Sechs der 13 Beschuldigten dürfte in München der Prozess gemacht werden, berichtet heute die Süddeutsche Zeitung. Beate Zschäpe werde bisher die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Dazu könnte eine Anklage wegen versuchten Mordes kommen.
Beate Zschäpe: Wichtigere Rolle als bekannt?
Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe soll in der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" eine deutlich wichtigere Rolle gespielt haben als bislang angenommen. Das hatte auch der NDR berichtet. Demzufolge erhebt das Bundeskriminalamt schwerere Vorwürfe gegen sie als zunächst bekannt. Zschäpe habe in dieser terroristischen Vereinigung mindestens eine gleichberechtigte und strukturierende Rolle" gespielt, berichtet der NDR. Der Sender beruft sich dabei auf einen neuen BKA-Personenbericht über die Inhaftierte.
Am Dienstag hatte die Bundesanwaltschaft die Freilassung von zwei mutmaßlichen Unterstützern der Neonazi-Zelle Nationalsozialistischer Untergrund angeordnet. Wie die Anklagebehörde in Karlsruhe mitteilte, handelt es sich um die beiden Verdächtigen Carsten S. und Matthias D. Bereits in der vergangenen Woche war der mutmaßliche NSU-Unterstützer Holger G. auf freien Fuß gesetzt worden.
Carsten S. ist weiter dringend verdächtig
Laut Bundesanwaltschaft ist Carsten S. zwar weiter dringend verdächtig, den mutmaßlichen NSU-Mitgliedern Ende 1999 oder Anfang 2000 gemeinsam mit dem Beschuldigten Ralf W. die Tatwaffe zu Morden an neun Migranten beschafft und sich damit der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht zu haben. Der Beschuldigte habe sich aber umfassend zum Tatvorwurf geäußert und entscheidend zur Tataufklärung beigetragen. Zudem habe sich Carsten S. glaubhaft von rechtsradikalem Gedankengut abgewandt und seit spätestens 2001 keine Kontakte mehr in rechtsextremistische Kreise.
Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse
Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.
Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.
Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.
Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.
Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.
Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.
Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.
Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.
Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».
Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.
Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.
Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.
Als "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) sollen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos sowie womöglich auch Beate Zschäpe neun Männer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin ermordet haben. Am 4. November 2011 verübten Böhnhardt und Mundlos in Eisenach einen Banküberfall. Kurz vor ihrer Festnahme erschoss Mundlos seinen Komplizen und tötete sich dann selbst.
Die 37-Jährige Beate Zschäpe hatte danach die gemeinsame Wohnung in Zwickau angezündet. Weil zu dieser Zeit noch eine 89 Jahre alte Nachbarin in der wohnung war und dadurch gefährdet wurde, könnte der mutmaßlichen Terroristin nun auch eine Anklage wegen versuchten Mordes drohen, so die SZ. AZ