Nach ihrem guten Abschneiden bei der Landtagswahl im Saarland denkt die Piratenpartei bereits laut über eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene nach. "Wir sind jetzt eine feste Größe im Parteiensystem und eine neue Kraft", sagte Parteichef Sebastian Nerz. Wenn sie ihre Inhalte durchsetzen könne, stehe seine Partei auch als Koalitionspartner bereit.
Piratenpartei: Auch Bundesweit über fünf Prozent
Den Piraten war bei der Saarland-Wahl am vergangenen Sonntag zum zweiten Mal der Sprung in ein Landesparlament gelungen. Zuvor waren sie im September in Berlin erfolgreich gewesen. Bei den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai hofft die erst vor etwa fünf Jahren gegründete Partei auf einen Einzug in die Parlamente, auch bundesweit können die Piraten Umfragen zufolge derzeit mit mehr als fünf Prozent der Stimmen rechnen.
Bei den Bundestagswahlen 2013 trete seine Partei natürlich an, "um potenziell auch in einer Bundesregierung zu arbeiten", sagte Parteivize Bernd Schlömer. "Wir wollen langfristig Politik in Regierungen gestalten und nicht als Protestpartei beschrieben werden". Nerz zeigte sich überzeugt, dass die Piraten 2013 in den Bundestag einziehen würden. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe er zwar noch nicht telefoniert. "Aber das Interesse der anderen Parteien ist groß. Da gibt es intensive Gespräche. Davon können beide Seiten profitieren. "
Peter Altmaier: Piraten sind "Projektionsfläche für Ressentiments gegen Etablierte"
Schlömer kündigte an, die Piraten wollten Themen bedienen, "die andere nicht so stark besetzen", wie Urheberrecht, Transparenz und Datenschutz. Dass die Partei derzeit auch "von einigen Protestwählern" profitiert, sei nicht verwerflich. Im Saarland waren nach Wahlanalysen auch tausende frühere Wähler von CDU, SPD, FDP, Grünen und Linken zu den Piraten gewechselt. Für die Union stellt sich die Frage nach möglichen Bündnissen mit den Piraten derzeit nicht. Die Piraten seien eine "Projektionsfläche für Ressentiments gegen Etablierte" und "auf absehbare Zeit für niemanden ein Koalitionspartner", sagte Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) am Dienstag vor Journalisten in Berlin. Er empfehle im Umgang mit den Piraten eine "gehörige Portion Gelassenheit".
Piraten: Norbert Lammert lobt interne Kommunikation
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zeigte sich " skeptisch über die Zukunft der Piratenpartei. Manches spreche dafür, dass die Piraten "einen ähnlichen Weg wie die Grünen gehen oder nur eine Übergangserscheinung in unseren Parlamenten" sein würden. Als vorbildlich lobte Lammert die Kommunikation innerhalb der Piratenpartei, auch wenn prominente Mitglieder alteingesessener Parteien bereits "bemerkenswerten persönlichen Ehrgeiz in der Twitter-Virtuosität" zeigten.
Piratenpartei: Konkurrenzkampf mit den Grünen
Die Ziele der Piratenpartei
"Mehr Demokratie wagen!" ist nach eigenen Angaben ein Leitgedanke der Piraten. "Unsere innerparteilichen Strukturen sind basisdemokratisch. Auch gesellschaftlich wollen wir Veränderungen hin zu mehr Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung erreichen."
"Die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation sind aus der modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken und müssen auch durch staatliches Handeln sichergestellt und sogar gefördert werden", heißt es zum Thema digitale Gesellschaft.
Zum Thema Umwelt: "Die Piratenpartei steht für Nachhaltigkeit. Deshalb wollen wir so handeln, dass auch in Zukunft die Grundlagen für eine würdige Existenz in Freiheit vorhanden sind. Voraussetzung dafür ist ein transparenter und verantwortungsvoller Umgang mit den natürlichen Ressourcen."
Die Forderung einer transparenten Politik statt eines gläsernen Bürgers ist nach eigener Aussage Kernbestandteil der politischen Arbeit der Piraten. "Einzig die Piratenpartei handelt jedoch auch entsprechend: Vorstandssitzungen, Fraktionssitzungen oder auch Kontostände der Gliederungen sind prinzipiell öffentlich", schreibt die Partei auf ihrer Internetseite.
Der freie Zugang zu Bildung zählt zu den Gründungsthemen der Piraten: "Im Unterschied zu den etablierten Parteien wollen wir den Prozess des Lernens jedoch an die individuellen Fähigkeiten anpassen." Das Motto der Piraten lautet: "Lernziele statt Lehrpläne!"
Patente auf Software und Gene lehnt die Partei ab: "Im Wandel vom Industriezeitalter zum Informationszeitalter entwickeln sich die weltweit herrschenden Patentregelungen teilweise vom Innovationsanreiz zum Innovationshemmnis."
Drogenpolitik müsste nach Ansicht der Piraten eigentlich "Suchtvermeidungspolitik" heißen. Ihr Ansatz ist, durch die Legalisierung von Drogen zu einem verantwortungsvollem Umgang mit Rauschmitteln zu gelangen. Die gegenwärtige Praxis sei bestimmt durch Ignoranz medizinischer und gesellschaftlicher Fakten. Sie trage dem Ziel der Suchtvermeidung keine Rechnung und sei gescheitert.
Die Piratenpartei ist davon überzeugt, dass ein fahrscheinfreier ÖPNV nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Wirtschaft langfristig einen Gewinn darstellt. Sie fordert eine Machbarkeitsanalyse.
Gefordert wird auch eine Reform des Urheberrechts: "Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Urheberrechts beschränken das Potential der aktuellen Entwicklung, da sie auf einem veralteten Verständnis von so genanntem ´geistigem Eigentum` basieren, welches der angestrebten Wissens- oder Informationsgesellschaft entgegen steht."
Der ehemalige Grünen-Bundesvorsitzende Fritz Kuhn zeigte sich mit Blick auf einen möglichen Konkurrenzkampf seiner Partei mit den Piraten unbesorgt: Grüne stünden auch für Bereiche wie "Transparenz, Netzpolitik und Bürgerentscheidung", sagte der Kandidat für die Oberbürgermeisterwahlen in Stuttgart. Die Grünen seien deshalb die Partei, die am wenigsten an die Piraten verlöre. AZ, afp