Es war im Juli 1988. Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß hatte soeben den scheidenden US-Präsidenten Ronald Reagan im Weißen Haus besucht, vor den Journalisten eine kurze Erklärung abgegeben und sich in Richtung Ausgang aufgemacht.
Da sprang ein schlanker, sportlicher Mann, dem man seine 64 Jahre nicht ansah, über eine Hecke, eilte auf den CSU-Chef zu und begrüßte ihn herzlich als „Freund“. Es war Vizepräsident George Bush, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner für die Wahlen im November, der spätere 41. Präsident der USA.
Als ein Jahr später die Berliner Mauer fiel, sollte sich zeigen, welch guten Freund Deutschland in George Herbert Walker Bush hatte, der am Freitag im Alter von 94 Jahren in seinem Haus in Houston im US-Bundesstaat Texas gestorben ist. Er war der einzige Chef einer der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, der von Anfang an vorbehaltlos den Wunsch der Deutschen nach Wiedervereinigung unterstützte.
Die Britin Margaret Thatcher blieb bis zuletzt skeptisch, der Franzose François Mitterrand erwartete deutsche Zusagen für ein weiteres Zusammenwachsen Europas und der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow musste erst Widerstände im eigenen Lager überwinden. Für Bush aber, der schon als Vizepräsident die unmenschliche Grenze in Deutschland gesehen hatte, stand fest, dass Europa geeint und frei sein sollte.
Als US-Präsident verzichtete Bush auf Siegerposen
Dabei zeigte der US-Präsident eine Klugheit, die man seinem aktuellen Nachfolger nicht zutraut. Bush verzichtete auf Siegerposen, die seinem Gegenüber Zugeständnisse unmöglich gemacht hätten. Vielmehr sagte er Gorbatschow zu, „nicht auf der Berliner Mauer zu tanzen“. Dafür nahmen die Zwei-plus-vier-Gespräche zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten einen guten Verlauf. 1991 war Deutschland ein souveräner und wiedervereinigter Staat.
War das politische Wirken Bushs bei der deutschen Einheit von überlegter Zurückhaltung geprägt, zeigte der junge Marineflieger Bush im Zweiten Weltkrieg seine tollkühne Seite. Mit 18 meldete er sich 1942 freiwillig zur Marine. Noch im selben Jahr wurde er über dem Südpazifik von den Japanern abgeschossen. Seine Kameraden kamen ums Leben. Bush überlebte dank des glücklichen Zufalls, dass nahe der Absturzstelle ein amerikanisches U-Boot patrouillierte.
Die Kriegserfahrung hat ihn sein Leben lang nicht losgelassen. Und überzeugte ihn, der Diplomatie immer den Vorrang zu geben. George Herbert Walker Bush war als Sohn des späteren Senators von Connecticut, Prescott Bush, zur Welt gekommen. Vater wie Mutter Bush entstammten dem politischen Ostküsten-Adel. Bushs Ehefrau Barbara, die er 1945 heiratete und mit der er sechs Kinder bekam, war eine direkte Nachfahrin des 14. US-Präsidenten, Franklin Pierce.
Seine Karriere begann 1966 als Kandidat für den US-Kongress in einem Wahlbezirk von Houston. Nach fünf Jahren im Repräsentantenhaus wechselte er 1971 als Botschafter der USA an den Sitz der Vereinten Nationen in New York. Mitte der 1970er Jahre nahm der in Yale ausgebildete Ökonom den Posten als erster Botschafter der USA in der Volksrepublik China an. Einen Job, den er sehr bald gegen den an der Spitze des Auslandsgeheimdienstes CIA eintauschte.
Ronald Reagan machte Bush zu seinem Vize
1980 trat er erstmals in einem Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur an. Gegen das Charisma des ehemaligen Schauspielers und Gouverneurs von Kalifornien, Ronald Reagan, war er chancenlos. Doch Reagan machte ihn zu seinem Vize. Zwei Legislaturperioden (1980–1988) stand er loyal hinter dem populären Präsidenten. 1988 setzte sich Bush in seiner Partei durch und deklassierte den Demokraten Michael Dukakis. In seiner Rede zum Amtsantritt auf den Stufen des Capitols prophezeite er den totalitären kommunistischen Systemen ihr nahes Ende. Sie würden „hinwegwehen wie die Blätter an einem leblosen Baum“.
Bush senior, wie er seit der Präsidentschaft seines Sohnes George W. (2001–2009) genannt wurde, scheute trotz seiner Präferenz für die Diplomatie nicht den Einsatz militärischer Macht. So befahl er die Entfernung des korrupten Diktators in Panama, Manuel Noriega, den Invasionstruppen 1990 verhafteten. Und er schmiedete unter dem Dach der UN eine Koalition gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein, der das Nachbarland Kuwait besetzt hatte. Bush entschied sich nach der Befreiung Kuwaits im Februar 1991, nicht über die UN-Resolution hinauszugehen. Er beendete den Krieg und ließ Saddam an der Macht.
Präsidentschaftswahl: Gegen Bill Clinton unterlag Bush 1992
Trotz des erfolgreichen Kriegs gegen den Irak verlor Bush senior die nächste Präsidentschaftswahl 1992 gegen den jungen Demokraten Bill Clinton. Der Republikaner wusste keine Antwort auf die beginnende Wirtschaftskrise. Und es rächte sich bitter, dass er ein Wahlversprechen brach: „Lest es von meinen Lippen: keine Steuererhöhung“, hatte er gesagt. Aber dann legte der Präsident kein Veto gegen eine vom Kongress beschlossene Anhebung von Abgaben ein – ein unverzeihlicher Fehler.
Im Ruhestand versöhnte er sich mit seinem Nachfolger Clinton, als Ex-Präsidenten unterstützten beide soziale Projekte. Clinton brachte ihm stets ein paar grellbunte Socken mit, wie er sie liebte. Noch an seinem 90. Geburtstag machte George Herbert Walker Bush einen Tandem-Fallschirmsprung. Am Mittwoch soll Bush mit einer Trauerfeier in der Nationalen Kathedrale in Washington geehrt werden.