die Nachricht von Oppermanns Tod bewege ihn sehr.

    Thomas Oppermann war Fußballfan und Wanderfreund

    Oppermann war einer jener Menschen, denen man ihr Alter kaum ansah. Der auch in schwierigen Zeiten seinen Humor nicht verlor und mit einem Spruch ganze Runden unterhalten konnte. Fußballfan war er, kickte begeistert für die Politiker-Mannschaft des „FC Bundestag“. Mit Freunden ging er wandern, auch Journalisten lud er zu Touren auf den Brocken ein. Vorgezeichnet war sein Weg nicht: Oppermann stammt aus Westfalen, sein Vater war Molkereimeister, als einziges der vier Kinder machte er - trotz zweier Ehrenrunden - sein Abitur. Er verweigerte den Wehrdienst, ging für die Organisation Sühnezeichen in die USA, später studierte er Jura in Göttingen, wo er seinen Berufsweg als Richter begann. Im Jahr 1980 trat er in die SPD ein.

    Seine politische Karriere begann 1990 im niedersächsischen Landtag. Gerhard Schröder war es, der ihn zum Landesminister machte: Ab 1998 wurde er Minister für Wissenschaft und Kultur, das Amt behielt er bis zum Jahr 2003. Zwei Jahre später zog er in den Bundestag ein, wo er seither hohe politische Ämter für seine Partei innehatte. Seinen Wahlkreis Göttingen gewann er viermal hintereinander direkt. Zuletzt setzte sich der 66-Jährige besonders für eine Verkleinerung des Bundestags und eine Reform des Wahlrechts ein.

    Oppermann: „Ich akzeptiere keine Denkverbote“

    Bundesminister wäre er gerne geworden, dieser Weg blieb ihm verwehrt. Doch ohne ihn hätte der SPD eine wichtige Säule gefehlt - einer, der zu seiner Haltung steht, auch, wenn sie nicht der Parteilinie entspricht. Er akzeptiere Beschlusslagen der SPD, sagte Oppermann einmal in einem Interview. „Ich akzeptiere aber weder als Sozialdemokrat noch als Wissenschaftsminister Denkverbote für die Zukunft.“

    Auch in den schwierigen Corona-Monaten bewahrte er seine klare Haltung. Als im Sommer bei einer Demonstration gegen die Corona-Beschränkungen Demonstranten bis an das Reichstagsgebäude vordrangen, verurteilte er dies scharf: „Wenn ein Mob von radikalen Demonstranten die Treppe des Westportals des Reichstags stürmt, dann wird der Eindruck erweckt, unsere Demokratie kann einfach mal so hinweggefegt werden. Dabei ist das Gegenteil richtig.“

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