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Nach Giftanschlag: Russland kündigt Vergeltung für britische Sanktionen an

Nach Giftanschlag

Russland kündigt Vergeltung für britische Sanktionen an

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    Die Polizei steht vor dem Restaurant Zizzi, das in Zusammenhang mit der mutmaßlichen Vergiftung des Doppelagenten Skripal steht.
    Die Polizei steht vor dem Restaurant Zizzi, das in Zusammenhang mit der mutmaßlichen Vergiftung des Doppelagenten Skripal steht. Foto: Andrew Matthews, dpa

    Großbritannien weist wegen des Giftanschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal 23 russische Diplomaten aus. Zudem werden bilaterale Kontakte "auf hoher Ebene" auf Eis gelegt. Davon sei auch die Fußballweltmeisterschaft im Sommer in Russland betroffen, sagte Premierministerin Theresa May am Mittwoch im Parlament in London. Zuvor hatte

    Die 23 Diplomaten hätten eine Woche Zeit, um das Land zu verlassen. London zog auch eine Einladung an den russischen Außenminister Sergej Lawrow zu einem Besuch in Großbritannien zurück. Regierungsvertreter und Mitglieder des Königshauses werden nicht zur Fußball-WM nach Russland reisen, wie May weiter sagte. Russischer Staatsbesitz werde eingefroren, wo immer die Regierung Belege habe, dass er für Geheimoperationen gegen Großbritannien genutzt werde. Zudem verschärft London Kontrollen von Privatfliegern, beim Zoll und Frachtverkehr.

    May hatte gefordert, dass sich Moskau bis 1 Uhr in der Nacht zum Mittwoch zur Herkunft des bei dem Attentat verwendeten Nervengifts Nowitschok äußern müsse. Die extrem gefährliche Substanz war einst in der Sowjetunion entwickelt worden. Woher das Gift für den Anschlag kam, ist nicht geklärt.

    Russland über das Vorgehen Londons: "Beispiellose, grobe Provokation"

    Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, Russland lasse nicht in der Sprache von Ultimaten mit sich reden. Man habe London über diplomatische Kanäle mitgeteilt, dass Russland nichts mit dem Anschlag zu tun habe. Das Außenministerium in Moskau kündigte eine baldige Antwort auf die Ausweisung seiner Diplomaten an. Das Vorgehen Londons sei eine "beispiellose grobe Provokation". Es sei inakzeptabel, dass die britische Regierung zu derartigen Mitteln greife. London opfere zur Durchsetzung seiner politischen Interessen die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. 

    Das Verhältnis beider Länder ist schon lange angespannt. Bereits mehrfach haben London und Moskau gegenseitig Diplomaten ausgewiesen. Es handelt sich aber um die größte einzelne Ausweisung von Russen seit mehr als 30 Jahren, wie May in ihrer Rede betonte. Wer Großbritannien zu schaden versuche, für den gebe es nur eine einfache Botschaft: "Ihr seid hier nicht willkommen!"

    Der Streit erinnert an Zeiten des Kalten Krieges. Beide Seiten schaukeln sich darin hoch, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. May und ihre konservative Regierung stehen wegen der schwierigen Brexit-Verhandlungen unter Druck und müssen Stärke zeigen. Russland wiederum nimmt wenige Tage vor der Präsidentenwahl am Sonntag die Gelegenheit wahr, sich als Opfer einer weiteren westlichen Verschwörung darzustellen, die man aber stolz abwehrt.

    Angela Merkel fordert Moskau zur Transparenz auf

    Skripal, 66, und seine Tochter Yulia, 33, waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie befanden sich am Mittwoch noch immer in einem kritischen Zustand. Nach britischen Angaben wurden sie Opfer des chemischen Kampfstoffes Nowitschok. 

    Das russische Außenministerium reagierte auf die Ausladung von Minister Lawrow eher schnippisch: Dieser habe die Einladung gar nicht angenommen. Der Rüstungskonzern Rostech teilte in Moskau mit, seine Teilnahme an der Luftfahrtmesse in Farnborough stehe in Frage. Großbritannien wolle dort keine russische Militärtechnik zulassen.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Moskau zu Transparenz auf. Die Befunde der britischen Regierung seien ernst zu nehmen, sagte Merkel nach ihrer vierten Vereidigung als Kanzlerin in der ARD-Sendung "Farbe bekennen". Dennoch könnten nicht alle Kontakte abgebrochen werden, "denn man muss ja auch mit den russischen Verantwortlichen immer wieder sprechen, trotz aller Meinungsverschiedenheiten".

    London sichert sich Unterstützung der NATO

    Der neue Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) wertete es als "enttäuschend, dass Russland bisher noch nicht bereit zu sein scheint, zur Aufklärung beizutragen." Moskau sollte in der Sache Stellung nehmen - entweder bilateral gegenüber Großbritannien oder im Rahmen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW). 

    London sicherte sich bereits die Unterstützung der Nato-Partner. Das Land informierte am Mittwoch bei einer Sitzung des Nordatlantikrats über den Ermittlungsstand zu dem Attentat. Die Alliierten hätten danach ihre tiefe Besorgnis und Solidarität zum Ausdruck gebracht, hieß es in einer Stellungnahme. 

    Der Fall sollte am Mittwochabend auch beim UN-Sicherheitsrat in New York besprochen werden. Das teilten die Niederlande mit, die derzeit den Vorsitz führen.

    Skripal spionierte als Offizier des russischen Militärgeheimdienstes GRU für die Briten. Er wurde in Russland verurteilt und 2010 bei einem großen Agenten-Austausch nach Großbritannien entlassen.

    Das Attentat auf ihn erinnert an den Fall des Ex-Agenten Alexander Litwinenko, der 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde. Auch damals führten die Spuren der Täter nach Moskau. (dpa)

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