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Nach Koran-Verbrennung: „Tod für Amerika“

Nach Koran-Verbrennung

„Tod für Amerika“

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    Aufgebrachte Afghanen protestierten in Kabul zum Teil gewalttätig gegen die Koran-Verbrennung durch US-Truppen.
    Aufgebrachte Afghanen protestierten in Kabul zum Teil gewalttätig gegen die Koran-Verbrennung durch US-Truppen.

    Strenggläubige Muslime würden nicht einmal einen Fetzen Papier wegwerfen, auf dem ein Vers aus dem Koran steht. Für sie ist die Schändung ihres Heiligen Buches eine Todsünde. Nach zehn Jahren Militäreinsatz im extrem konservativen Afghanistan müsste sich das auch in der US-Armee herumgesprochen haben – sollte man meinen.

    Salafismus - Strömung des Islamismus

    Zur islamistischen Strömung gehört der Salafismus. Diese religiöse und politische Bewegung orientiert sich an einem idealisierten Bild der Frühzeit des Islam. Das arabische Wort «Salaf» steht dabei für Ahnen und Vorfahren. Viele Salafisten tragen lange Bärte, weite Gewänder und Kopfbedeckungen. Frauen, die kein Kopftuch tragen, begehen nach Überzeugung von Salafisten eine schwere Sünde.

    In Deutschland stehen Teile der Salafisten-Bewegung im Verdacht, ein Sammelbecken für gewaltbereiten Islamismus zu sein und Verbindungen zu Terrornetzwerken zu pflegen. Nach dem jüngsten Verfassungsschutzbericht üben viele salafistische Einrichtungen vor allem auf junge Muslime Anziehungskraft aus. Das Gedankengut könne eine Radikalisierung fördern.

    Dennoch „entsorgten“ Soldaten auf dem US-Stützpunkt Bagram Koran-Exemplare nun in einem Verbrennungsofen. Alle Versuche der Schadensbegrenzung konnten die wütenden Proteste nicht mehr stoppen, bei denen am Mittwoch bis zu acht Afghanen ums Leben kamen. Dabei hatte der Kommandeur der Internationalen Schutztruppe Isaf, US-General John Allen, nach Bekanntwerden des Vorfalls sofort den Kniefall vor den Afghanen gemacht. Er wusste, welche Lawine drohte: Nachdem ein Pastor in Florida im vergangenen Frühjahr demonstrativ einen

    Allen entschuldigte sich am Dienstagmorgen – nur Stunden nach dem Vorfall in Bagram – in einer ungewöhnlich demütigen Mitteilung bei dem „edlen Volk Afghanistans“. Zu dem Vorfall erklärte er: „Ich versichere Ihnen...ich schwöre Ihnen..., das war nicht in irgendeiner Weise vorsätzlich.“

    Die Isaf – und allen voran die Amerikaner – kämpfen seit Jahren gegen das Image ebenso unsensibler wie rüpeliger Besatzer an, als die sie immer mehr Afghanen wahrnehmen. Erst vor gut einem Monat tauchte ein Video auf, auf dem lachende US-Marines auf getötete Talibankämpfer urinierten. Davor machte das „Kill Team“ Schlagzeilen: amerikanische Soldaten, die 2010 mordend durch Afghanistan zogen und die Leichen ihrer zivilen Opfer verstümmelten.

    Kaum verwunderlich, dass in einer Umfrage der Asia Foundation vergangenen November 63 Prozent der Afghanen angaben, ausländischen Soldaten nicht zu vertrauen. Wie ernst die unbedachte Koran-Verbrennung in Bagram auch von der US-Regierung genommen wurde, zeigte die umgehende Entschuldigung von Verteidigungsminister Leon Panetta an die Adresse der Afghanen. Doch auch Panettas Bitte um Verzeihung verpuffte ebenso wirkungslos wie die Direktive Allens, der all seinen Soldaten bis zum 3. März Nachhilfe beim Umgang mit religiösen Schriften wie dem Koran verordnete.

    Zusammenstöße griffen auf mehrere Landesteile über

    Am Mittwoch weiteten sich die Proteste aus, die Gewalt brach sich Bahn. In mehreren Landesteilen kam es zu Zusammenstößen. In der Provinz Parwan, wo Bagram liegt, griff ein Mob ein Verwaltungsgebäude an. In der Hauptstadt Kabul versammelten sich mit Eisenstangen bewaffnete Aufrührer vor einem gesicherten Gebäudekomplex, in dem Ausländer wohnen. Die Menge skandierte „Tod für Amerika“ – und sie rief „Stirb, Karsai“. Präsident Hamid

    Gewinner der gedankenlosen Koran-Verbrennung in Bagram sind die Taliban. Die selbst ernannten Gotteskrieger teilten mit, die Schändung des Korans entspreche dem Charakter der US-Invasoren. Und ausgerechnet die Taliban – die Kinder als Selbstmordattentäter in den Tod schicken – riefen „alle Menschenrechtsorganisationen“ dazu auf, „solche barbarischen Handlungen der Amerikaner“ künftig zu verhindern. Can Merey, dpa

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