Eines der derzeit wohl meistgeklickten Videos auf YouTube hat nichts mit den sonst so beliebten Babykatzen, Shopping-Hauls oder "Pranks" (deutsch: Streich) beliebter YouTube-Stars zu tun. Nein, es handelt sich um ein 55 Minuten langes Video, in dem es - untypisch für die Plattform - um Politik geht. Hochgeladen hat es Rezo, einer der bekanntesten deutschen YouTuber, und es trägt den Namen "Die Zerstörung der CDU". Darin nimmt der 26-Jährige wenige Tage vor der Europawahl die Politik von CDU, CSU und der mitregierenden SPD auseinander.
Der YouTuber wirft den Politikern unter anderem vor, Politik für Reiche zu machen, beim Klimawandel untätig zu sein, und gerade beim Thema Urheberrecht und Drogenpolitik "krasse Inkompetenz" an den Tag zu legen. Bisher (Stand: Donnerstagmorgen) wurde das Video mehr als 4,7 Millionen Mal geklickt.
Rezo-Video "Die Zerstörung der CDU": Spitzenpolitiker sind empört
Spitzenpolitiker der CDU sind empört. So sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab." Generalsekretär Paul Ziemiak bezeichnete Rezos Aussagen als Falschbehauptungen. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gegenüber sagte Ziemiak: "Er macht von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch. Journalismus ist das aber nicht." Auf welche Aussagen er sich konkret bezieht, gab Ziemiak nicht an.
Ziemiak ergänzte, Rezo tue so, als sei nur seine Meinung richtig. Das sei gefährlich. "Populismus, Beleidigungen und falsche Vereinfachungen haben wir in den sozialen Netzwerken und in der Politik leider schon mehr als genug."
Der YouTuber Rezo ging auf die Vorwürfe Ziemiaks zunächst nicht ein. Zu Kritik von anderen CDU-Politikern sagte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: "Dass die CDU mit belegloser Diskreditierung auf inhaltliche Kritik antwortet, ist natürlich nichts Überraschendes."
"Die Zerstörung der CDU": Rezo erhält Unterstützung aus der Politik
Seine Aussagen im Video "Die Zerstörung der CDU" unterstreicht Rezo mit mehr als 250 Belegen, Studien, Zitaten sowie Publikationen von Stiftungen und Medien. Eigenen Angaben zufolge hat er zusammen mit seinen Mitarbeitern hunderte Stunden in Recherche und Produktion des Videos investiert.
Es gibt jedoch auch Rückendeckung aus der CDU. So schreibt der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek selbstkritisch auf Twitter, dass die Debatte um das Video zeige, dass in der CDU zuletzt zu viel über Flüchtlinge und zu wenig über Klimaschutz geredet worden sei.
Unterstützt wird Rezo auch vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven Kindler. Er schreibt, dass der YouTuber zwar zuspitze, in vielen Punkten jedoch auf Basis von Fakten den Kern treffe. "Die #CDU sollte ihren Kurs ändern, anstatt #Mimimi zu machen."
Reaktion der CDU auf Rezo-Video: Fehlanzeige
Eine offizielle Reaktion der CDU blieb bisher aus. Am Mittwoch hatten mehrere Medien berichtet, dass die CDU im Laufe des Tages ein Reaktionsvideo veröffentlichen wolle. Am Nachmittag hatte die Partei bestätigt, Video-Sequenzen mit CDU-Jungstar Philipp Amthor gedreht zu haben. Das angekündigte Video erschien aber weder im Laufe des Mittwochs, noch am Donnerstag.
Wie am Donnerstagmittag bekannt wurde, wird das ursprünglich als Reaktion geplante Internet-Video des jungen Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor nicht veröffentlicht. Darauf hat sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur die Parteispitze geeinigt. Stattdessen will die CDU den YouTuber Rezo nach dessen scharfer Kritik zu einem Meinungsaustausch einladen.
"Lass uns über Deine Kritik an der CDU sprechen, aber bitte höre auch uns zu, wie wir die Dinge sehen", schrieb Generalsekretär Paul Ziemiak am Donnerstag bei Twitter.
"Nicht als Show, sondern so, wie die meisten Menschen bei uns: aus Sorge über unsere Zukunft und über Wege, unseren Planeten zukunftsfest zu machen, über Ideen für bessere Lösungen. Lass uns treffen, damit mir miteinander sprechen können." Ob Rezo auf das Angebot zum Meinungsaustausch eingehen wird, blieb zunächst offen.
CDU-Generalsekretär Ziemiak zu Rezo-Kritik: "Wir machen nicht alles richtig"
Ziemiak kündigte an, auch Philipp Amthor werde zu einem Treffen mit Rezo kommen. Ziemiak bot Rezo ein Gespräch an, wie man das seit 70 Jahren in der CDU mache: "Wir zerstören einander nicht, sondern wir hören einander zu, wir reden miteinander, wir finden gemeinsame Lösungen." Ziemiak räumte ein: "Wir machen nicht alles richtig. Du hast Kritikpunkte benannt, die berechtigt sind. Wir können beim Klimaschutz noch mehr tun, mit besseren Technologien und guten Ideen."
Die Lösungen müssten jedoch "so sein, dass die Menschen in Deutschland unseren Weg akzeptieren und nicht aus Wut über Preise und Vorschriften zu "Gelbwesten" werden", schrieb Ziemiak weiter. Er schloss mit den Worten: "Dein Paul." In der Diskussion um Uploadfilter im Internet, an der sich scharfe Kritik gerade junger Menschen und von Youtubern und Bloggern entzündet hatte, "haben wir nicht den richtigen Ton angeschlagen, das können wir besser", gab der CDU-Generalsekretär zu. (mit dpa)
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier