Eklat vor NSU-Prozess: Mit Blick auf den Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe hatte Sprecherin Margarete Nötzel gesagt, sie sei "kein Freund von Etikettierungen etwa im Sinne von Jahrhundertprozess". Das habe "so ein bisschen was Anmaßendes - so wie das tausendjährige Reich, das dann vielleicht nur 15 Jahre gedauert hat oder sowas in der Art", sagte Nötzel in einem Beitrag, der am Mittwochabend im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wurde.
Eklat vor NSU-Prozess
Am Donnerstag nahm die OLG-Sprecherin die Äußerung zurück. Opferanwälte reagierten empört: "Der Wunsch - auch der Nebenkläger - diesen Prozess einzuordnen als großen, historischen Prozess, dieser Wunsch wird als Anmaßung bezeichnet und verglichen mit dem Größenwahn der Nazis", erklärten die Nebenklagevertreter Stephan Lucas und Jens Rabe. Sie vertreten die Familie von Enver Simsek, dem ersten Mordopfer der Neonazi-Terroristen.
"Dabei geht es bei der Einordnung darum, für einen solchen Prozess angemessene Bedingungen zu schaffen - und das bedeutet vor allem ausreichend Platz für die Öffentlichkeit", betonten die Anwälte. "Jeder weiß, dass sich Hitler- und Nazivergleiche per se verbieten, zumal wir hier von Opfern rechten Terrors sprechen. Das finden wir unangemessen und instinktlos."
Das ist Beate Zschäpe
Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.
Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.
Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.
Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.
Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.
Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.
Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.
Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.
Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.
Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".
OLG-Sprecherin distanziert sich
Nötzel distanzierte sich am Donnerstag von ihrer Äußerung: "An dem Vergleich halte ich nicht fest. Ich kann die Kritik nachvollziehen", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, mahnte mehr Sensibilität seitens der Justiz an.
Das Verfahren gegen Zschäpe und die mutmaßlichen Helfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" werde einer der größten Prozesse der deutschen Rechtsgeschichte in der Nachkriegszeit. "Aufgrund des riesigen öffentlichen Interesses - nicht nur im In-, sondern auch im Ausland - muss gewährleistet sein, dass ein größtmögliches Maß an Transparenz vorherrscht", erklärte Lischka.
"Das ist kein Public Viewing"
Insbesondere den Angehörigen der Opfer sei es nicht zuzumuten, dass sie wegen möglicher Kapazitätsprobleme nicht am Prozess teilnehmen können, kritisierte Lischka. Bislang plant das Gericht, nur jeweils rund 50 Plätze für Zuschauer und Journalisten zur Verfügung zu stellen; die Nebenkläger sollen im hinteren Teil des Saals Platz finden.
Anwälte hatten gefordert, Zeugenaussagen im Saal auf eine Videoleinwand zu übertragen, um wenigstens die Gesichter sehen zu können. Auch hierzu hatte sich die OLG-Sprecherin in dem Fernsehbeitrag ablehnend geäußert: "Das ist kein Public Viewing, das ist ein Strafverfahren." (dpa, AZ)