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Nach Röttgen-Rausschmiss: CDU kritisiert Merkels Verfahren

Nach Röttgen-Rausschmiss

CDU kritisiert Merkels Verfahren

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    Der nordrhein-westfälische Spitzenkandidat der CDU, Norbert Röttgen, wurde nach dem Wahldesaster von Angela Merkel entlassen.
    Der nordrhein-westfälische Spitzenkandidat der CDU, Norbert Röttgen, wurde nach dem Wahldesaster von Angela Merkel entlassen. Foto: dpa

    "Wenn jemand am Boden liegt, muss man nicht noch drauftreten", kommentierte CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach im Kölner Stadt-Anzeiger die Entlassung Röttgens. Nachdem Angela Merkels Paukenschlag verklungen ist, häuft sich die Kritik. In der CDU sind nicht alle mit der

    Röttgen-Rausschmiss: Innerhalb der CDU herrscht Unverständnis

    CDU-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann sagte am Mittwoch in Düsseldorf: "Ich verstehe nicht, dass Norbert Röttgen bis Sonntagabend 18 Uhr als der hervorragende Umweltminister galt, der er war, und heute entlassen wird." Dem Portal Zeit online sagte CDU-Innenpolitiker Bosbach: "Ich hätte ihm im Amt eine zweite Chance gegönnt." Und: "Ein bisschen mehr Menschlichkeit würde uns ganz gut anstehen."

    Bundestagspräsident Norbert Lammert nannte Merkels Entscheidung bedauerlich für Röttgen, das Ministerium und die CDU. "Ich hätte mir eine andere Konstellation gewünscht", sagte Lammert am Mittwochabend am Rande einer CDU-Veranstaltung in Erfurt. Er habe Röttgen hoch angerechnet, dass er direkt nach dem CDU-Wahlfiasko in Nordrhein-Westfalen als Landesvorsitzender zurückgetreten sei und so den Weg für einen Neuanfang des Landesverbandes freigemacht habe.

    Röttgen wollte angeblich nicht zurücktreten

    Merkel hatte Röttgen, der Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen gewesen war, drei Tage nach der krachenden Niederlage im bevölkerungsreichsten Bundesland am Mittwoch gefeuert, nach Angaben aus Koalitionskreisen weil er nicht zurücktreten wollte. Merkel begründete den in ihrer siebenjährigen Kanzlerschaft einmaligen Schritt mit den anstehenden Herausforderungen der Energiewende. Die zu bewältigen traute sie ihrem angeschlagenen Gefolgsmann offensichtlich nicht mehr zu. Zum Nachfolger ernannte sie den Saarländer Peter Altmaier, bisher Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion.

    Die gescheiterten Kronprinzen der Union

    Christian Wulff: Aufstieg und Fall lagen selten dichter beieinander als bei dem früheren Bundespräsidenten. Bis zu seiner Wahl zum Präsidenten im Juni 2010 galt Wulff als aussichtsreicher Kronprinz der Union. Als langjähriger niedersächsischer Ministerpräsident wurde er immer wieder für höhere Ämter gehandelt. Nur 20 Monate nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten folgte im Februar der tiefe Sturz, als Wulff nach wochenlangen Debatten um mögliche Vorteilsnahme zurücktrat.

    Karl-Theodor zu Guttenberg: Der CSU-Shootingstar war Deutschlands beliebtester Politiker und wurde als größter Hoffnungsträger der Union gehandelt. Doch dann stürzte Guttenberg über die Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit. Ende Februar 2011 erkannte die Universität Bayreuth Guttenberg den Doktortitel ab, kurz darauf trat der CSU-Politiker als Verteidigungsminister zurück.

    Roland Koch: Im Mai 2010 kündigte Hessens Ministerpräsident überraschend seinen Rückzug von allen politischen Ämtern an. Koch war zeitweilig sogar als möglicher Kanzlerkandidat der Union gehandelt worden. Nach dem Ende seiner politischen Karriere zog es ihn in die Wirtschaft: Koch ist mittlerweile des Chef des Baukonzerns Bilfinger Berger.

    Peter Müller: Der langjährige Saar-Ministerpräsident wurde Ende 2011 zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt. Müller war es nach herben Stimmenverlusten nach der saarländischen Landtagswahl im Jahr 2009 noch gelungen, eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen zu bilden. Doch seine Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte das Bündnis Anfang des Jahres auf und steht nach vorgezogenen Neuwahlen nun an der Spitze einer großen Koalition aus CDU und SPD.

    Jürgen Rüttgers: Wie Ex-Bundesumweltminister Norbert Röttgen musste der frühere NRW-Ministerpräsident Rüttgers eine schwere Wahlniederlage einstecken. Als sich nach der Wahl 2010 in Düsseldorf eine rot-grüne Minderheitsregierung gebildet hatte, zog sich Rüttgers aus der ersten Reihe der Politik zurück. Nachfolger als CDU-Landeschef wurde Röttgen, der dieses Amt nun auch wieder abgibt. Rüttgers arbeitet mittlerweile unter anderem für eine Anwaltskanzlei.

    Ole von Beust: Im Juli 2010 verkündete der damalige Hamburger Bürgermeister seinen Rückzug vom Regierungsamt - und leitete damit indirekt das Ende des schwarz-grünen Bündnisses in der Hansestadt ein. Drei Monate nach seinem Rückzug aus der Politik kündigten die Hamburger Grünen ihr Bündnis mit der CDU auf. Bei der Wahl im Februar 2011 holte die SPD die absolute Mehrheit.

    Friedrich Merz: Der frühere Fraktionschef galt einst als großer Hoffnungsträger der Union. Doch nachdem er im Jahr 2000 den Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag übernommen hatte, verlor er das Amt schon zwei Jahre später wieder. Nach der damaligen Bundestagswahl sicherte sich Parteichefin Merkel das Amt. Nach der Bundestagswahl im Jahr 2009 zog sich Merz aus der Politik zurück. Er arbeitet heute als Anwalt

    CSU-Chef Horst Seehofer, dessen harsche Attacke gegen Röttgen manche als einen Auslöser für die Entlassung sehen, sagte in der ARD zur Entscheidung der Kanzlerin: "Nach all dem, was sie mir gesagt hat, bestand Handlungsbedarf."

    Nach Röttgens Entlassung: Wirtschaft sorgt sich um Energiewende

    Die Wirtschaft pochte auf eine verlässliche Umsetzung der Energiewende. Ähnlich wie zuvor bereits der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) maß DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann dem Gelingen der Energiewende oberste Priorität für den neuen Umweltminister zu. Die Verunsicherung in der Rheinischen Post.

    Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, schlug die Einrichtung eines eigenständigen Energieministeriums vor. "Wenn die Zuständigkeiten bei der Bundesregierung in einer Hand liegen, erreichen wir eine bessere Effizienz in der Energiepolitik", sagte er den Lübecker Nachrichten.

    Opposition wertet Röttgen-Rauswurf als Ausdruck der schwarz-gelben Dauerkrise

    Die Umweltorganisation Germanwatch kritisierte Merkels Entscheidung. "Röttgens Entlassung kommt zur Unzeit", sagte ihr Geschäftsführer Christoph Bals in Bonn. Beim Umweltgipfel in Rio und in der EU stünden wichtige Entscheidungen an. Es dürfe nicht sein, dass Deutschlands Position "durch die Einarbeitungsphase des neuen Umweltministers geschwächt wird". Deshalb solle die Kanzlerin sich selbst mit vollem Einsatz für die Klimaziele engagieren.

    Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg sieht in Röttgens Ausscheiden "eine Chance, endlich die Energiewende zu forcieren und die überfällige Atommülldebatte offen und nicht taktisch zu führen", wie ihr Sprecher Wolfgang Ehmke sagte. Ein wichtiger erster Schritt müsse die Aufgabe Gorlebens als potnezieller Standort für ein Atommüll-Endlager sein.

    Die Opposition wertete Röttgens Entlassung als Ausdruck der Dauerkrise der schwarz-gelben Koalition. Von Verzweiflungsakt und Gnadenlosigkeit war die Rede. dpa/AZ

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