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Rechtsextremismus: Nach "NSU 2.0"-Drohmail: Gibt es rechte Netzwerke bei der Polizei?

Rechtsextremismus

Nach "NSU 2.0"-Drohmail: Gibt es rechte Netzwerke bei der Polizei?

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    Wie stark sind rechtsextreme Strömungen bei der Polizei? Während die einen vermuten, dass es dort durchaus rechte Netzwerke gibt, verbitten sich andere einen Generalverdacht.
    Wie stark sind rechtsextreme Strömungen bei der Polizei? Während die einen vermuten, dass es dort durchaus rechte Netzwerke gibt, verbitten sich andere einen Generalverdacht. Foto: Boris Roessler, dpa (Symbol)

    Gibt es in der Polizei ein rechtsextremistisches Netzwerk? Dieser Verdacht steht im Raum, nachdem Spuren eines Drohschreibens an eine hessische Linken-Politikerin zu einem Polizeicomputer führten. Die FDP fordert nun Aufklärung – und zwar nicht nur in Hessen, sondern im gesamten Bundesgebiet. Für den Innenexperten Benjamin Strasser ist das Maß nach den jüngsten Vorfällen voll, denn bereits in der Vergangenheit sei es in etlichen Polizeibehörden zu rechten Umtrieben gekommen. Unserer Redaktion sagte Strasser: „Die Polizei muss ein extremismusfreier Raum sein.“ Jetzt brauche es „bundesweit einen unabhängigen Sonderermittler, der diese Vorfälle länderübergreifend analysiert und mögliche, immer noch bestehende Netzwerke aufklärt“.

    Hintergrund der Forderung Strassers sind Drohmails, die die Linken-Politikerin Janine Wissler erhalten hat, nachdem zuvor an einem Polizeicomputer in Hessen sensible Personendaten zu Wissler abgefragt wurden. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Bereits im Februar hatte Wissler E-Mails mit Todesdrohungen erhalten, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren. Offenbar sehen sich die unbekannten Absender als Wiedergänger der Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die von 2000 bis 2006 neun Morde an Migranten und einer Polizistin beging sowie drei Bombenanschläge und zahlreiche Banküberfälle verübte. Die beiden Haupttäter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos töteten sich 2011 selbst, bevor sie festgenommen werden konnten. Ihre Komplizin Beate Zschäpe wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

    Die NSU-Opfer-Anwältin erhielt bereits 2018 Drohschreiben

    Ab 2018 hat auch die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die Familien der Opfer als Nebenkläger beim Münchener NSU-Prozess vertrat, Drohschreiben erhalten, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass die persönlichen Daten der Juristin kurz zuvor an einem Computer in einem Frankfurter Polizeirevier abgerufen worden waren. Wer die E-Mails, in denen Basay-Yildiz und ihrer Familie die Ermordung angedroht wurde, verschickt hat, ist bis heute ungeklärt.

    Am vergangenen Sonntag gingen ähnliche Drohmails bei Janine Wissler ein. Sie ist Linksfraktionschefin im hessischen Landtag und stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken. Nach Angaben von Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) haben er selbst und Ministerpräsident Volker Bouffier am Montag eine identische Mail erhalten. Er sei allerdings erst am Mittwoch vom Landeskriminalamt (LKA) informiert worden, dass kurz zuvor Wisslers Daten von einem Polizeicomputer abgefragt worden waren.

    Das LKA habe dazu bereits einen Polizeibeamten vernommen. Dieser werde als Zeuge geführt. Offenbar wurden mit den Anmeldedaten des Mannes die Informationen zu Wissler an dem Dienstrechner abgefragt. Wie es heißt, hätten aber möglicherweise auch andere Beamten Zugang zu dem Computer haben können. Beuth kritisierte das LKA scharf, weil es ihn so spät informiert habe, dies sei angesichts der Tragweite des Falls „inakzeptabel“. Den Vorgang aufklären sowie möglichen rechten Strukturen innerhalb der hessischen Polizei nachgehen soll nun ein Sonderermittler.

    Benjamin Strasser hält solche Ermittlungen nicht nur in Hessen für notwendig, sondern in ganz Deutschland. Er saß für die FDP im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Dabei sei eine ganze Reihe alarmierender Vorfälle innerhalb der Polizei beleuchtet worden. Etwa, dass Polizisten aus der Einheit der vom NSU ermordeten Beamtin Michele Kiesewetter Mitglied des Schwäbisch Haller Ku-Klux-Klans waren.

    FDP-Innenexperte Strasser: „Auch wenige Vorfälle sind hier zu viel“

    Im sogenannten Nordkreuz-Komplex um eine rechtsextreme Gruppierung, die die Ermordung von politischen Gegnern plante, habe es unzulässige Meldedatenabfragen gegeben. Leiter der Gruppe war ein langjähriger Polizeibeamter. Und es gebe weitere bekannte Beispiele rechter Umtriebe von Polizisten. „Auch wenige Vorfälle sind hier zu viel“, sagt Strasser. Der lange angekündigte Lagebericht des Verfassungsschutzes zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden sei zwar überfällig, genüge aber nicht. Nötig sei auch ein nationaler Sonderermittler. Strasser betont: „99 Prozent der Polizeibeamten stehen ohne Wenn und Aber auf dem Boden des Grundgesetzes.“ Es sei auch in deren Interesse, die wenigen schwarzen Schafe zu enttarnen und aus dem Dienst zu entfernen.

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