Das Thema Videoüberwachung ist in Deutschland wieder neu entfacht. Anlass für die neuerliche Diskussion um eine Ausweitung der das Attentat in Boston. Einige Inneminister der Union wollen eine Verschärfung der Videoüberwachung. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hingegen mahnte zur Besonnenheit. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnete die Sicherheitsgesetze als ausreichend.
Forderung: Videoüberwachung in Deutschland ausweiten
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte sich nach dem Anschlag in Boston dafür ausgesprochen, die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen in Deutschland auszuweiten. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" will er dafür im Bundeshaushalt 2014 mehr Mittel beantragen. Friedrich führe bereits intensive Gespräche mit der Deutschen Bahn, damit die Videoüberwachung auf Bahnhöfen verstärkt werde.
Joachim Herrmann: "Wichtige Täterhinweise"
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der "Welt" (Samstagsausgabe), in Boston hätten Videoaufnahmen wichtige Täterhinweise und schnell verfügbare Ermittlungsansätze geliefert. Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) erklärte der "Welt", Videoaufnahmen seien nicht nur bei Terrorakten ein gutes Mittel, sondern schafften auch an Kriminalitätsschwerpunkten Sicherheit.
Leutheusser-Schnarrenberger wies die Forderungen nach schärferen Sicherheitsvorkehrungen zurück. Der Anschlag von Boston sollte "nicht für eine innenpolitische Debatte instrumentalisiert werden", sagte sie der "Welt am Sonntag".
SPD: Keine totale Kontrolle öffentlicher Räume
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, erklärte in Berlin, die SPD wolle "keine totale Kontrolle öffentlicher Räume, aber Videoaufnahmen an kritischen, potenziell gefährlichen Orten, wo die Gefahr von Anschlägen besteht". Die Linken-Abgeordnete Petra Pau kritisierte, bei den Bundesinnenministern, egal ob Friedrich oder sein Vorgänger Otto Schily (
Der Bundesverfassungsgerichtspräsident Voßkuhle warnte vor überzogenen Reaktionen. Dass nach einem Ereignis wie in Boston sofort Forderungen formuliert würden, sei Teil des politischen Geschehens, sagte er der "Welt am Sonntag". Zur Balance von Sicherheit und Freiheit gehöre aber auch, Gesetze zu überprüfen und gegebenenfalls wieder abzuschaffen.
Die Abschreckung der Videoüberwachung
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnte ebenfalls vor "reflexhaften Forderungen". Schließlich hätten die Videokameras in Boston die Anschläge nicht verhindert. Allerdings sei er nicht grundsätzlich gegen Video-Überwachung. Es komme aber auf die Verhältnismäßigkeit an.
Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, sagte dem Magazin "Focus", Videoüberwachungen könnten "abschreckend wirken und entscheidend bei der Aufklärung von Straftaten wirken". Er warnte aber auch vor zu hohen Erwartungen an eine Videoüberwachung. "Eine hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben."
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, zeigte sich besorgt, dass der versuchte Anschlag auf dem Bonner Hauptbahnhof nach mehr als vier Monaten noch immer nicht aufgeklärt sei. "Wir müssen davon ausgehen, dass ein oder mehrere Täter im Land sind, die abermals einen Versuch unternehmen und dann vielleicht eine funktionsfähige Bombe einsetzen", sagte er der "Frankfurter Rundschau" (Samstagsausgabe). Er halte es nicht für ausgeschlossen, dass sich ein solcher Anschlag in Deutschland ereigne.
Im vergangenen Dezember war in einer Reisetasche am Gleis eins des Bonner Hauptbahnhofs ein Sprengsatz entdeckt worden, der jedoch nach Erkenntnissen von Fachleuten des Bundeskriminalamt keinen Zünder enthielt. afp/AZ