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Nach Israel-Gedicht: SPD-Politiker: Keine Wahlkampfhilfe mehr von Günther Grass

Nach Israel-Gedicht

SPD-Politiker: Keine Wahlkampfhilfe mehr von Günther Grass

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    Grass machte seit Jahrzehnten Wahlkampf für die SPD. Einige Sozialdemokraten wollen darauf in Zukunft verzichten.
    Grass machte seit Jahrzehnten Wahlkampf für die SPD. Einige Sozialdemokraten wollen darauf in Zukunft verzichten. Foto: dpa

    Grass machte seit Jahrzehnten Wahlkampf für die SPD. In den 1960-er Jahren hatte er sich leidenschaftlich für die Wahl des  Sozialdemokraten Willy Brandt zum Kanzler eingesetzt. Seine  Erfahrungen im Bundestagswahlkampf 1969 hatte Grass in dem Buch  "Aus dem Tagebuch einer Schnecke" verarbeitet.

    Vergangene Woche veröffentlichte Günther Grass sein Gedicht "Was gesagt werden muss", in dem er Israel vorwirft, als Atommacht den Weltfrieden zu gefährden. Sich selbst bezichtigte er, zu lange dazu geschwiegen zu haben. Seitdem wird erbittert über den Nobelpreisträger und seine Äußerungen debattiert. Israel selbst erklärte Grass zur persona non grata.

    Robbe: Aktionen mit Grass wären Provokation, nicht Unterstützung

    Die Thesen von Günther Grass und die Fakten

    Günter Grass hat in seinem umstrittenen Gedicht «Was gesagt werden muss» eine Reihe von Behauptungen aufgestellt. Die Nachrichtenagentur dpa hat sie anhand von öffentlich bekannt gewordenen Fakten und Aussagen überprüft.

    Der Erstschlag gegen den Iran wird in Planspielen geübt?

    Ja. Die israelische Regierung und westliche Länder haben betont, die militärische Option werde als letzte Maßnahme nicht ausgeschlossen. Dass es entsprechende militärische Planungen und Übungen gibt, gilt als sicher. Seriöse Medien haben bereits über Details berichtet. Diese sind erwartungsgemäß nie offiziell bestätigt worden. Auch Äußerungen von US-Regierungsmitgliedern legen nahe, dass es in Israel Planungen gibt.

    Der Bau einer Atombombe im Iran wird nur vermutet und ist unbewiesen?

    Ja. Der Iran bestreitet, Atombomben zu entwickeln. Auch die israelische Regierung geht davon aus, dass der Iran noch nicht mit dem Bau begonnen hat. Die Internationale Atomenergiebehörde in Wien (IAEA) geht Hinweisen nach, wonach der Iran an einem geheimen militärischen Atomprogramm gearbeitet hat. Darüber hinaus hat die Führung in Teheran eine Reihe von Fragen der IAEA bislang nicht beantwortet.

    Israel könnte das iranische Volk auslöschen?

    Nein. In Israel und anderswo war nie die Rede von atomaren Angriffen auf den Iran. Bei den Planspielen, die in Medien veröffentlicht worden waren, geht es um gezielte Luftangriffe sowie das Bombardement von Anlagen, die zum Atomprogramm gehören.

    Das israelische Atomwaffenprogramm wächst und wird geheim gehalten?

    Unklar. Über das israelische Atomwaffenprogramm gibt es keine offiziellen Angaben. Es wird vermutet, dass Israel seit den 1960er Jahren Atomwaffen besitzt. Offiziell zugegeben wurde dies nicht, weil sonst internationale Kontrollen zugelassen werden müssten. Das lehnt Israel aus Sicherheitsgründen ab. Israels Ex-Ministerpräsident Ehud Olmert hatte sich im Dezember 2006 in einem Interview versprochen und den Eindruck vermittelt, er habe Israel als Atommacht geoutet. Olmert ruderte dann sofort zurück.

    Wer über Israels Atompotenzial oder seine Angriffspläne gegen den Iran spricht, wird des Antisemitismus beschuldigt?

    Nein. In Israel und außerhalb werden diese Themen seit Jahren lebhaft diskutiert. Der Vorwurf des Antisemitismus ist dabei nicht sichtbar erhoben worden.

    Israel gefährdet den Weltfrieden?

    Nein. Israel betrachtet den Iran als derzeit größte Gefahr für seine Existenz. Ein Grund ist die Drohung, Israel von der Landkarte verschwinden zu lassen. Ein weiterer Grund ist die Unterstützung des Irans für militante und radikal-islamische Palästinenserorganisationen sowie die pro-iranische Hisbollah im Libanon. Der Westen ist sich einig, dass eine iranische Atombombe nicht nur Israel bedroht. Wegen eines drohenden Wettrüstens sowie der Gefahr einer Weiterverbreitung stünde die Sicherheit der Region und möglicherweise der Welt auf dem Spiel.

    Mit seinem umstrittenen Gedicht zu Israels Atompolitik habe sich "die Frage von künftigen Wahlkampfunterstützungen für die  SPD erledigt", sagte nun der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Christian Lange, der "Welt".

    Ähnlich äußerte sich der SPD-Politiker Reinhold Robbe. "Ich  möchte Grass nicht mehr in einem Wahlkampf für die SPD erleben",  sagte er dem Blatt. Grass habe sich mit seinen jüngsten Äußerungen  zwischen sämtliche Stühle gesetzt. "Wahlkampfaktionen mit Grass  würden viele Sozialdemokraten jetzt als Provokation und nicht als  Unterstützung empfinden." Davon abgesehen gelte mit Blick auf  Grass: "Seine Zeit ist einfach vorbei."

    Thierse: Grass nicht voreilig ausschließen

    Das ist Günter Grass

    Am 16. Oktober 1927 wird Günter Grass als Sohn einer Kaufmanns-Familie in Danzig geboren. Seine Kindheit verbringt er in einfachen Verhältnissen. Seine Eltern unterhielten ein Kolonialwarengeschäft.

    Im Alter von 17 Jahren wird Grass 1944 von den Nazis zum Luftwaffenhelfer einberufen. Wie erst im Jahr 2006 bekannt wird, war Grass seit Herbst 1944 auch Mitglied in der SS. Nach Kriegsende gerät Grass zunächst in amerikanische Gefangenschaft.

    Nach seiner Freilassung aus der Kriegsgefangenschaft macht Grass eine Steinmetzlehre und stellt seine Werke auch öffentlich aus. 1955 wird er als Schriftsteller Mitglied der Autorenrunde "Gruppe 47". 1959 erscheint sein Roman "Die Blechtrommel". Das Buch wird 1980 von Volker Schlöndorff verfilmt.

    Ab 1965 beteiligt sich Grass an Wahlkampfkampagnen für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Von 1982 bis 1993 ist er Mitglied der SPD. Auch äußert sich Grass immer wieder in offenen Briefen oder Reden zu politischen Themen.

    Nach dem Fall der Berliner Mauer spricht sich Grass wiederholt gegen eine "Ruck-zuck-Einheit" aus und wirbt stattdessen für eine allmählich zusammenwachsende föderalistische deutsche Kulturnation.

    Am 10. Dezember 1999 erhält Grass den Literatur-Nobelpreis für sein Lebenswerk. Zuvor hatte Grass bereits zahlreiche andere Literatur-Preise erhalten, darunter den Georg-Büchner-Preis (1965) , den Fontane-Preis (1968) und den Thomas-Mann-Preis der Stadt Lübeck (1996).

    Im Herbst 2006 erscheint sein Buch "Beim Häuten der Zwiebel". Kurz vor der Veröffentlichung erklärt Grass, er sei als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS gewesen. Mit seinem Bekenntnis beginnt eine Debatte um Grass' Rolle als moralische Instanz im Nachkriegsdeutschland.

    Obwohl Grass 1992 aus der SPD austrat, ist er weiterhin politisch aktiv. So engagiert er sich beispielsweise gegen die Atomkraft und hielt im Frühjahr 2011 eine Lesung vor dem AKW Krümmel .

    Ganz anders äußerte sich dagegen Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Er warnte davor, den Schriftsteller nun voreilig vom Wahlkampf für die SPD auszuschließen. Er halte nichts davon, dass die SPD nun gewissermaßen wie der Staat Israel Günter Grass zur Persona non grata erkläre, sagte Thierse im Deutschlandfunk. AZ, afp, dpa

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